Davis-Cup-Neuling Martin Emmrich:Doppelt ist besser als allein

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Martin Emmrich: Freude über seinen Turniersieg in Düsseldorf (Foto: dpa)

Kein Erfolg, kein Geld. Das Tennisspielen hätte Martin Emmrich beinahe aufgegeben, im Einzel kam er in der Weltrangliste nie über Platz 604 hinaus. Nun ist er im Doppel der beste Deutsche - und spielt erstmals im Daviscup.

Von Matthias Schmid

Ganz Linksaußen sitzt er auf dem Podium, gleich neben Florian Mayer. Die offizielle Auslosungszeremonie des Internationalen Tennisverbandes (ITF) vor dem Daviscup-Relegationsspiel gegen Brasilien in Neu-Ulm muss Martin Emmrich, 28, surreal vorgekommen sein, fast wie ein Märchen.

Als er mit 20 Jahren am Küchentisch seiner Eltern saß, erschöpft, leer, ohne jede Hoffnung, hätte er mit allem gerechnet, aber nicht damit, acht Jahre später Teil der deutschen Nationalmannshaft im Tennis zu sein. "Ich hatte damals genau noch 35 Euro auf meinem Konto und wusste nicht, wie ich die nächste Miete bezahlen soll", erinnert sich Emmrich an den Tiefpunkt seiner Karriere.

Nach zwei Turniererfolgen in diesem Jahr war es aber fast schon eine logische Entscheidung des Teamchefs Carsten Arriens, den gebürtigen Magdeburger zu nominieren. "Martin ist derzeit der beste deutsche Doppelspieler", sagt auch Christopher Kas, der jahrelang im Daviscup spielte.

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Dennoch ist der Name Martin Emmrich selbst Tennisliebhabern kaum ein Begriff. Dabei führt ihn der ATP-Computer als besten deutschen Doppelspieler auf Position 35. Emmrich gehört zu denjenigen Weltklasseakteuren, der in ihrem Sport nur einen Nischenplatz besetzen. Er wird nie vor Millionen Fernsehzuschauern aufschlagen, er hat das Nebengeschäft zu seinem Spezialgebiet gemacht, eigentlich zu seinem einzigen Anliegen: Emmrich spielt Doppel.

An diesem Freitag startet die Abstiegs-Relegation mit den Einzeln von Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer. Am Samstag schlägt dann Emmrich an der Seite des zweiten Neulings Daniel Brands auf, gegen das Duo Bruno Soares und Marcelo Melo. Die beiden Brasilianer gehören zu den besten Spielern ihres Faches, Soares stand zuletzt im Finale der US Open, Melo hatte das Endspiel in Wimbledon erreicht. "Ich brauche mich nicht vor den Brasilianern zu verstecken", sagt Emmrich trotzdem.

Lampenfieber oder gar Gehemmtheit angesichts der Premiere sind Emmrich fremd. "Er soll seine Klappe schon aufmachen", sagt Teamchef Arriens über den Neuling, dessen Vater der beste Spieler in der DDR war, der zwar nie bei den vier großen Grand-Slam-Turnieren im Westen antreten durfte, aber klangvolle Spieler wie Björn Borg und Ivan Lendl schlug. Thomas Emmrich war es auch, der seinem Sohn damals am elterlichen Küchentisch riet, die Tour nicht zu verlassen, sondern es weiter zu probieren als professioneller Tennisspieler. Aber nicht mehr im Einzel, sondern im Doppel.

"Das wollte ich aber zunächst nicht wahrhaben", sagt Martin Emmrich. Doch er gehorchte seinem Vater.

Vor zwei Jahren spielte Emmrich in Wimbledon sein erstes Majorturnier. Inzwischen ist er auf der großen Tour etabliert, Auftritte in Melbourne, Paris, London und New York sind für ihn so selbstverständlich geworden wie als Co-Kommentator für Eurosport zu arbeiten. Sein Hauptpartner ist Andre Begemann, in Kitzbühel gewann er allerdings den Titel mit Christopher Kas. "Martin hat einen unangenehmen Linkshänderaufschlag und spielt am Netz sehr mutig", beschreibt der ehemalige Daviscupspieler die Spielweise Emmrichs. Dieser habe eigentlich keine Schwächen und ist wie gemacht für einen Doppelspieler.

Emmrich wird ein gutes Debüt feiern, davon ist Kas überzeugt. Für die Nationalmannschaft zu spielen, war schon immer sein Traum. "Es hat als Kind oft davon gesprochen, eines Tages dort zu spielen", sagt sein Vater, der heute als Tennislehrer arbeitet. Er hat seinem Sohn auch die Reflexe, das Return- und Flugballspiel näher gebracht, das er als Doppelspieler so dringend braucht.

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Als Einzelspieler hat es Emmrich nie höher als Platz 604 der Weltrangliste geschafft. Nun holt er im Doppel das nach, was ihm als Einzelspieler stets verwehrt geblieben ist: die besten der Welt zu bezwingen. In diesem Jahr gelang ihm in München im Doppel ein Sieg gegen Tommy Haas. Mitgekommen hat das kaum einer. Doch inzwischen hat sich Martin Emmrich an die Anonymität gewöhnt. Er kann damit umgehen und von seinem Nischenplatz sehr gut leben, auch die Miete bezahlen. "Ich kann etwas zur Seite legen, aber einen Porsche kann ich mir nicht leisten", sagt Emmrich.

Vielleicht wird es für einen Sportwagen oder irgendwas sinnvolles irgendwann mal reichen. Zunächst freut er sich aber auf den Daviscup. Vor acht Jahren am Küchentisch hat er diese Entwicklung noch für unmöglich gehalten.

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