Darts:Das WM-Finale steht für den Wandel im Darts-Sport

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Bild des Wandels: Michael van Gerwen besiegt Gary Anderson (r.). (Foto: Steven Paston/dpa)
  • Im Finale am Neujahrstag trifft der Niederländer Michael van Gerwen, 29, auf Michael Smith, 28.
  • Besonders die krasse Niederlage des 48-Jährigen Anderson gegen van Gerwen zeigt, dass die Generation der Leistungssportler die Generation der lässigen Pfeilewerfer ablöst.
  • Rekordweltmeister Phil Taylor trat bereits vor einem Jahr ab, Raymond van Barneveld folgt 2020 - und auch Anderson spricht vom Karriereende.

Sven Haist, London

Auf dem Weg von der Bühne warf Gary Anderson seine Tasche mit den Pfeilen weg - damit war die Weltmeisterschaft im Darts für ihn endgültig gelaufen. Auf die Wurfgeschosse der Profis haben es die Fans in den vorderen Reihen des Alexandra Palace abgesehen, um sie als Souvenir aus London mit nach Hause nehmen zu können. Den schwarzen Beutel warf Anderson allerdings nicht der wartenden Meute zu, sondern pfefferte ihn in einen schwarzen Vorhang auf der Gegenseite, was heißen sollte, dass er wahrlich genug hatte vom Spiel mit den Pfeilen. Nach seinem Abgang meldete er sich erst in der Nacht über Twitter von der diesjährigen Auflage ab: "Tut mir leid, ich habe einfach den Hintern versohlt bekommen von @MvG180. Alles Gute an beide fürs Endspiel."

Dem zweimaligen schottischen Weltmeister Gary Anderson hat es nach seinem Aus im Halbfinale am Sonntag erst mal die Sprache verschlagen, nachdem er zuvor eine Lehrstunde hat über sich ergehen lassen müssen. Mit 6:1 setzte sich der Weltranglistenerste Michael van Gerwen gegen Anderson durch. Seit knapp fünf Jahren dominiert der Niederländer die Scheibenwelt von vorne weg, in dieser Saison gelangen ihm 19 Turniersiege.

Nach seinen beiden WM-Triumphen 2014 und 2017 könnte er mit einem weiteren Erfolg an Neujahr im Endspiel gegen den an zehn gesetzten Engländer Michael Smith auf den vierten Platz der Bestenliste vorrücken. Bloß der im Vorjahr abgetretene Rekordchampion Phil Taylor (16 Titel), der im April verstorbene englische Altmeister Eric Bristow und van Gerwens niederländischer Landsmann Raymond van Barneveld (beide fünf Titel) würden sich dann noch über ihm befinden. "Den Druck, den ich auf Gary ausgeübt habe, bedeutete, dass er nicht in seiner besten Form sein konnte. Ich habe ihm mit meinen Auswürfen keine Zeit zu atmen gegeben", sagte van Gerwen.

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:Van Gerwen dominiert Anderson und steht im WM-Finale

Der Weltranglistenerste lässt dem Schotten keine Chance und trifft im Endspiel auf den Engländer Michael Smith. Dann geht es um etwa 555 000 Euro Preisgeld.

Anderson klagt über Rückenprobleme - und spricht vom Karriereende

Die krasse Niederlage für den kurz vor Heiligabend 48 Jahre alt gewordenen Anderson setzt den Wandel fort, der sich momentan bei den Spielern im Darts vollzieht. Als einziger der zehn Routiniers aus dem Klassement der besten 20 Werfer, die mindestens 40 Jahre alt sind, schaffte es Anderson beim prestigeträchtigsten Wettstreit des Jahres überhaupt mehr als ein Spiel zu gewinnen. Gleich acht Kollegen scheiterten in ihrem jeweils ersten Duell, darunter die hoch gehandelten Peter Wright (48/England), Ian White (48/England), Mensur Suljovic (46/Österreich) und Raymond van Barneveld (51/Niederlande). Bereits vor dem Turnier hatte van Barneveld, der Fanliebling schlechthin im Ally Pally, der vor zwölf Jahren gegen Taylor im Sudden Death das spektakulärste Finale der Historie gewann, seinen Rücktritt für nach der WM 2020 angekündigt. Bei seiner vorletzten Teilnahme reichte es bei ihm nicht mal mehr fürs Weiterkommen gegen den litauischen Qualifikanten Darius Labanauskas. "Ich kann mir diese Leistung nicht erklären. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mir das weh tut", sagte van Barneveld.

Nach Taylor geht jetzt mit van Barneveld eine weitere Leitfigur auf Abschiedstour - und bald dürfte auch Gary Anderson folgen. Der Flying Scotsman lässt kaum eine Gelegenheit aus, um über anhaltende Rückenprobleme zu klagen: "Ich denke, ich werde vor 50 fertig sein. Vielleicht diese Weltmeisterschaft und vielleicht die nächste, aber dann war es das. Ich will lieber angeln gehen - weniger Stress." Langsam, aber sicher legt sich eine Generation an Männern zur Ruhe, die das Dartsspielen interpretierten, wie es die Leute offenbar sehen wollen: einfach lässig drei Pfeile aus 2,37 Meter Entfernung ins minimale Feld der Triple-20 zur Höchstpunktzahl 180 schmeißen, als wäre nichts weiter dabei.

Van Gerwen und Smith werfen Darts in die Zukunft

Die Turnierserie der Professional Darts Corporation (PDC) erstreckt sich mittlerweile über fast alle Kontinente, von Australien bis Amerika, selbst in Afrika wird Darts gespielt. Die Binsenweisheit, dass sich im Volkspalast auf einer Anhöhe im Norden der englischen Hauptstadt ein paar Männer fortgeschrittenen Alters aus den Kellerkneipen ins Rampenlicht werfen, verliert an Glaubwürdigkeit. Die Ausdauer, um den gegenwärtigen Spielplan über Jahre hinweg durchhalten zu können, lässt sich wohl einzig noch als Leistungssportler aufbringen, der sich in der Hochzeit seiner Karriere befindet. Der finale Ritt des Großmeisters Taylor, bei der WM 2018 mit 57 Jahren als ältester Spieler der Geschichte das Endspiel zu erreichen, lag in erster Linie seiner Ausnahmestellung im Darts zugrunde, Pfeile präziser auf Scheiben werfen zu können als alle anderen vor und nach ihm.

Das Duell zwischen van Gerwen, 29, und Smith, 28, um die Nachfolge des vergangenen Titelträgers Rob Cross leitet die Emanzipierung einer Gruppe an jungen Profis ein, die dabei sind, Darts in die Zukunft zu werfen - ohne die Spieler, die einst dafür gesorgt haben, dass ein Millionenpublikum vorm Fernseher zur besten Sendezeit zuschaut. Als letzter Fahrensmann hat Gary Anderson in diesem Turnier die Bühne freigemacht hat.

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