BVB:"Heute war das schlecht"

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Trainer Peter Bosz (l.) und sein Co-Trainer Hendrie Krüzen von Dortmund beobachten das Spiel in Essen. (Foto: dpa)

Im ersten Spiel unter dem neuen Trainer Peter Bosz verliert der BVB 2:3 gegen Rot-Weiss Essen. Trotz des eher bedeutungslosen Kicks wird Bosz in seiner Analyse scharf und deutlich.

Von Philipp Selldorf, Essen

Schlusspfiff an der Hafenstraße, Jubelrufe auf den Rängen, aus den Boxen scheppert im Garagen-Sound die Hymne von Rot-Weiss Essen. Zwar hat der Verein ein neues und ansehnliches Stadion bezogen, die Lautsprecher aber scheinbar aus dem Bestand des alten übernommen. Stört aber keinen, denn RWE hat soeben Borussia Dortmund 3:2 bezwungen, mit einiger Mühe und dank mancher Glücksmomente, aber auch nicht unverdient. In der elften Reihe auf der Haupttribüne hatten es BVB-Präsident Reinhard Rauball und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mit ernsten Mienen verfolgt. Der Stadionsprecher spendet Trost, würdigt die Borussen als "sehr freundliche Gäste" und ruft ihnen zum Abschied zu: "Heizt den Bayern ein."

Mit dem FC Bayern wird sich Borussia Dortmund in drei Wochen zum Spiel um den sogenannten Supercup treffen. Es wird dann sicherlich - aus Dortmunder Sicht: hoffentlich - eine andere Borussia-Vertretung auf dem Rasen stehen als jene, die sich am Dienstagabend dem Regionalligisten RWE geschlagen geben musste. Der neue BVB-Trainer Peter Bosz schickte zwei Mannschaften aufs Feld, jeweils für eine Halbzeit. Weil außer den verletzten Stammspielern Marco Reus, Julian Weigl und Raphael Guerreiro auch Rückkehrer Mario Götze sowie die Neulinge Maximilian Philipp und Mahmoud Dahoud fehlten, mussten zwei U-19-Junioren den Kader auffüllen. Und das erste Testspiel der Saison, kurz nach Urlaubsschluss, ist ja nie der Maßstab für seriöse Hochrechnungen.

Trotzdem äußerte sich Bosz dezidiert kritisch, als er höflich lächelnd vor die Reporter trat: Er wolle nicht - wie heißt es?, blickte er fragend zur Seite - nach "excuses" suchen, sprach er, und genau das tat er dann auch nicht. "Heute war das schlecht", sagte Bosz und bezeichnete den Auftritt als "große Enttäuschung". Borussia müsse "immer in der Lage sein, gegen einen Viertligisten zu gewinnen - es gibt viel, was wir besser machen müssen".

Die ständigen BVB-Begleiter staunten über diese scharfe Einordnung, manche staunten aber auch schon darüber, dass Bosz ihnen im Angesicht gegenüberstand, denn während des Spiels war vom neuen Trainer nichts zu sehen gewesen. Dort, wo all die Jahre Jürgen Klopp und Thomas Tuchel expressives Coaching betrieben hatten, nicht selten zum Leidwesen der Schiedsrichter, da fand sich nun allenfalls ein Betreuer ein, um den Spielern ein Getränk zu reichen. Nach den Überlieferungen aus Holland ist es nichts Neues, dass sich Bosz an der Seitenlinie ruhig und beherrscht verhält, aber seine Selbstbeherrschung geht wohl nicht so weit, dass er auch künftig stumm bleibt. "Ich hätte heute 100 000 Sachen sagen können", stellte er fest, "aber das kommt später."

Zu den interessantesten Enthüllungen des Abends gehörte der Auftritt des Neulings Dan-Axel Zagadou. Dieser stammt aus der Jugend von Paris St. Germain, ist 18 Jahre alt und wurde angeblich auch von anderen europäischen Großklubs umworben. Tatsächlich machte Zagadou, von Haus aus Innenverteidiger, diesmal als Linksverteidiger besetzt, spannende Dinge. Einmal versuchte er mit einer Art Kanonenschuss eine Flanke zu schlagen, die zwar um viele Meter das Ziel verfehlte, aber beinahe im Tor gelandet wäre, die Latte bebte. Dennoch weiß Bosz jetzt: Bloß weil Zagadou ein Linksfuß ist, ist er noch lange kein geeigneter Linksverteidiger. Auch vom 17-Jährigen Alexander Isak gab es neue Eindrücke. Isak war für circa 8,5 Millionen Euro im vorigen Winter aus Stockholm gekommen und wurde in der Presse als "das nächste europäische Supertalent" sowie als "Hammer-Transfer" angepriesen (Tuchel hat den Handel ganz anders bewertet). Was der Angreifer an der Essener Hafenstraße bot, legt nahe, dass man der Presse nicht alles glauben sollte. Womöglich gilt das auch für den "türkischen Messi" Emre Mor, den der BVB im Rahmen seiner Talentoffensive im vorigen Sommer holte. In Essen ging Mor zwar häufig beherzt ins Dribbling, meistens aber dribbelte er am Sinn der Sache weit vorbei.

Typisch war, dass Pierre Emerick Aubameyang und Ousmane Dembélé die beiden Dortmunder Tore schossen, wer sonst? Aber das hat Bosz auch vorher gewusst: dass diese beiden Ausnahmespieler für sein Gelingen unentbehrlich sind. Aubameyang wird an Bord sein, wenn der BVB am Donnerstag zur Asienreise startet. Lang genug ist spekuliert worden, dass er sich dort dauerhaft niederlassen könnte, aber da am Freitag der Transfermarkt in China schließt, ist ein Wechsel nun unwahrscheinlich. Die Spekulationen werden jedoch nicht aufhören, in England geht das Geschäft erst los.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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