Champions League der Frauen:Zwei Schritte vor, zwei zurück

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Das Gruppenspiel des FC Bayern gegen den FC Barcelona wird in der Arena im Münchner Norden stattfinden. (Foto: IMAGO; imago/IMAGO/MIS)

Mehr Interesse, mehr Fernsehgeld und sportlich sehen sich Wolfsburg und der FC Bayern vor dem Champions-League-Start konkurrenzfähig. Doch trotz aller Fortschritte wird die Bundesliga in Europa zunehmend abgehängt.

Von Frank Hellmann, München

Einer Nadine Keßler würde er nie widersprechen, sagt Ralf Kellermann und schmunzelt. Der Sportliche Leiter der Fußballerinnen beim VfL Wolfsburg hat die Aussage noch gut in Erinnerung, als die Uefa-Abteilungsleiterin Keßler auf einem vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) veranstalteten Forum ausrief: "Die deutschen gehören auch die nächsten zehn Jahre zu den Topklubs in Europa."

Die ehemalige Weltfußballerin Keßler, 34, gestaltet in ihrer zweiten Karriere die Rahmenbedingungen des europäischen Frauenfußballs. Einwände gegen ihre profunde Zukunftsprognose hatte in einem VIP-Zelt vor der Frankfurter Arena auch Bianca Rech, 41, Kellermanns Kollegin vom FC Bayern, damals nicht erhoben. Es ist der Anspruch der beiden dominierenden deutschen Vereine, die sich seit 2015 alle nationalen Titel teilen, die Gruppenphase der Champions League nur als Durchgangsstation zu begreifen. Der FC Bayern startet gegen den schwedischen Vertreter FC Rosengard (Mittwoch, 18.45 Uhr/Dazn) und duelliert sich noch mit dem FC Barcelona und Benfica Lissabon. Wolfsburg empfängt zuerst den österreichischen Klub SKN St. Pölten (Donnerstag, 18.45 Uhr/Dazn), ehe AS Rom und Slavia Prag warten. "Es hätte deutlich schwieriger kommen können", sagt Kellermann: "Der deutsche Vereinsfußball muss sich im europäischen Vergleich sportlich auf keinen Fall verstecken."

"Unsere Absprunghöhe war nicht mehr zeitgemäß": Ralf Kellermann , Sportdirektor beim VfL Wolfsburg. (Foto: Sven Beyrich/dpa)

Auf anderen Ebenen gilt das nicht. Was die Liga, die Strukturen, die Organisation und Medienpräsenz angehe, sagt der 54-Jährige, sei England "zwei Schritte" weiter. Vor allem "mit den Summen, die da ausgeschüttet werden". Der DFB hat jüngst einen neuen TV-Vertrag präsentiert, der den zwölf Bundesligisten vom Sommer 2023 an pro Jahr 5,17 Millionen brutto bringt - gemeinsam. Dazn, Magenta, ARD, ZDF und Sport1 teilen sich Livespiele und Zusammenfassungen, wofür Kellermann in "wirtschaftlich schwierigen Zeiten" dankbar ist, aber man solle bitte nicht herausstellen, dass sich die Erlöse hierzulande um das 16-Fache erhöht hätten, denn: "Unsere Absprunghöhe war nicht mehr zeitgemäß." Auch der neue Kontrakt werde nicht ausreichen, "dass die Topvereine eine schwarze Null schreiben." Im Europameisterland England sacken die Klubs das Doppelte an TV-Geld ein.

"Die Spitze der Bundesliga treibt nach oben, der Rest bleibt unten hängen - das ist durchaus ein Problem", sagt Bianca Rech, Sportdirektorin beim FC Bayern München. (Foto: Markus Fischer/Passion2Press/Imago)

Immer wichtiger wird für alle die internationale Bühne. 24 Millionen Euro schüttet die Uefa für ihre Women's Champions League aus, 400 000 Euro Startgeld bekommt jeder der 16 Teilnehmer. Die Wesensmerkmale des vor einem Jahr erschaffenen Formats fasst Keßler so zusammen: "zentrale Vermarktung, spezifische Sponsoren, eigene Hymne und mehr Geld". Die Kehrseite der Medaille könnte ein Phänomen sein, das der Männerfußball schon kennt, wo bekanntlich mit ganz anderen Summen hantiert wird. "Die Spitze der Bundesliga treibt nach oben, der Rest bleibt unten hängen - das ist durchaus ein Problem", findet Bianca Rech.

