Comeback von Martina Hingis:"Hey, ich kann das noch"

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Im Doppel mit Sania Mirza (links): Martina Hingis. (Foto: AFP)
  • Martina Hingis ist im Tennis oft die Jüngste oder die Erste gewesen. Inzwischen ist sie 34 Jahre alt - und greift nochmal an.
  • Sie sagt: "Ich fühle jetzt wieder, dass ich dazugehöre."
  • Auch Olympia 2016 ist für die Schweizerin ein Thema.

Von René Hofmann

Fünf Matches. Keinen Satz verloren. Am Ende eine schöne Trophäe in den Händen. Und am nächsten Tag gleich weiter. Es war wie früher, womit Martina Hingis nun also endgültig zurück ist in ihrem alten Leben.

In ihrem einzig wahren Leben?

Martina Hingis war 13 Jahre alt, als sie in Langenthal in der Schweiz ihr erstes Tennis-Turnier gewann. Nach dem Sieg im Finale gegen die Französin Sophie Georges gab es 1568 Dollar und sechs Weltranglistenpunkte. Nur dreieinhalb Jahre später hatte Hingis so viele Weltranglistenpunkte gesammelt, dass der Computer sie als Nummer eins führte. Die jüngste Wimbledon-Siegerin, die erste Spielerin, die in einer Saison mehr als drei Millionen Dollar Preisgeld einspielte: Martina Hingis ist oft die Jüngste oder die Erste gewesen. Inzwischen ist sie 34 Jahre alt. Aber sie spürt, dass das vertraute Gefühl zurückkehrt.

"Ich fühle jetzt wieder, dass ich dazugehöre", hat sie am Sonntagabend in Miami gesagt, nachdem sie den 43. Turniertitel im Doppel eingespielt hatte, zusammen mit der Inderin Sania Mirza. 43 Titel hat Hingis auch im Einzel gewonnen. Über die Zahl verbinden sich ihre sehr unterschiedlichen Karriere-Abschnitte. Martina Hingis hat früh angefangen, Tennis zu spielen. Noch vor ihrer Geburt hatte ihre Mutter den Sport für sie ausgesucht. Und sie nannte ihre Tochter nicht zufällig "Martina". Sie nannte sie wegen der Tennis-Legende Martina Navratilova so.

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Als sie zwei Jahre alt war, hatte Martina Hingis zum ersten Mal einen Schläger in der Hand. Für sie war es ein Spiel. Für ihre Mutter war es mehr. "Ich war nicht die beste Zuhörerin. Ich brauchte eine harte Hand. Deshalb war meine Mutter die perfekte Trainerin für mich", hat Martina Hingis vor einiger Zeit erzählt.

Die letzte Rückkehr endete unrühmlich: mit Kokain in Wimbledon

Sie hat früh angefangen. Aber sie hörte auch früh auf. Im März 2003 gab sie - im Alter von 22 Jahren - ihren Rücktritt bekannt. Die Verletzungen hatten sich schmerzhaft gehäuft. In einem Alter, in denen viele in den Beruf starten, war ihr Berufsleben vorbei. Game over. Ausgespielt. Wie aber von etwas loskommen, wenn man nie etwas anderes wirklich kennengelernt hat? Es überraschte nicht wirklich, dass Martina Hingis drei Jahre später, als ihre Knochen nicht mehr schmerzten, zurückkehrte. Und ihre Ansage bei der Gelegenheit überraschte auch nicht. Mit wem sie sich am liebsten messen wolle, wurde sie auf der Pressekonferenz gefragt, bei der sie ihren Entschluss mitteilte. Hingis antwortete prompt: "Mit Maria Scharapowa." Die schillernde Russin war in jenem Jahr zur Nummer eins aufgestiegen.

An Selbstvertrauen hat es Martina Hingis nie gemangelt. Sie wusste stets, was sie kann. Oder zumindest einst konnte. "Sie denkt immer zwei Schläge voraus. Für sie ist Tennis wie Schach spielen": So hat Pam Shriver das einmal beschrieben. 2007 war es damit zum zweiten Mal vorbei. In Wimbledon hatte Hingis eine Doping- probe abgegeben, in der sich Kokain-Spuren fanden. Erst wollte sie gegen den Fund mit juristischen Mitteln ankämpfen. Schließlich aber fügte sie sich doch in die Zweijahres-Sperre. Game over. Ausgespielt. Zum zweiten Mal.

