Aus für Ajax Amsterdam:0,1 Punkte zu wenig

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K.o. vor der K.-o.-Phase: Die Profis von Ajax Amsterdam verbauten sich an den beiden letzten Vorrundenspieltagen die Achtelfinal-Teilnahme. (Foto: Peter Dejong/AP)
  • Ajax Amsterdam schien für die nächste Überraschung in der Champions League bereit zu sein, scheitert aber in der Gruppenphase.
  • Nun droht ein größerer Umbruch: Spieler wie Ziyech, Tagliafico und van de Beek könnten den Klub verlassen.
  • Hier geht es zu den Tabellen der Champions League.

Von David Fuhrmann, Amsterdam/München

Eigentlich haben sie in Amsterdam gelernt, mit Abschieden umzugehen. Es gehört fast schon zur Identität des Vereins, loszulassen, von glorreichen Tagen und von prägenden Spielern. Der Blick geht in "de Toekomst" - die Zukunft, wie die hauseigene Talentschmiede genannt wird. Verabschiedet wird ohne Bedauern, im Wissen, dass Neues erwächst. Die Hymne "Three little birds" von Bob Marley steht sinnbildlich dafür. Wann immer die Anhänger das Lied anstimmen, beschwören sie fast therapeutisch die Leichtigkeit des Seins.

Am Dienstagabend, nach dem 0:1 gegen den FC Valencia und dem damit verbundenen Scheitern in der Champions-League-Gruppenphase, fiel es den Ajax-Fans ungewohnt schwer, das Lied anzustimmen. Hatte ihre Mannschaft doch gerade den Achtelfinal-Einzug leichtfertig verspielt.

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Vor der Begegnung noch thronten die Amsterdamer mit zehn Punkten aus fünf Spielen auf dem ersten Platz der Gruppe H. Ein Unentschieden hätte fürs Weiterkommen gereicht. Ohne den verletzten Außenstürmer Quincy Promes wachten die Amsterdamer erst nach dem schläfrig verteidigten Gegentor von Rodrigo (24.) auf und rannten mit fortdauernder Spielzeit immer verzweifelter und schließlich vergeblich gegen das drohende Aus an.

Wie ein Kind mit plötzlichem Wachstumsschub

"Wir müssen das erst einmal verarbeiten", sagte Ajax- Trainer Erik ten Hag, "wir hätten mehr verdient gehabt."

Das mag stimmen, gemessen an der Art und Weise, wie sein Team in die diesjährige Champions-League-Spielzeit startete. Gemessen am Ertrag der furiosen Amsterdamer Auftritte stimmt es allerdings nicht. In der berauschenden Spielweise verbirgt sich eine Schwachstelle - die fehlende Erfahrung, mit Druck umgehen zu können. Für Ajax, das wie ein Kind mit plötzlichen Wachstumsschub in den zu engen Kleidern der heimischen Liga steckt, ist es angesichts der Dominanz in der Eredivisie kaum möglich, diesen Erfahrungswert zu generieren. Dass talentierte Spieler vor Beginn ihrer Blütezeit den Verein verlassen, kommt erschwerend hinzu.

Nach der märchenhaften vergangenen Königsklassen-Saison, in der sich ein blutjunges Team rebellisch aufmachte, die Hegemonie der europäischen Schwergewichte zu durchbrechen und damit erst im Halbfinale scheiterte, wagten die Verantwortlichen im Sommer den Bruch mit den Gepflogenheiten, sie brachten die Transfer-Gesetzmäßigkeit ins Wanken. Die Ausnahmekönner Frenkie de Jong und Matthijs de Ligt verließen zwar den Verein nach Barcelona und Turin, anschließend wurden aber keine Leistungsträger mehr abgegeben.

Mit den Transfereinnahmen wurden gar die Verträge mit Torhüter André Onana, den Kreativspielern Hakim Ziyech und Dusan Tadic sowie Außenverteidiger Nicolás Tagliafico verlängert, auch der von den Fans vergötterte Donny van de Beek und Erfolgstrainer ten Hag blieben. Aufgefrischt wurde das Team mit dem erfahrenen Quincy Promes, der sich mit 18 Torbeteiligungen in 21 Spielen glänzend aufgelegt zeigt und den Transfers von Edson Alvarez, Lisandro Martinez und Ravzan Marin, die im Kollektiv den Weggang des Mittelfeldspieler de Jong auffangen sollen.

Sie folgen einem bewährten Transferprofil: jung, unbekannt und entwicklungsfähig. Der Zauber, der dem Team in der vergangenen Saison innewohnte, sollte eine Chance auf einen zweiten Anlauf bekommen.

"Wir leben im Jetzt, wir müssen die vergangene Saison vergessen", sagte ten Hag zwar, aber die dominante Art und Weise, wie sein Team in die Saison startete, schürte Hoffnungen, erneut eine bedeutende Rolle im Konzert der Großen spielen zu können. In der Eredivisie konnte Ajax der Konkurrenz recht schnell enteilen, der Anspruch ist aber die Champions League, in der die Mannschaft zehn Punkte aus fünf Spielen holen konnte. Im Schnitt brauchte ein Team in den vergangenen elf Champions-League-Spielzeiten 10,1 Punkte, um das Achtelfinale zu erreichen.

Dass der zweite Anlauf nun frühzeitig scheiterte, wird seine Schatten vorauswerfen. Allzu unwahrscheinlich erscheint es, dass Ausnahmespieler wie Ziyech, Tagliafico und van de Beek einen dritten Anlauf mit dem Verein wagen werden. Auch ten Hag, der als aussichtsreicher Kandidat auf den Trainerjob in München gilt, werden sie in Amsterdam keine Steine in den Weg legen. Es winkt wohl ein Sommer voller Abschiede.

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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