Fußball-Transfermarkt:Die Großen futtern Süßes

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Aus der Mozartkugel-Stadt importiert: Erling Braut Haaland. (Foto: Thomas Kienzle/AFP)

Der Winter-Wechsel von Erling Haaland zum BVB belegt: Von Überraschungsmannschaften wie der von RB Salzburg bleibt kaum etwas übrig.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Von Zuckerware ist im Zusammenhang mit Erling Haaland eher weniger die Rede. Der Norweger schwört angeblich, auch das lernt Fußballdeutschland gerade, auf eine Formel, die unter dem Begriff "Bio-Hacking" zusammengefasst wird. Um Irrtümern vorzubeugen: Hierbei hackt sich der Konsument ausdrücklich nicht von Dortmund aus in die Vereinscomputer des FC Bayern ein und kaut dazu Energieriegel und frisches Obst. Bio-Hacking, wie könnte es anders sein, kommt aus den USA und ist die ganzheitliche Diktatur des Lebensplans.

Der Hochleistungskörper wird 24 Stunden auf ein Drei-Tore-Debüt getunt, wie es dem 19-Jährigen am Samstag beim FC Augsburg gelang, als sich mit seiner Einwechslung ein 1:3 in ein 5:3 verwandelte. Dem Bio-Hacker wird empfohlen, den Tag mit einer kalten Dusche zu beginnen und ihn mit Überstreifen einer Anti-Blaulicht-Brille zu beenden, um den Schlaf zu optimieren. Zwischen den Trainingseinheiten gibt es viel Fisch und Gemüse, kaum kohlenhydratreiche Nudeln und Getreide; Alkohol ist verpönt, Salzburger Nockerln sind im Speiseplan nicht vorgesehen. Schlägt alles auf die schlanken Hüften.

Es wird also nicht allzu viel bleiben von der ersten Station, an der der Stürmer mit dem Bubigesicht und dem unglaublichen Zug zum Tor erstmals exakt vermessen wurde - geeinigt hat man sich auf für Offensivspieler mit Ballgefühl erstaunliche 1,94 Meter. Die Etappe Salzburg liegt hinter Haaland, und wenn der erste Eindruck nicht täuscht - und das wird er nicht -, ist da gerade einer importiert worden, der die aus der Hinrunde bekannte Statik der Bundesliga verändern wird. Borussia Dortmund, eine Elf durchaus eleganter Flaneure, hat jetzt eine klare Fixierung, eine Spitze, die das Profil des Klubs schärfen wird.

Nicht nur Haaland: Großklubs suchen Stars fürs Schaufenster

Ähnliches gilt für die Champions League. In diesem sehr speziellen Kosmos muss jetzt einiges von dem, was im Herbst geschah, neu sortiert werden. Zwar bleibt fürs Achtelfinale Paris Saint-Germain mit Neymar, Mbappé, Di Maria und Icardi klarer Favorit, aber der Abstand ist kleiner geworden vor diesem Prestigeduell, zu dem der im Unfrieden geschiedene Trainer Thomas Tuchel nach Dortmund zurückkehrt. Haaland steht noch mit erstaunlichen sechs Vorrunden-Treffern für Salzburg zu Buche; im Duell mit dem FC Liverpool, in dem es um alles ging, blieb er am letzten Spieltag torlos. Schon kurz nach Abpfiff startete ein Flugzeug, um ihn bei potenziellen neuen Arbeitgebern vorzustellen, von RB Leipzig bis Manchester United zeigten sich viele interessiert.

Die Haaland-Luftbrücke war ein weiterer Beleg für die neue Transferdynamik, die durch eine bislang kaum bekannte Regelreform der Europäischen Fußball-Union Uefa beschleunigt wurde: Seit 2018 ist ein Profi, der einmal im Europacup eingesetzt wurde, für dieselbe Saison nicht mehr festgespielt. Er darf nach dem Trikottausch im Winter ungebremst für seinen neuen Klub in Europa weiterspielen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ein Naivling aber auch, wer die theoretisch möglichen Szenarien nicht bedenkt. Dass nämlich Profis vor einem wegweisenden Europacup-Duell Signale erhalten könnten - vom eigenen Management oder wem auch immer -, dass ihr Karriereplan in Kürze schon ein anderer sein kann. Das erhöht den Wechselreiz. Konkret bedeutet es, dass von Salzburgs Überraschungs-Elf nicht mehr viel übrig ist: Haaland ist in Dortmund, den Japaner Minamino sicherte sich Liverpool, Verteidiger Pongracic kickt in Wolfsburg, nur beim Koreaner Hee-chan Hwang, um den die Mittelklasse der Premier League wettbietet, zieht die RB-Führung noch nicht mit.

Für all dies muss man sie nicht bedauern. Salzburg ist Marktführer bei allen, die sich als Ausbildungsverein definieren. Der Klub hat ein fantastisches Auge und lässt sich die Optik fürstlich honorieren, aber er steckt in seiner Rolle fest - mehr geht da nicht. Besonders die Tatsache, dass der Streit zwischen Europas Uefa und dem Weltfußballverband Fifa über die Macht in den Großklubs eskaliert, betoniert die Hackordnung. Schon im Sommer 2021 will die Fifa die von ihr verantwortete, aber nachrangige Klub-Weltmeisterschaft zum Spektakel aufwerten, in China, mit 24 Teams. Die Champions League der Uefa steht frontal dagegen.

Der Wettbewerbsgedanke wird bei all dem in den Hintergrund gedrängt. Denn die galoppierende Rivalität lässt nicht zu, dass Senkrechtstarter wie Erling Haaland lange in kleinen Ligen (Österreich) und kleinen Wettbewerben (Europa League) versteckt werden. Im Gegenteil, die Schaufenster werden geputzt, die Großklubs suchen neue Stars, die hineingestellt werden können und sich blendend vermarkten lassen. Die Großen futtern Süßes, und nicht nur Nockerln aus Salzburg.

© SZ vom 22.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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