Eintracht in der Champions League:Frankfurt fliegt in eine andere Galaxie

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Da jubeln sie: Éric Junior Dina Ebimbe, Evan N'Dicka, Kristijan Jakic, Sebastian Rode und Luca Pellegrini (v.l.) zelebrieren den Achtelfinaleinzug. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Mit energischem Trotz dreht die Eintracht ein kompliziertes Spiel in Lissabon - und steht unter den besten 16 Teams in Europa. Eine richtige Feier untersagt der Trainer jedoch.

Von Ulrich Hartmann

"Die Reise geht weiter!", verkündete in Lissabon an der Atlantikküste mit formeller Contenance ein überwältigter Schaffner, der keine Uniform trug, sondern ein durchgeschwitztes Trikot von Eintracht Frankfurt. Der Schaffner hieß Sebastian Rode, und am liebsten hätte er jedem, der will, direkt ein Ticket bis nach Istanbul gelöst, wo am 10. Juni das Endspiel der Champions League stattfindet.

Doch so funktioniert diese Reise nicht, Tickets gibt es nur von Etappe zu Etappe, und man weiß nicht, ob die nächste Etappe überhaupt erreicht wird. Am Dienstagabend in Lissabon schien die Fahrt bereits zu Ende zu gehen. Zur Pause im letzten Gruppenspiel bei Sporting Lissabon lag Frankfurt 0:1 zurück und war in der Vierergruppe damit vorübergehend Letzter - es wäre das Aus im Europapokal gewesen.

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Von Ulrich Hartmann

Doch eine Stunde später tanzten die Frankfurter Spieler über den Rasen, und ihre Fans sangen mit einer Inbrunst, als könnte man mit Liedern und Tönen auf einem fliegenden Klangteppich direkt bis ins Weltall durchstarten. Die Eintracht gewann das Gruppenfinale in Lissabon noch 2:1 und bejubelte auf ihrer unglaublichen Reise eine weitere Etappe, deren Ziel sie am kommenden Montag erfährt, wenn das Achtelfinale der Champions League ausgelost wird.

"Wir sind eine Stehauf-Mannschaft", lobt Sebastian Rode das eigene Team

Vielleicht muss man noch mal daran erinnern, wie dieser unverhofft ausgiebige und erlebnisreiche Trip im Frühjahr 2021 losgegangen ist - mit einem fünften Platz in der Bundesliga unter dem damaligen Trainer Adi Hütter - und wie ein paar Monate später die Spiele in der Europa-League-Gruppe etwa mit einem 1:1 gegen Fenerbahce Istanbul oder einem 2:2 gegen Royal Antwerpen noch gar nicht so berauschend ausfielen. Frankfurts Reise nahm erst so richtig Fahrt auf im Achtelfinale gegen Betis Sevilla und ganz besonders im Viertelfinale gegen den FC Barcelona, dem ein Halbfinal-Erfolg gegen West Ham United und der Endspielsieg gegen die Glasgow Rangers folgten. Dank des Europa-League-Titels qualifizierte sich der Klub für die Champions League, und jetzt: Einzug ins Achtelfinale, unter die besten 16 Teams des Kontinents. Es ist eine Premiere in der Vereinsgeschichte.

Es fühlt sich für die Frankfurter an wie eine Reise in eine andere Galaxie, vorbei an Planeten, die sie zuvor nur aus Büchern kannten. "Diese Mannschaft hat eine unglaubliche Mentalität", sagte Trainer Oliver Glasner. "Einen unglaublichen Spirit", variierte Sportchef Markus Krösche. "Dabei", relativierte Glasner, "war sie in der Pause noch deprimiert gewesen." Doch von derlei Gefühlen lassen sich die Frankfurter nicht aufhalten. Im Gegenteil: Mit energischem Trotz wendeten sie das Schicksal bislang noch jedes Mal zu ihren Gunsten. Vorstandssprecher Axel Hellmann sagte: "Irgendwie hat man bei dieser Mannschaft immer das Gefühl, dass sie es noch drehen kann."

Von den Fans wurde Frankfurts Coach Oliver Glasner gefeiert - seinen Spielern untersagte er jedoch eine Sause in Lissabon. (Foto: Armando Franca/AP)

Das dazu erforderliche glückliche Händchen hatte der von den Fans hernach lautstark besungene Trainer Glasner in Lissabon auch dadurch, dass er nach der Pause Sebastian Rode einwechselte und in der 69. Minute Ansgar Knauff. Rode gab Frankfurts Aufholjagd die erforderliche Struktur und Knauff legte, nachdem Daichi Kamada in der 62. Minute per Handelfmeter zum 1:1 ausgeglichen hatte, in der 72. Minute dem Stürmer Randal Kolo Muani den 2:1-Siegtreffer auf. "Dieser Sieg passt zu unseren Emotionen", sagte Rode, "wir sind eine Stehauf-Mannschaft."

Aber genau dies wollen und müssen sie jetzt auch in der Bundesliga beweisen, wo ihr Stehauf-Mechanismus nicht immer ganz zuverlässig funktioniert, wie man etwa beim 0:3 in Bochum und zuletzt beim 1:2 gegen Borussia Dortmund gesehen hat. "Wichtig ist, dass wir jetzt in der Bundesliga punkten", sagte deshalb mit einer gewissen Strenge Sportchef Krösche über die bevorstehenden drei Partien binnen neun Tagen am Samstag in Augsburg, nächsten Mittwoch gegen Hoffenheim und am Sonntag darauf in Mainz.

Die Feier fällt erst mal aus. "Wir ziehen's jetzt durch bis Mainz", kündigt der Trainer an

Mit Blick auf diesen Endspurt vor der WM-Pause erlaubte sich Glasner vermutlich mit schlechtem Gewissen, seinen Fußballern das Befeiern des Achtelfinaleinzugs zunächst zu untersagen, am Mittwochmorgen vor der Abreise noch ein Training in Lissabon einzuschieben und zu verkünden: "Wir ziehen's jetzt durch bis Mainz." Auf dem Flug in eine andere Galaxie klingt ein Zwischenstopp namens Mainz freilich ernüchternd, aber für die Frankfurter folgt diese befohlene Bodenhaftung einem irdischen Zweck. Weil man in der Champions League nie weiß, wann so ein Höhenflug zu Ende geht, muss die Basis für die nächste internationale Reise in der Bundesliga gelegt werden. Aus diesem Grund würde die Eintracht am Saisonende gerne mindestens den vierten Platz erreichen, von dem der Klub momentan noch zwei Punkte entfernt ist.

"Die Reise geht weiter", würde Sebastian Rode gerne auch im nächsten Frühjahr verkünden, wenn die Bundesliga-Saison geschafft ist und die Frankfurter sich an liebsten wieder für die Champions League qualifiziert sähen. Von ihrem Reisefieber werden sie sich so schnell nicht erholen. Es kann süchtig machen.

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