Dartsspieler Raymond van Barneveld:Meister der Rücktritte

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  • Pfeile einpacken, Pfeile auspacken: Raymond van Barneveld ist ein Phänomen unter den Dartsspielern.
  • Nach Niederlagen hat er einen Hang zu Kurzschlussreaktionen und verkündet gerne auch mal seinen Rücktritt.
  • Dieses Mal dauert es 13 Stunden, bis er zurückrudert. Nur, um sein wirkliches Karriereende anzukündigen.

Von Carsten Scheele, Rotterdam/München

Mit Raymond van Barnevelds Rücktrittsankündigungen lässt sich bald ein Buch füllen. Der berühmte Dartsspieler aus den Niederlanden ist ein Meister darin, scheinbar zweifelsfreie Abschiedsbekundungen in die Welt zu entsenden - und diese dann Stunden später wieder zu verwerfen. So hat van Barneveld, heute 51, nach einer Niederlage 2017 über die sozialen Medien angesäuert verkündet: "Von heute an wird es Zeit, das Leben zu genießen und Darts Darts sein zu lassen." Klang nach Rücktritt? Ach was. Er habe bloß sagen wollen, dass Darts künftig "nicht mehr an Position eins, zwei und drei in meinem Leben steht", erklärte der fünfmalige Weltmeister nach einer Mütze Schlaf und mit etwas klareren Gedanken im Kopf. Von Abschied war keine Rede mehr.

Zwei Jahre später hat es van Barneveld wieder getan - und unter dem Eindruck privater Probleme erneut sein Karriereende bekundet, um dieses allerdings nur 13 Stunden später zu revidieren. Der Niederländer ist zwar längst nicht mehr so stark an der Scheibe wie Anfang der 2000er Jahre, als er sogar Phil Taylor, dem 16-maligen Weltmeister, den Rang als Branchenerster streitig machen konnte, aber er ist einer der bekanntesten und beliebtesten Pfeilewerfer des Planeten. Auch deshalb sind die Ereignisse für ihn schwer zu ertragen gewesen: 1:7 hatte van Barneveld am Donnerstag in der Premier League gegen Weltmeister Michael van Gerwen verloren, 1:7 zuvor auch gegen Daryl Gurney, einen Mann, der im Gegensatz zu van Gerwen weit davon entfernt ist, Weltmeister zu werden. Das alles in Rotterdam, in van Barnevelds Heimat, vor 14 000 Fans, die auf den Stühlen standen und ihren "Barney" feiern wollten, dann aber nur sahen, wie dem bulligen Mann beim Walk-on die Tränen kamen.

Er habe "eine Entscheidung getroffen, ich bin durch", sagte van Barneveld im Fernsehen. Er habe keine Lust mehr auf diese Demütigungen, er leide "Schmerzen in jeder einzelnen Woche in den vergangenen drei, vier Jahren". Obwohl er immer noch zu den Spielern mit den meisten Fans gehört - seine "Barney-Army" begleitet ihn lautstark bei den Turnieren -, liegen die großen Siege etliche Jahre zurück. Weltmeister wurde er zuletzt 2007, bei der WM 2019 schied er in der zweiten Runde aus gegen den Darts-Nobody Darius Labanauskas aus Litauen.

Nur einer glaubt nicht an den Rücktritt

"Ich bin nicht gut genug und ich habe nicht mehr die Energie", erklärte van Barneveld also: "Ich könnte sagen, Ray, gib dir ein wenig Zeit, aber es bleibt keine Zeit mehr. Für mich gibt es kein Licht." Das klang nach: Pfeile einpacken und nie wieder einen Fuß in eine Kneipe setzen, in der eine Dartscheibe hängt.

Der erste (und zunächst einzige), der aus diesen Worten keinen Rücktritt heraushören wollte, war van Barnevelds Manager Jaco van Bodegom. Dieser wusste um den seelischen Zustand seines Klienten, dessen Ehe in die Brüche gegangen war. Und auch, dass van Barneveld als notorisch schlechter Verlierer zu Kurzschlussreaktionen neigt. 13 Stunden später kam die Bestätigung. "In der Hitze des Gefechts wollte ich nie wieder so fühlen", erklärte van Barneveld in einem offiziellen Statement, er habe sich geschämt auf der Bühne: "Ich hatte das Gefühl, dass ich alle im Stich gelassen habe."

Er habe gemerkt, "dass ich nicht aus der Emotion heraus sprechen sollte", fuhr er fort. Um dann abermals sein Karriereende anzukündigen: Die WM 2020 in London möchte van Barneveld noch spielen. Danach soll Schluss sein. Endgültig. Unwiderruflich. Vielleicht.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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