Jennifer Capriati, Lindsay Davenport, Serena Williams - gerade im Vergleich mit ihren großen Rivalinnen zeigte sich, was Martina Hingis stets ausgezeichnet hat: Sie hat Tennis immer ge spielt. Sie war nie eine Kraftmaschine. Keine, die auf dem Platz wie eine Arbeiterin aussah. Eher eine, die das Lustprinzip verkörperte.

Auch nach ihrer Verbannung vom Tennisplatz blieb sie gefragt. Die BBC lud sie zu "Dancing With The Stars" ein, der Playboy unterbreitete ihr ein Angebot. In Wimbledon lief sie 2010 mit Anna Kurnikowa zum Legenden-Doppel auf, im Jahr darauf bei den French Open mit Lindsay Davenport. Da kam sie den gelben Filzbällen schon wieder näher. Als sie begann, die Russin Anastassija Pawljutschenkowa zu trainieren, war sie zurück im Spiel. Im Training stand Hingis ihrer Elevin beim Training mit einem Weltklasse-Doppel zur Seite. Und merkte: "Hey, ich kann das noch." Zumindest, wenn sie nicht mehr über den ganzen Platz laufen muss.

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In kleinen Schritten ging es weiter. Zunächst an der Seite ihrer alten Bekannten Daniela Hantuchova, die sie bat, als Doppel-Partnerin auszuhelfen. Dann an der Seite von Sabine Lisicki, bei der sie sich auch als Trainerin versuchte. Im September vergangenen Jahres erreichte Martina Hingis schließlich mit der Italienerin Flavia Pennetta das Doppel-Finale der US Open. Ohne dass die Welt groß Notiz nahm, hatte sie sich zum dritten Mal in die Tenniswelt zurückgespielt. Aber einfach nur dabei sein - das reicht ihr nicht.

Im Januar feierte Martina Hingis den Mixed-Titel bei den Australian Open an der Seite des Inders Leander Paes, 41. In dessen Heimat wurde sie danach vom Premierminister empfangen. Als sich vor einigen Wochen dann dessen Landsfrau Sania Mirza von ihrer Doppel-Partnerin trennte, witterte Hingis ihre große Chance: An der Seite der Doppelspezialistin würde sie es noch weiter bringen können. Vielleicht sogar ganz zurück, zur alten Größe.

Beim Turnier in Indian Wells taten die beiden sich zum ersten Mal zusammen. Es folgten: fünf Siege ohne Satzverlust, der Turniersieg. Ein Kunststück, das sie direkt im Anschluss in Key Biscayne wiederholten. "Sie hat einige Rücktritte und einige andere Dinge hinter sich, aber sie hat immer noch ein großartiges Verständnis von diesem Spiel", sagt die 28 Jahre alte Mirza über ihre sechs Jahre ältere Partnerin: "Sie weiß einfach, wie man gewinnt." Mirza deckt die Grundlinie, Hingis das Netz. Da bleiben den Gegnerinnen nicht viele Möglichkeiten, wo sie hinspielen können.

Mit zwei Auftritten haben sie es schon ziemlich weit gebracht. Mirza kann in dieser Woche die Nummer eins der Doppel-Rangliste werden. Sie wäre die erste Inderin, die dort geführt wird. Für das Ziel sind die beiden am Morgen nach dem Erfolg in Florida gleich weitergereist. Nach Charleston in South Carolina, wo in dieser Woche um Weltranglistenpunkte und Dollars gespielt wird. "Das Ziel ist, die Nummer eins zu werden. Deshalb fahren wird dorthin", sagt Hingis. "Hoffentlich können wir es beide werden. Das wäre wirklich wichtig für uns", sagt Mirza.

Das ganze Jahr haben sie sich deshalb einander versprochen. Auch bei den Grand-Slam-Turnieren wollen sie zusammen aufschlagen. Und das ist noch nicht alles. Martina Hingis denkt sogar noch weiter. 2016 finden die Olympischen Spiele statt. Sie liebäugelt nicht nur mit einem Start im Doppel, noch mehr Aufmerksamkeit ließe sich im Mixed sammeln, wenn es ihr glückt, Roger Federer, 33, zu dem Spielchen zu überreden. Um startberechtigt zu sein, muss Martina Hingis allerdings vorher mindestens einmal fürs Nationalteam spielen. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am 18. und 19. April beim Aufstiegsspiel in Zielona Gora gegen Polen. Am Montagabend bestätigte der Schweizer Tennis-Verband: Hingis wird dann dabei sein. Es war das finale Zeichen, wie ernst es ihr mit dem dritten Comeback ist. Das letzte Mal hat Martina Hingis 1998 im Fed Cup gespielt. Damals war sie 18 Jahre alt.

© SZ vom 08.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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