Die ehemalige Nationalspielerin muss in erster Linie sehen, das professionelle Umfeld und die finanziellen Voraussetzungen auf dem Bayern-Campus in bessere Ergebnisse umzumünzen. Nachdem die Münchnerinnen in der vergangenen Saison in allen drei Wettbewerben früh scheiterten, kam mit dem Norweger Alexander Straus ein neuer Trainer, unter dem das Team bislang deutlich stabiler wirkt. "Der neue Impuls war wichtig", sagt Rech, "er ist empathisch und geht auf die Spielerinnen zu." Mit dem Champions-League-Heimspiel gegen Rosengard und danach dem Bundesliga-Topspiel in Wolfsburg (Sonntag, 14 Uhr) wartet die doppelte Bewährungsprobe.

Für den Bundesliga-Gipfel am Sonntag sind knapp 15 000 Karten verkauft. In Barcelona kamen mehr als 90 000 Menschen ins Stadion

Am Wochenende öffnet sich der Vorhang zu einer größeren Bühne: Der Doublesieger aus der Autostadt hat fürs nationale Gipfeltreffen in der werkseigenen Arena bereits knapp 15 000 Karten verkauft. Kellermann erklärt den großen Zuspruch mit dem Verlangen, "sich zwölf bis 15 deutsche Nationalspielerinnen anzugucken". Ohnehin würden seine EM-Heldinnen sich "vor Anfragen nicht retten können". Längst sei nicht mehr jeder Interviewwunsch erfüllbar.

Um das Interesse dauerhaft hoch zu halten, wünschen sich Alexandra Popp und Co. vermehrt Auftritte in den großen Arenen, wo die Profiteams der Männer spielen. Doch Wolfsburg wird erst zu einem möglichen Champions-League-Viertelfinale wieder umziehen, Bayern immerhin das Gruppenspiel gegen den FC Barcelona (7. Dezember) in der Arena in Fröttmaning austragen. Als im Frühjahr zum Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain bei der überfälligen Premiere 13 000 Fans dorthin kamen, sprach Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn etwas überschwänglich von einem "Meilenstein". Dabei ist die Referenzgröße eine ganz andere: Zweimal lockte Barcelona dank verbilligter Eintrittspreise und einer ganzheitlichen Verankerung in der Vereinsphilosophie mehr als 90 000 Menschen ins Camp Nou: erst gegen Real Madrid, dann auch gegen Wolfsburg.

Nadine Keßler war dankbar für "die Extrameile", wie die großen Klubmarken das Interesse an der EM in England ankurbelten. Die Anstrengungen, die im Ausland vor allem der Chelsea FC und Arsenal WFC, Olympique Lyon und Paris Saint-Germain, FC Barcelona, mit Abstrichen Real Madrid und neuerdings Juventus Turin und AS Rom betreiben, befeuern den Wettbewerb. Kellermann glaubt, dass es in der Champions League "den einen Favoriten, so wie das früher war, nicht gibt". Selbst Rekordsieger Lyon besitzt keinen Freifahrtschein mehr zum Titel, auch wenn das mit der EM-Zweiten Sara Däbritz verstärkte Starensemble das Finale gegen Barcelona (4:1) zuletzt wieder eindrucksvoll gewann. Das nächste Endspiel wird am 3. oder 4. Juni in Eindhoven ausgetragen.

Drei Spieltage finden während der Männer-WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) statt, der letzte Gruppenspieltag (21./22. Dezember) direkt danach. Kellermann macht dafür die von Uefa und Fifa geblockten Zeiträume für diverse Länderspielmaßnahmen verantwortlich. So lange sich daran nichts ändere, kritisiert der ehemalige Zweitliga-Torhüter, brauche man auch nicht über eine Vergrößerung der Frauen-Bundesliga nachzudenken: "Wir haben gar keine Kapazitäten für weitere vier Spieltage, wenn wir nicht im Winter durchspielen wollen."

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