Skispringerin Carina Vogt:Endlich wieder in der Luft

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Wieder hungrig auf Erfolge: Skispringerin Carina Vogt. (Foto: Lehtikuva/Reuters)

Die Olympiasiegerin hat eine heftige Verletzungsphase hinter sich. Nun kehrt sie zurück in den Weltcup und womöglich auch zur WM in Oberstdorf. Nur, so einfach ist das nicht im Skispringen.

Von Volker Kreisl, München

Diese Schanze thront nicht auf einem Berg. Sie gibt nicht an mit moderner Architektur und macht sich auch nicht wichtig mit hohen Tribünen. Eher wirkt es so, als verstecke sich dieser Bakken der kleinen Gemeinde Ljubno in Nord-Slowenien im Wald. Sein Anlauf duckt sich in die Hänge, sein Aufsprunghang liegt im Schatten der Nadelbäume, wo der Schnee im Frühjahr etwas langsamer schmilzt. Diese Anlage in der tiefen Provinz mit einem läppischen Hillsize von 94 Metern ist die zweitkleinste im ganzen Weltcup, aber das ist Carina Vogt egal. Sie sagt: "Ich freu' mich riesig."

Dabei hat Vogt, 28, schon viel Größeres erlebt. Zum Beispiel noch Ausläufer jenes Behauptungskampfs, in dem die ersten Generationen von Skispringerinnen skeptische Funktionäre schließlich von ihren Fähigkeiten überzeugten. Auch wurde sie die erste Olympiasiegerin ihres Sports und blieb ein paar Jahre die verlässlichste Athletin in der Frauen-Sprungabteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV). Dass sie nun in den slowenischen Wäldern so viel Vorfreude auf den nächsten Anlauf verspürt, liegt daran, dass hinter Vogt eine lange Verletzungsphase liegt, ein Jammertal, tiefer und düsterer als sonst in diesem für Knie riskanten Sport.

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Anderthalb Jahre war sie weg. Im Juli 2019 landete sie bei einem ihrer vielen Trainingssprünge auf den grünen Sommermatten, aber das linke Knie gab plötzlich nach. Vogt hatte einen Kreuzbandriss erlitten, und sofort war klar, dass sie nun ein ganzes Jahr Reha-Maßnahmen, Aufbautraining und Gymnastik machen dürfe, dann wieder joggen werde oder ins Wasser steigen könne, um zu schwimmen - aber nicht in die Luft, um zu fliegen.

Dann waren die üblichen elf, zwölf Monate vorbei, und Carina Vogt absolvierte ihre ersten Sprünge, die schon wieder sehr gut aussahen, so dass "alle happy waren", wie sich Bundestrainer Andreas Bauer erinnert. Die Weltcup-Rückkehr wurde also immer realistischer, aber dann riss bei Vogt das Außenband am Sprunggelenk. Beim Spazierengehen.

Sie hat ein Motiv, um gesund zu werden, und die Erfahrung dazu auch

Es war die Zeit, in der viel über Bänderrisse im Skispringen diskutiert wurde. Am Ende gab es eine Reihe möglicher Ursachen. Mangelnde Stabilität vor allem in der Muskulatur des Knies, Vorbelastung durch die ständigen Landungen, vielleicht auch die leichte Neigung zu X-Beinen bei Frauen, oder die Instabilität bei der Landung durch die vielen Keile im Sprungschuh. Welcher Grund nun genau auf Vogt zutraf, war nicht so leicht zu erklären, eines immerhin stand fest: An mangelnder Erfahrung konnte es bei Carina Vogt nicht liegen.

Sie springt, seit sie 13 Jahre alt ist, und hat ihr hohes Niveau nach dem Olympiasieg 2014 halten können. 2015 wurde Vogt in Falun in Schweden Weltmeisterin im Einzel und im Mixed-Team, zwei Jahre später wiederholte sie dies, und im Februar 2019 gewann sie in Seefeld Gold im ersten reinen Frauenteam-Wettkampf bei einer WM. Kleinere Wehwehchen oder auch Knieprobleme plagten sie auch mal, etwa als sie 2014 einige Zeit aussetzen musste. Doch eine Phase wie zuletzt, die war neu. Vogt hatte sich im vergangenen Herbst zurückgearbeitet, nach der Reha von Kreuzband- und Außenbandriss. Doch als sie dann wieder richtig loslegen wollte, da bildete sich eine Zyste in ihrem Knie. Das ist im Grunde nicht so schlimm, aber: Die Zyste platzte auf, die Flüssigkeit drang ins Knie, das Knie entzündete sich, und Vogts Genesung zog sich hinein bis in den Dezember.

Da im Skispringen nichts mit Gewalt oder Kampfgeist geht, sondern der Erfolg vielmehr dann entsteht, wenn man im inneren Gleichgewicht ist und mit Leichtigkeit antritt, ist es ungewiss, wie lange Carina Vogt nun braucht, um zurückzukehren an die Weltspitze. In den vergangenen anderthalb Jahren habe sich viel Neues entwickelt in ihrem Sport, sagt sie: "Ich habe jetzt erstmal keine große Erwartung." Allgemein brauchen Skispringer ja länger als andere, bis sie in der Arena wieder ganz die Alten sind. Bei Olympiasieger Andreas Wellinger etwa war fast zeitgleich mit Vogt das Kreuzband gerissen, er ist immer noch weit weg von der alten Form. Aber jeder ist da anders, und Vogt hatte in all den Monaten immer auch dieses eine Ziel vor Augen, das sie gerade jetzt anspornen könnte: die Weltmeisterschaften in Oberstdorf ab 23. Februar. Sie hat also ein Motiv, um gesund zu werden, und die Erfahrung dazu auch.

Auf der Skisprung-Anlage nördlich des Dorfs Ljubno in Slowenien im Schatten der Tannen, da könnte Carina Vogt schon den ersten Hinweis auf den Stand ihrer Form erhalten. Die Schanze indes ist nicht nur klein, sondern auch noch schwer zu springen. Vogt aber sagt, "das ist mit egal". Voller Euphorie sei sie. Um leicht und locker zu springen, ist das keine falsche Einstellung.

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