Champions League:Favre stört noch einiges

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Engagiert, manchmal aber auch frustriert an der Seitenlinie: Dortmunds Trainer Lucien Favre (links). (Foto: AP)
  • Durch ein sehr glückliches Siegtor von Christian Pulisic gewinnt der BVB 1:0 in der Champions League beim FC Brügge.
  • Doch das Spiel seiner Mannschaft stellt Trainer Lucien Favre gar nicht zufrieden.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Felix Meininghaus, Brügge

Es gibt diese Momente, in denen es das Schicksal einfach gut meint. Man muss nichts dafür tun, man muss es geschehen lassen - Christian Pulisic hat das erlebt an diesem Champions-League-Abend in Brügge, der auch noch auf seinen 20. Geburtstag fiel. Der junge Mann aus Hershey im US-Bundesstaat Pennsylvania wurde in der Schlussphase eingewechselt, es war bis dahin ein Spiel, das vor sich hindümpelte wie ein träger Sonntagnachmittag nach einem durchzechten Wochenende. Nichts läuft, man wartet einfach nur darauf, dass das normale Leben wieder beginnt.

So schien sich Borussia Dortmund beim FC Brügge schon mit einer faden Nullnummer abgefunden zu haben, als der gegnerische Manndecker Matej Mitrovic im Strafraum zu klären versuchte, den Ball dabei aber so vor das Schienbein von Pulisic knallte, dass er sich in einer hohen Bogenlampe ins Brügger Tor senkte.

Der Stürmer hatte das Spiel entschieden, ohne dass er etwas dafür konnte - das nennt man wohl Fortune. Als Pulisic eine knappe Stunde später vor die Reporter trat, strahlte sein jugendliches Gesicht noch immer: "I'm a lucky man", sagte er. Na klar, so sieht ein glücklicher Mann aus.

Erster Sieg für Favre in der Champions League

Ein Sieg in der Champions League, das war für den BVB lange her. Acht Spiele in Serie hatte Dortmund in der Königsklasse nicht mehr gewinnen können, in der peinlichen letzten Session hatte es gerade mal für zwei mickrige Unentschieden gegen den Fußballzwerg aus Nikosia gereicht. Darüber hinaus feierte Lucien Favre in der lauen Nacht von Brügge eine ganz persönliche Premiere: Nie zuvor war ihm mit einer seiner Mannschaften ein Erfolgserlebnis in der Champions League geglückt. Dieser Makel ist nun getilgt.

Doch im Gegensatz zu Pulisic wollte sich das Hochgefühl bei Favre nicht einstellen. Der 60-Jährige ist ein Mann, der die Dinge sorgfältig reflektiert und einordnet. Von daher war ihm deutlich bewusst, wie fehlerbehaftet der Auftritt seines Teams gewesen ist. Und wie viel Glück nötig war, um drei Punkte zu holen, die sich noch als wertvoll herausstellen könnten beim Bestreben, die Gruppenphase zu überstehen und im europäischen Geldvermehrungs-Wettbewerb zu überwintern.

Dabei hätte Favre sich leicht von einigen Zahlen überzeugen lassen können: 65 Prozent Ballbesitz, die Mehrzahl der Schüsse auf das gegnerische Tor, die überwiegende Zahl an Zweikämpfen gewonnen. Doch solche Statistiken sind trügerisch, wenn die Aktionen weder von Tempo noch von Überzeugung getragen werden.

Typisch für das durchweg müde Spiel des BVB war das Auftreten von Mario Götze. Der Siegtorschütze des WM-Finals von 2014 stand erstmals seit dem Pokalerfolg in Fürth wieder in der Dortmunder Elf, wobei sich zeigte, wie weit er von seiner besten Verfassung entfernt ist. Götze wurde nach 62 Minuten ausgewechselt. "Ich habe natürlich nicht mein bestes Spiel gemacht", sagte er später.

Favre mochte weder die Leistung Götzes noch die des zurückgekehrten Julian Weigl kommentieren, was Kommentar genug war. Doch er hatte manches gesehen, was ihn störte. Die 90 Minuten seien "okay, aber nicht brillant", analysierte Favre: "zu wenig Bewegung, zu wenig richtige Laufwege, nicht genügend Chancen". Von dem, was er sich von seinem Team erträumt, ist das sehr, sehr weit weg.

Favre ist sich da ziemlich sicher - auch wenn die Ergebnisse mit vier Siegen und einem Unentschieden in bisher fünf Pflichtspielen einen besseren Zustand suggerieren: "Wir haben gesehen, wie viel Mühe wir haben, den Gegner zu destabilisieren. Wir müssen bei unseren Aktionen mehr Risiko nehmen, nicht nur Pässe, Pässe, Pässe."

Favre weiß, dass enervierend langweiliger Ballbesitzfußball ohne Überraschungsmoment nicht zum Ziel führt: "Wir kreieren zu wenig Torchancen." Abermals mahnte er Geduld an: "Wir haben sehr gute Spieler, aber wir haben so viele junge Leute, die sind 19 oder 20. Die brauchen Zeit."

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