Darts-Weltmeister Peter Wright:Die Schlange hat Rücken

Darts-Weltmeister Peter Wright: Diesmal ohne Schlange, aber ansonsten gewohnt schrill: Der Weltranglistenerste Peter Wright beim German Darts Grand Prix in München am vergangenen Wochenende.

Diesmal ohne Schlange, aber ansonsten gewohnt schrill: Der Weltranglistenerste Peter Wright beim German Darts Grand Prix in München am vergangenen Wochenende.

(Foto: M. Engelbrecht/Gepa/Imago)

Der Bunteste ist jetzt auch der Beste: Seit März führt der Schotte Peter Wright die Darts-Rangliste an. Doch hinter dem schrillen Bühnen-Ich verbirgt sich ein stilles, verletzliches Wesen. Wie es nun weitergeht, das entscheiden die Gallensteine.

Von Benjamin Zügner

"Snakebite", Schlangenbiss. In der Cocktailkarte ist das eine Mischung aus Cider und hellem Lagerbier, im Darts ist es der Spitzname von Peter Wright, 52 - und sein Lieblingsgetränk. Auf der Darts-Tour wird der Schotte Wright so genannt, auch weil während der Spiele häufig ein aufgeklebtes Schlangenkonterfei die Seite seines Kopfes ziert. Unterhalb des bunt eingesprühten Haarstreifens, der meistens trefflich mit seinen ebenso schrillen Outfits korrespondiert.

Seit März ist der Schrillste von allen nun auch offiziell der Beste. Durch seinen Achtelfinaleinzug bei den UK Open im englischen Minehead steht Wright an der Spitze der Order of Merit, der Geldrangliste der Professional Darts Corporation. Bis zu diesem Platz ganz oben war es ein weiter Weg, er dauerte mehrere Jahrzehnte und führte über viele Unwägbarkeiten. Und kaum oben angekommen, muss Wright sich die Frage stellen, wie lange sein Körper das wohl noch mitmacht: Pfeilchenwerfen auf Weltklasseniveau.

Aufgewachsen ist Peter Wright zusammen mit seiner alleinerziehenden Mutter, die mit ihm aus dem schottischen Livingston in eines der ärmeren Londoner Viertel gezogen war, da war er fünf. Mittlerweile lebt Wright etwa drei Stunden östlich der Hauptstadt auf einem Bauernhof in Mendham, einem beschaulichen 400-Seelen-Dorf mitsamt seinen Gänsen und Hühnern. Würde man dergleichen vermuten bei einem Dartsspieler, dessen optisches Auftreten eher dem typischen Paradiesvogel gleicht?

Seine Haare sind eigentlich grau. Die Verkleidung auf der Bühne hat Wrights Gattin Joanne mit erfunden. Ihr Spitzname: "Boss"

Aber das ist der Kern seiner Geschichte, Wright ist im Privatleben ein anderer Mensch als auf der Dartsbühne. Bei der PDC Home Tour - einer Turnierserie während der Corona-Pandemie, bei der die Partien aus den Wohnzimmern der Spieler gestreamt wurden -, zeigte sich die gehäutete Schlange: Graue Haare zieren sein Haupt, anstatt Kontaktlinsen findet bisweilen eine Brille mit dicker grauer Fassung ihre Verwendung, und anstatt Party-Musik zum Einlauf dudelt während des Trainings das Radio. Das Publikum mag das überrascht haben. Seine Frau Joanne kennt die beiden Seiten des Peter Wright schon lange, sie hat sie sozusagen mit erfunden.

Unterstützt hatte sie ihn schon, als er sich zu Beginn der Karriere noch mit Gelegenheitsjobs durchkämpfte, als Hilfsarbeiter auf dem Bau oder in Fabriken. 1995 war Wright zwar erstmals bei der WM der British Darts Organisation dabei - dem damaligen Konkurrenzverband zur PDC -, versank jedoch im Anschluss jahrelang in unterklassigen englischen Ligen. Sein Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten war zu gering, die Nervosität auf der Bühne oft viel zu groß. Joanne ermutigte ihn mehr als ein Jahrzehnt später, es doch noch mal ernsthaft mit der Profikarriere zu versuchen. Inzwischen ist sie zu einer Art Managerin ihres Mannes geworden, Spitzname: "Boss".

Wrights Outfits: Irgendwas zwischen Grinch und Tannenbaum. Er schöpft daraus Selbstvertrauen

Aber sie ist nicht nur das: Sie ist die gelernte Friseurin, die ihrem Mann für die Bühnenmatches die Haare richtet, eine rund zweistündige Prozedur. Sie ist seine Stylistin, immer auf der Suche nach Outfits zwischen Grinch und Tannenbaum. Sie ist die Chauffeurin, weil er keinen Führerschein hat. Sie ist die Schöpferin des "Bühnen-Wright", denn sie war es, die ihren Gatten davon überzeugte, sich ein Bühnen-Ich zu erschaffen, aus dem er Selbstvertrauen schöpfen kann.

Im letzten Jahr widmete er Joanne noch auf der Bühne den Titel beim World Matchplay, neben der WM das prestigeträchtigste Turnier im Jahreskalender. Tränen kullerten. Da zeigte er sich auch mal wieder auf der Bühne: der gehäutete Peter Wright, der großen Wert auf die Familie legt. Sein Stiefpapa darf ebenso mit zu Turnieren reisen wie seine Frau; und die drei gemeinsamen Kinder begleiteten ihn zum WM-Finale 2020, wo er sich erstmals zum Weltmeister krönte, mit 49 Jahren.

2014 sollte Schluss sein, jede Niederlage konnte gleichbedeutend mit dem Karriereende sein - aber dann erreichte er das WM-Finale

Eigentlich hatte die WM 2014, so lautete ein Beschluss im heimischen Wohnzimmer, die Letzte seiner Karriere sein sollen. Das eingespielte Preisgeld war einfach zu dürftig; seit seinem Wechsel auf den Profi-Circuit 2008 war der Erfolg weitgehend ausgeblieben. Ein letzter Versuch also noch. In liebevoller Arbeit richtete Joanne ihrem Mann noch einmal die Haare, jede Niederlage konnte nun gleichbedeutend mit dem Karriereende sein.

Aber Wright kämpfte sich überraschend bis ins Finale vor und nahm 100 000 Pfund Preisgeld mit nach Hause. Nun konnte er nicht mehr aufhören. Seine Leistungen wurden konstanter, das Preisgeld häufte sich. Für seinen WM-Gewinn 2020 kassierte Wright 500 000 Pfund, umgerechnet knapp 600 000 Euro. Doch dass es darum nicht in erster Linie geht, spürte man, als Joanne und die Kinder zum Fototermin mit auf die Bühne gebeten wurden.

Darts-Weltmeister Peter Wright: Die Frau an seiner Seite hörte nicht auf, ihren Mann zu unterstützen: Joanne und Peter Wright nach dem WM-Sieg im Januar 2022 in London.

Die Frau an seiner Seite hörte nicht auf, ihren Mann zu unterstützen: Joanne und Peter Wright nach dem WM-Sieg im Januar 2022 in London.

(Foto: Nigel Keene/Pro Sports Images/Imago)

Wer dachte, dass ihm der Erfolg zu Kopf steigen würde, dem ehemaligen Hilfsarbeiter, der täuschte sich. Zu Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020, kurz nach seinem Triumph, machte das Vereinigte Königreich seine Grenzen dicht; Dimitri van den Bergh, ein belgischer Top-Ten-Spieler, schaffte es nicht mehr aus dem Land. Wright quartierte ihn kurzerhand bei sich ein und bildete über mehrere Wochen ein Trainings-Tandem mit dem 24 Jahre jüngeren Kontrahenten aus Antwerpen, der im Anschluss über Wrights Leistungen am Practice Board schwärmte und hinzufügte, dass sie gute Freunde geworden seien. Eine Schlange muss nicht immer giftig sein.

Aber wenn der Rücken schmerzt, wie zuletzt, dann wird es schwer. Dass Wright gesundheitliche Probleme im Weg stehen, offenbarte sich schon 2017, als ihm nach dem bis dahin besten Jahr seiner Karriere nicht seine drei Pfeile im Weg standen, sondern drei Gallensteine. Er nahm in kürzester Zeit 14 Kilo ab, ließ auf der Bühne, körperlich gezeichnet, den Spaß vermissen und musste sich bei der WM schon in der zweiten Runde geschlagen geben.

Und nun - nach seinem zweiten Weltmeistertitel im Januar 2022, nach dem Sprung ganz an die Spitze im März - ist wieder sein Körper das Thema. Aktuell kommen die Gallensteine zurück und forcieren seine Rückenschmerzen, er müsse sich zwischen den Turnieren erholen, berichtete Wright zuletzt. Sein erstes Match als Branchenprimus verlor er an seinem Geburtstag, und im Rahmen der European Tour in Hildesheim musste er kurz darauf sogar aufgeben.

Gerwyn Price, derzeit Wrights schärfster Konkurrent, ist ebenfalls körperlich nicht auf der Höhe

Der Waliser Gerwyn Price, den Wright vom Spitzenrang vertrieb, bleibt ihm eng auf den Fersen. Price, ein ehemaliger Rugbyspieler, konterkariert mit seiner aufbrausenden, lauten Art den zwar bunten, aber doch stillen Wright - und so läuft nun ein ungleiches Duell um die Nummer Eins. Der Preisgeldunterschied der beiden, rund 16 000 Pfund, ist bei jeweils gewonnenen 1,2 Millionen Pfund über die vergangenen zwei Jahre hinweg eher Makulatur. Wer längerfristig an der Spitze verharren wird, entscheidet sich mit dem Gesundheitszustand.

Darts-Weltmeister Peter Wright: Beliebt auch in Deutschland: Peter Wright im Jahre 2015 in Unterschleißheim, kurz nachdem er erstmals das WM-Finale erreicht und das Ende seiner Karriere verschoben hatte.

Beliebt auch in Deutschland: Peter Wright im Jahre 2015 in Unterschleißheim, kurz nachdem er erstmals das WM-Finale erreicht und das Ende seiner Karriere verschoben hatte.

(Foto: Johannes Simon)

Wie am vergangenen Wochenende, beim German Darts Grand Prix in München. Wright verlor dort bereits sein Auftaktmatch. Price musste aufgrund einer Mandelentzündung kurzfristig absagen. Hinzu kommt, dass sich Price aktuell ebenfalls mit einer Verletzung herumschlägt, er spielt mit einem angebrochenen Knochen in der rechten Wurfhand. Es ist ein ziemliches Schneckenrennen, in dem sich Peter Wright gerade wiederfindet, aber solange die Schlange vorankommt, bleibt sie im Spiel.

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