Champions League:Sehnsucht nach Stimmung

Lesezeit: 3 min

Kopfballduell im Kampfspiel: Die österreichische Abwehrspielerin Carina Wenninger (rechts) und ihre Kolleginnen vom FC Bayern München hatten es beim 1:1 im Hinspiel in Prag mit ungewohnten Rahmenbedingungen zu tun. (Foto: Michal Cizek/AFP)

Während der Frauenfußball überall Rekordkulissen feiert, muss sich der FC Bayern gegen Slavia Prag wohl mit rund 1000 Interessierten begnügen. Die Münchnerinnen wollen einen anderen Rekord aufstellen.

Von Anna Dreher

Der Leistungsunterschied der Mannschaften war deutlich zu sehen an diesem Abend. Die eine war hauptsächlich damit beschäftigt, zu verteidigen. Die andere widmete sich ihrem Spielaufbau, trieb den Ball mit guter Übersicht nach vorne, immer wieder gefährlich nach vorne über verschiedene Stationen in verschiedenen Variationen und kam zu vielen Chancen. Mal waren diese mehr als solche erkennbar, mal weniger. Aber es wurde doch klar: An diesem Abend wäre mehr als ein 1:1 drin gewesen für die Fußballerinnen des FC Bayern München bei Slavia Prag im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League. Nur verteidigte Slavia eben nicht schlecht - und vor allem nicht alleine.

"Die haben ihre Spielerinnen angepeitscht, Wahnsinn", sagt Wörle über die Partie in Prag

6800 Fans waren ins Stadion gekommen, sehr laut und energisch anfeuernde noch dazu. Wenn eigentlich nichts mehr ging bei den Tschechinnen, ging, angetrieben von außen, auf einmal doch noch was - sogar ein Tor aus über 30 Metern bei einem der seltenen und besonders kuriosen Versuche. Und am Ende machte eben auch das den Unterschied aus: wie viele Zuschauer deutlich zum Ausdruck brachten, wen sie hier gewinnen oder zumindest nicht verlieren sehen wollten. "Die haben ihre Spielerinnen angepeitscht, Wahnsinn", sagte Münchens Trainer Thomas Wörle bei der Pressekonferenz vor dem Rückspiel diesen Mittwoch (19.30 Uhr) auf dem FC Bayern Campus. "So einen deutlichen Heimvorteil brauchen wir auch mal."

Für seine Mannschaft war es auch deshalb eine imposante Kulisse, weil sie so ungewohnt ist. Bisher kamen in dieser Saison nur ein Mal über 2000 Zuschauer ins Stadion, zum Spitzenspiel gegen den VfL Wolfsburg. Im Schnitt sind es in München bei Ansetzungen der Fußball-Bundesliga der Frauen 658, der FC Bayern befindet sich damit im Mittelfeld hinter Vereinen wie dem SC Freiburg (1067), dem 1. FFC Frankfurt (1247), Turbine Potsdam (1377) und Tabellenführer Wolfsburg (1693). Obwohl das Team in dieser Runde erst einmal verloren hat und in der Meisterschaft als mit dem VfL punktgleicher Zweiter, im Pokal als Halbfinalist und in der Champions League als potenzieller Halbfinalist an drei Wettbewerben aussichtsreich teilnimmt. Noch dazu mit einem attraktiven Spielstil und zahlreichen bekannten Namen im Kader.

Am Mittwoch kommen vielleicht Tausend, so genau wissen sie das beim FC Bayern noch nicht. Tausend wären schon ganz gut, damit wäre das Stadion auf dem Campus in Oberschleißheim immerhin fast halb voll, 2500 Fans passen rein. Aber Tausend, das ist für ein Champions-League-Spiel, bei dem erstmals das Halbfinale erreicht werden kann, eben gleichzeitig nicht besonders viel. Und so eine Zahl im unteren vierstelligen Bereich sticht in diesen Tagen besonders hervor.

Nachdem am 17. März in Spanien beim Liga-Topspiel zwischen Atletico Madrid und dem FC Barcelona mit 60 739 Zuschauern ein neuer Rekord im europäischen Frauenfußball aufgestellt wurde, zog Italien am Sonntag nach. Die bisherige Bestmarke lag in Italien bei 14 000 Zuschauern, den 1:0-Sieg von Meister Juventus Turin gegen den AC Florenz sahen nun 39 027 Fans. Kostenlose Tickets und der an einem spielfreien Wochenende der Männer günstige Termin waren gute Voraussetzungen. Aber das Interesse am Frauenfußball ist vorhanden - über Europa verteilt. In England kamen vergangenes Jahr 45 423 Fans ins Wembley-Stadion, um sich das Finale im FA Women's Cup zwischen Chelsea und Arsenal anzusehen. Ausnahmen noch, aber eben sehr deutliche im Vergleich zu Deutschland. "Das ist schon verblüffend, aber offensichtlich möglich und die Unterstützung in der Gesellschaft da", sagte Wörle. "Man muss schauen, ob das so bleibt. Aber ein solch großes Interesse ist das, was die Fußballerinnen verdient haben. Hier muss noch mehr dafür getan werden."

Eine Tribünenbestmarke aber ist vorerst nicht wichtig für den FC Bayern in dieser mit sechs Spielen binnen 20 Tagen intensiven und entscheidenden Phase. Wichtig sind jetzt die richtigen Schlussfolgerungen auf dem Platz bei einem K.o.-Spiel. "Die vergangenen Jahre haben schon viel gebracht, weil wir bei den Niederlagen in der Champions League viel gelernt haben", sagte Abwehrchefin Carina Wenninger. "Und unser Kader ist noch stärker als damals." Die Mannschaft hat sich ein großes Selbstbewusstsein erarbeitet, sie profitiert von einer Flexibilität auf hohem Niveau, die große Ziele umsetzbar erscheinen lässt. 2017 war gegen Paris im Viertelfinale Schluss, 2018 gegen Chelsea schon eine Runde zuvor. Ein Rekord also kann am Mittwoch durchaus gebrochen werden.

© SZ vom 26.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: