Bundesliga: VfL Wolfsburg:"A wischtig Sieg"

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Wolfsburg lernt dazu: Trainer Steve McClaren spricht sogar schon Deutsch - und kehrt zurück zum Erfolgssystem der Meistersaison. Der 2:1-Sieg über Freiburg war dennoch glücklich.

Boris Herrmann

Als die beiden Fußballtrainer Robin Dutt und Steve McClaren gemeinsam in den Aufzug stiegen, der vom Kabinenkeller zum Dachgeschoss der Arena führt, fragte McClaren (aus Yorkshire) Dutt (aus Hirschlanden): "So, how good is your English?" Dutt entgegnete, sein Englisch sei soweit ganz in Ordnung. Es seien für die nun folgende Pressekonferenz daher keine Kommunikationsschwierigkeiten zu erwarten.

Das 2:1 gegen den SC Freiburg war der dritte Wolfsburger Sieg in Folge. Trainer Steve McClaren nimmt ihn gelassen zur Kenntnis. (Foto: dpa)

Raum für Missverständnisse hätte es nach dem 2:1 von McClarens Wolfsburgern gegen Dutts Freiburger allemal gegeben. Etwa das Foul von Grafite, das dem 1:0 vorausging. Oder der falsch platzierte Freistoß-Ort von Diego, dem das 2:1 (wieder durch Grafite) folgte. Offenbar hatten sich beide Trainer aber schon non-verbal darauf geeinigt, dass der Schiedsrichter an der einen oder anderen Stelle eben daneben gelegen habe. Sie gaben sich gegenseitig recht. Dann aber sagte McClaren plötzlich: "Das Spiel was a wischtig Sieg." Da, entgegnete Dutt, müsse er jetzt doch einmal einhaken. Er wundere sich, dass er im Aufzug nach seinem Englisch gefragt wurde. "Ich wusste wirklich nicht, dass Steve inzwischen so phantastisch Deutsch spricht."

Dieter Hoeneß staunt

Wenn man Gründen für die Trendwende beim fehlgestarteten VfL Wolfsburg sucht, dann kommt man an McClarens Fremdsprachenkompetenz nicht vorbei. Ausgerechnet am Ende einer sogenannten englischen Woche lässt der englische Trainer seinen Dolmetscher plötzlich links liegen. "Es hat mich angenehm überrascht, wie schnell das geht", staunt nicht nur Manager Dieter Hoeneß. In einem Team, in dem Spieler aus elf verschiedenen Nationen zusammen Sport treiben, dürfte Englisch zwar grundsätzlich kein schlechtes Ausdrucksmittel sein. Gleichwohl haben McClarens Deutschversuche eine kaum zu überschätzende symbolische Komponente. Sie sagen: Wir alle können und müssen dazu lernen, der Trainer eingeschlossen.

Vom Lerneifer des Lehrers angesteckt, zeigen sich inzwischen auch im Klassenzimmer erkleckliche Fortschritte. Die rätselhafte Formkrise von Grafite scheint nach vier Toren in zwei Spielen endgültig behoben zu sein. Zurück bleibt nur noch ein Rätsel: Wie um alles in der Welt hat es McClarens Vorgänger Armin Veh bloß übers Herz gebracht, das Angriffs-Duo Dzeko/Grafite zu entzweien? Auch wenn man das 4-4-2-System noch so sehr verabscheut, mit dem grazilen Bosnier und dem wuchtigen Brasilianer im Kader grenzt es schon an Masochismus, nur eine Spitze aufzubieten. McClaren hat auch das erst lernen müssen. Mit einem Ein-Mann-Sturm hat er dreimal verloren. Mit der Zwei-Mann-Variante hat er nun dreimal in Serie gesiegt.

Der deutlichste Qualitätssprung aber glückte in der Abwehr, die mit 58 Gegentoren im vergangenen Jahr die Problemzone war. Das schien sich nahtlos fortzusetzen, nachdem Zugang Arne Friedrich umgehend operiert werden musste und Zugang Simon Kjaer noch umgehender in ein Formloch von grafitschen Ausmaßen fiel. Fußball-Veteran Stig Töfting lästerte gar aus Dänemark herüber: "Er ist nicht die Ablöse wert, die Wolfsburg für ihn bezahlt hat."

Simon Kjaer kam für zwölf Millionen Euro aus Palermo nach Wolfsburg. Seine Leistungen lassen noch zu wünschen übrig. (Foto: dapd)

Der Schlüssel zum Erfolg

Hoeneß hat für Kjaer zwölf Millionen Euro nach Palermo überwiesen, und wer die Fehler des Innenverteidigers in den ersten Partien zusammen zählte, der konnte tatsächlich ins Grübeln geraten. "Es war schon auffällig, dass er sehr unsicher im Aufbauspiel war", gibt Hoeneß zu. Ein gepflegtes Aufbauspiel war eigentlich Kjaers Einkaufsversprechen. Nun hat er verstanden, "dass es bei uns momentan keinen Schönheitspreis zu gewinnen gibt".

Hoeneß skizziert den Lehrplan der kommenden Wochen so: "Bei uns darf sich keiner zu schade sein, Drecksarbeit zu leisten." Der Schönheitspreis geht einstweilen an Steve McClaren für seinen Satz: "Mäntälität was dör Schlussl sum Örfolg."

© SZ vom 28.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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