Darts-Turnier in Berlin:Vorsicht, Frettchen!

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Aufgestiegen ins Feld der weltbesten Spieler: der Waliser Jonny Clayton. (Foto: Bradley Collyer/dpa)

12 000 Zuschauer, das zweithöchste Preisgeld des Jahres: In Berlin wird erstmals das Finale der Darts-Premier-League ausgetragen. Jonny Clayton freut sich auf die Kulisse - und hat viel vor.

Von Benjamin Zügner

Augen auf, wer am frühen Montagabend durch die Berliner Straßen flaniert. Und keine Panik, sollten nahe der East Side Gallery an der Spree wildgewordene Flamingos oder ähnliche Geschöpfe aus dem Tierreich herumstreunen: Es wird sich aller Voraussicht nach um Darts-Fans handeln, kostümiert und zur Akklimatisation in der Hauptstadt. Für sie ist es nämlich unbekanntes Finalterritorium: Am Montag (21 Uhr) wird das Finale der Premier League vor 12 000 Zuschauern in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin ausgetragen - zum ersten Mal in Deutschland.

Die Premier League, ein jährliches Einladungsturnier des professionellen Dartsverbandes PDC, ist besetzt mit den weltbesten Spielern. Auch Jonny Clayton wurde berufen, in der Szene bekannt unter dem Spitznamen "The Ferret", das Frettchen. Der 47-Jährige hatte sich diesen Spitznamen in früheren Tagen beim heimischen Rugby-Team gesichert, als er noch patschnass nach dem Ei gehechtet war. Auch heute wird er dort noch verehrt, ihm ist ein Raum im Vereinsheim gewidmet, die "Ferret Lounge". Zu finden ist diese in Pontyberem, einer kleinen walisischen Gemeinde unweit der Küste, wo er sich vor den Playoffs noch ein wenig Ruhe gönnte, wie er erzählt. Am Montagabend wird Clayton als einer der verbleibenden vier Spieler um das Siegerpreisgeld von umgerechnet rund 320 000 Euro werfen, nach der WM das zweithöchste des Jahres.

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Er freue sich enorm auf das Berliner Publikum, "die deutschen Fans sind Darts-Fanatiker, ich genieße die Atmosphäre dort". Die Premier League machte zuletzt 2018 Halt in der Hauptstadt. Damals, noch vor Corona, wurde mit 12 000 Zuschauern an einem Hauptrundenspieltag ein Rekord aufgestellt - und Jonny Clayton von der PDC noch nicht berücksichtigt. Der Verband nominiert die Spieler auf Basis der Ranglisten-Position, der Leistungen des vergangenen Jahres und der Vermarktbarkeit. In diesem Jahr fand die Auswahl besonders spät statt: erst nach den Masters, einen Monat später als üblich und lediglich vier Tage vor Turnierbeginn.

In Berlin fehlen Weltmeister Peter Wright und sein Widersacher Gerwyn Price

Die Reisepläne mussten so außergewöhnlich schnell geschmiedet werden, denn nach der Corona-bedingten Zwangspause tourt die Premier League wieder wöchentlich durch diverse Hallen des Vereinigten Königreiches, Irlands und den Niederlanden, auch Berlin ist als Austragungsort zurück. Zwar erweitert die PDC gerade ihr Repertoire an Veranstaltungsorten, auch um das kleine "Hulu Theatre" des Madison Square Garden in New York, und doch reichte bisher keine Halle an derartige Zuschauerzahlen heran, wie es sie in Berlin gibt. Selbst die heilige Halle des Dartsports, der "Ally Pally" als Austragungsort der WM, fasst nur ein Partyvolk von 3000 Gästen.

Jonny Clayton will sich davon ohnehin nicht beirren lassen, er verfolge lieber sportliche Ziele. "Der Druck am Anfang des Jahres war groß", sagt Clayton, der in seinem bisher besten Karrierejahr 2021 triumphierte, in seiner Premier-League-Debütsaison.

In der diesjährigen Hauptrunde, aufgeteilt auf 16 Spieltage, gab es dann einen neuen Modus: Anstatt des ligaähnlichen Spielbetriebs wurden wöchentlich Mini-Turniere ausgetragen. Nach der abschließenden Nacht im englischen Newcastle vor zweieinhalb Wochen ergab sich ein leicht überraschendes Tabellenbild: Die Nummer eins der Welt, der aktuelle Weltmeister Peter Wright, ist ebenso wenig in der Finalnacht von Berlin vertreten wie sein größter Widersacher, der ehemalige walisische Rugby-Spieler Gerwyn Price.

Und doch stand im Tableau auf Platz eins wieder ein bekannter Name: Jonny Clayton. Er mache sich große Hoffnungen auf den Sieg, "ich habe ein gewaltiges Selbstvertrauen, und es haben bisher nicht viele geschafft, den Titel zu verteidigen". Genauer gesagt zwei: Phil Taylor, die Vaterfigur des einstigen Kneipensports, und Michael van Gerwen, der ebenfalls in Berlin nach dem Titel greifen will. Während der Niederländer im Halbfinale gegen James Wade, den besten Linkshänder auf der Tour, antritt, muss Clayton gegen einen "guten Freund" an die Abwurflinie, den Engländer Joe Cullen.

Glaubt man der Lebenserwartung eines Frettchens, zwischen fünf und zehn Jahren, wird Jonny Clayton auch in den kommenden Jahren in der Premier League zu bestaunen sein. Er spielt ja gerade erst seine zweite Saison.

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