Anastassija Dobromyslowa:Die letzte Frau bei der Darts-WM

Lesezeit: 3 min

Anastassija Dobromyslowa will bei ihrer zweiten WM-Teilnahme über die erste Runde hinaus kommen. (Foto: Getty Images)
  • Die Russin Anastassija Dobromyslowa ist die letzte verbliebene Frau bei der Darts-WM in London.
  • Am Montagabend könnte es nach dem Duell mit Ryan Joyce erstmals eine weibliche Siegerin im Alexandra Palace geben.
  • Schon einmal war Dobromyslowa bei der WM am Start, was damals nicht alle freute.

Von Tim Brack

Der einstige Kneipensport Darts ist längst aus seiner Nische gekommen und hat sich zu einem veritablen Eventsport entwickelt. Pfeilewerfen ist Show. Ein Zeichen der gelungenen Symbiose: Die Werfer führen Spitznamen, die in einem anderen Eventsport, dem Wrestling, gebräuchlich sein könnten, so wie Mighty Mike, Snakebite, The Iceman und The Wizard.

Der Name "From Russia with Love" (angelehnt an den englischen Titel des James-Bond-Films "Liebesgrüße aus Moskau") lässt im Vergleich dazu etwas Griffigkeit vermissen. Ihm fehlt aber vor allem eines: Maskulinität. Das verwundert nicht, wenn man weiß, wer hinter dem Namen steckt: die Russin Anastassija Dobromyslowa.

Darts
:Das sind die Favoriten der Darts-WM

Alle wollen die "Ooooonehundredandeightyyyy": Michael van Gerwen ist in Top-Form, der Titelverteidiger ein bisschen trainingsfaul - nur Phil Taylor fehlt. Eine Übersicht.

Von Thomas Hürner

Sie ist die letzte verbliebene Frau bei der Darts-WM in London, die gerade im Alexandra Palace (Spitzname "Ally Pally") stattfindet. Vor einem Jahr noch waren auf der Bühne des wichtigsten Darts-Wettbewerbs nur Männer zu sehen - zumindest bis auf ein paar lächelnde Frauen, die die Spieler auf die Bühne führten.

Die sogenannten Walk-on-Girls sind seit diesem Jahr aber abgeschafft. Ein Resultat der gesellschaftlichen Debatte rund um die MeToo-Bewegung. Es ist eine positive Entwicklung, die vom Darts-Verband PDC vorangetrieben wurde, auch aus Gründen der Vermarktung. Für diese WM gab es im 96er-Feld erstmals zwei Plätze, die Frauen vorbehalten waren. An sich waren Spielerinnen schon immer spielberechtigt, doch weil deutlich weniger Frauen Darts spielen als Männer, qualifizierte sich nie eine Spielerin regulär.

Dobromyslowa ist nicht nur Liebe vergönnt

Bei den Frauen-Qualifikationsturnieren vor der WM setzten sich dann die Favoritinnen Dobromyslowa und Lisa Ashton durch. Für Ashton endete das Turnier allerdings am vergangenen Donnerstag in der ersten Runde unter dem Applaus der Fans. Dobromyslowa, 34, wird am Montagabend gegen 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit die Bühne betreten. Auf der Erhöhung im "Ally Pally" hatte sie schon einmal ihre Pfeile geworfen. 2009 blieb es aber bei einem einzigen Auftritt. Das Turnier endete durch eine knappe Niederlage gegen Remco van Eijden in Runde eins.

Dobromyslowa hatte es nicht leicht bei ihrer ersten WM-Teilnahme vor zehn Jahren. Sie durfte nur dank einer Wildcard starten, weil ein anderer Spieler zurückgezogen hatte. Eric Bristow, der mittlerweile verstorbene fünfmalige Weltmeister, hatte heftig kritisiert, dass zum zweiten Mal in der WM-Geschichte der PDC eine Frau warf. Das "russische Mädchen" solle nicht antreten, seien seine Worte gewesen, erinnert sich Dobromyslowa beim Guardian.

Ob sich seitdem etwas verbessert hat, wurde sie von der englischen Zeitung noch gefragt. "Wahrscheinlich, aber nicht alle Menschen haben sich verändert. Am Ende hat jeder ein Recht auf seine eigene Meinung", sagte sie vor dem Turnier. Aber was die Kritiker sagen, interessiere sie nicht, "weil ich getan habe, was ich tun musste, um mich zu qualifizieren".

Dobromyslowa hört solche Gegenstimmen seit ihrer Jugend. Mit zwölf Jahren fing sie in ihrer russischen Heimatstadt Twer mit dem Darts-Spielen an, rund 170 Kilometer entfernt von Moskau. Als sie die Jungen in ihrem Jugendklub an der Scheibe besiegte, waren Reaktionen eindeutig. "Ich war nicht sehr beliebt", sagt Dobromyslowa. "Ich denke, das hat mich abgehärtet, weil ich immer unter Jungs war. Als Mädchen musste ich um meinen Platz kämpfen."

Im Darts verhalfen ihr die Erfahrungen zu einer gewissen Wettkampfhärte. Im zur PDC konkurrierenden Verband BDO holte sie drei WM-Titel bei den Frauen. Nach ihrem ersten Erfolg 2008 wechselte sie zur PDC und rückte schnell in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit. Dafür genügte ein gewonnenes Spiel bei einem bedeutenden Turnier: Beim Grand Slam of Darts besiegte sie 2009 einen Mann, den Niederländer Vincent van der Voort. Erst zum zweiten Mal gelang es einer Spielerin, einen Mann bei einem renommierten Turnier zu schlagen. Dobromyslowas Leistung wurde zudem im Fernsehen übertragen, was ihre Bekanntheit erheblich steigerte.

Danach veränderte sich viel für die Russin. Sie wechselte zurück zum BDO, gewann zwei weitere Male den WM-Titel der Frauen und wurde Mutter. Sie ist weiterhin Darts-Profi, doch ihr Alltag unterscheidet sich sehr von dem der meisten Spieler. Trainiert wird nur, wenn ihr Sohn schläft. Darunter leidet ihre sportliche Karriere. "Ich kann mein Baby und dass ich Mutter bin nicht für meine Leistung verantwortlich machen", sagte sie. "Aber gleichzeitig sind wir alle nur Menschen. Wir haben gute Jahre und schlechte, gute Tage und schlechte. Und natürlich habe ich nicht so viel trainiert, wie ich hätte sollen."

Für Montag wünscht sie sich einen dieser guten Tage. Dann geht es im "Ally Pally" gegen Ryan Joyce. Das Duell gegen den Engländer, den man Relentless (unbarmherzig) nennt, ist keine einfache, aber eine lösbare Aufgabe. Dobromyslowa könnte dann die erste Frau werden, die bei der Darts-WM der PDC einen Sieg feiert. Darüber würde sich auch der PDC-Vorsitzende Barry Hearn freuen. "Ich will den Männern nichts Schlechtes wünschen", sagte er im Daily Telegraph, "aber durch die Kommerzbrille betrachtet, wäre es natürlich ein tolles Ergebnis, einer Frau dabei zuzusehen, wie sie einen Mann auf der Bühne des 'Ally Pally' schlägt."

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

London
:Was Sie über die Darts-WM wissen müssen

Die Darts-WM beginnt - diesmal ohne Rekord-Champion Phil "The Power" Taylor. Dafür hat der beste deutsche Spieler ein Freilos. Und erstmals treten zwei Frauen an.

Von Christopher Gerards

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: