Bundesliga:Nachtreten in der Verlängerung

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Hoffenheims imponierendem 3:1 beim 1. FC Köln folgen überzogene Attacken von Trainer Christoph Daum.

Milan Pavlovic

Manche Begegnungen haben ein Vorspiel von nur einem Tag, Derbys oft eines von einer Woche. Die Partie zwischen dem 1.FC Köln und 1899 Hoffenheim hingegen begann schon am 4. Mai. Damals waren beide noch Zweitligisten, der FC entzauberte die Gäste in einem ruppigen Spiel mit 3:1 und war die einzige Elf, die die Emporkömmlinge zweimal in einer Saison bezwungen hatte. Die Niederlage und ihr Zustandekommen wurmte Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick so sehr, dass er seinem Team einzelne deprimierende Szenen aus dem Mai noch einmal im kalten November vorführte. Mit Erfolg.

Staatstragend, vorwurfsvoll, übertrieben: Christoph Daum beim Spiel gegen Hoffenheim. (Foto: Foto: dpa)

Ein halbes Jahr nach der Kölner Lehrstunde verließ 1899 Hoffenheim das Stadion in Müngersdorf als Bundesliga-Tabellenführer. Aber noch wichtiger als das 3:1 (1:0) war Rangnick der Auftritt seiner Elf, die fast exakt in der gleichen Formation begonnen hatte wie einst im Mai. (Leistungsträger Obasi fehlte verletzt, die neue Stütze Beck war gesperrt.) "Wir haben gezeigt, wie sehr wir uns in den vergangenen Monaten weiterentwickelt haben", sagte der 50-Jährige stolz. "Damals haben wir uns den Schneid abkaufen lassen - diesmal haben wir uns gewehrt." Sein Vortrag war ähnlich überzeugend wie der seines Teams. "Wir haben mit Herz und Verstand und Leidenschaft gespielt und verdient gewonnen."

Daums Double?

Jeder, der das Spiel halbwegs objektiv betrachtet hatte, musste zu dem gleichen Schluss kommen. Aber FC-Trainer Christoph Daum war nicht objektiv, und vielleicht war er nicht einmal im gleichen Stadion - auch wenn das bedeuten würde, dass 50.000 Augenzeugen ein Double betrachtet hätten, das an der Seitenlinie ausgiebig schimpfte und hüpfte, lamentierte und reklamierte.

"Es gehört nicht zu meiner Art, einem Trainer-Kollegen zu widersprechen", begann Daum mit gewohnt staatstragendem Pathos, "aber heute war ich offenbar bei einem ganz anderen Spiel. Wir haben es lange offen gehalten, und wenn Novakovic kurz vor Schluss trifft, geht Hoffenheim sogar in die Knie. Wir hatten ein deutliches Übergewicht mit 60 Prozent Ballbesitz." Diese Aussage spornte Rangnick später zu seinem einem einzigen Widerspruch an: "Das zeigt, wie schwachsinnig diese Statistik ist - was zählt, ist die Qualität des Ballbesitzes", sagte er sachlich, "und die Qualität hat mir heute gut gefallen."

Damit war wieder Daum gefordert, und er ließ sich nicht lange bitten. Er habe Hoffenheim oft genug gelobt, deshalb dürfe er jetzt auch mal etwas sagen, holte der Kölner Trainer aus, so dass man jetzt mindestens die Enthüllung eines zweiten Watergate-Skandals erwartete. Heraus kam aber nur die These vom angeblich falschen Spiel der Gäste: "Hoffenheim pflegt ein Image als netter Dorfverein mit tollem Fairplay - aber wie die Bank nach dem Foul von McKenna die rote Karte gefordert hat, war das Unfairste, was ich in diesem Stadion je gesehen habe."

Ein Schuh vor der Tür

Rangnick verlor kaum ein Wort darüber, wie mehrere Kölner Spieler nur vier Minuten nach dem Platzverweis gegen McKenna (52.) die zweite gelbe Karte gegen Luis Gustavo herbeidiskutierten; er schwieg auch über den miesen Tritt von Antar gegen Carlos Eduardo (57.). Er entgegnete lieber kühl: "Wir ziehen den Schuh, der uns da vor die Tür gestellt wird, nicht an." Er schien sich sogar fast diebisch zu freuen, als Daum mäkelte, Hoffenheim habe an diesem Nachmittag auch in der Foulquote gewonnen. "Wir wären schön blöd", sagte Rangnick genüsslich, "wenn wir in den sechs Monaten nichts gelernt hätten."

Was Hoffenheims Trainer sich vorwerfen ließ, war der Anflug von Hochmut bei einigen seiner Spieler: "Ich fand gar nicht gut, dass Salihovic nach dem 2:0 angefangen hat, die Gegner an der Seitenlinie zu veralbern. Das ist respktlos. Ich habe ihm dafür direkt nach dem Schlusspfiff in den Hintern getreten." Es sei "seltsam, dass der Christoph das nicht angesprochen hat, denn mit dieser Art macht man das Publikum und die Gegner unnötig heiß".

Ähnliches war schon einmal Mitte der ersten Halbzeit passiert, nachdem Hoffenheim - nach einer souveränen Anfangsphase mit zwei guten Chancen (nach Freistößen von eben jenem Salihovic) - das Publikum aus dem Spiel genommen hatte. Doch nach einer umstrittenen gelben Karte gegen den Kölner Mohamad und der daraufhin elektrisierten Stimmung im Stadion kamen die vorher eingeschüchterten Gastgeber ab der 22. Minute zu drei Großchancen binnen 200 Sekunden.

Der Portugiese Petit mischte nun quasi im Alleingang mit seiner faszinierenden Mischung aus Erfahrung und Antizipation, Wadenbeißerei und Winselei das Hoffenheimer Mittelfeld auf. In diesem leisteten sich in jenen Minuten Weis, Carlos Eduardo sowie Salihovic ein paar ungewohnte Nachlässigkeiten. Plötzlich rumpelte Rangnick wütend an der Seitenlinie herum. Kaum schaute er wieder aufs Feld, sah er einen dieser gradlinigen Angriffe ins Zentrum der gegnerischen Abwehr, der über Eduardo, Ibisevic und Ba zum 0:1 führte.

Überhaupt Ibisevic. Neben dem schillernden Demba Ba, dessen dünne Arme und Beine so lose eingehangen zu sein scheinen, dass einen manchmal die Angst überkommt, sie könnten im nächsten Moment über den Platz fliegen, verrichtet der Bosnier seine Arbeit weiterhin mit verstörender Effektivität. Nach seiner siebten Torvorlage wartete er mit seinem fünften Doppelpack dieser Saison auf.

Ein Abstauber und ein Solo

Beim 0:2 profitierte er von einem Abpraller nach dem einzigen herben Fehler von Petit. Und nachdem dieser mit einem abgefälschten Freistoß für das 1:2 gesorgt hatte, zerstörte Ibisevic die letzte FC-Hoffnungen durch ein Solo, das belegte, dass er weit mehr ist als ein Abstauber: In der eigenen Hälfte zog er los, dann erkannte er, dass Petit nach dessen handvermessenem Laufpensum von 42,195 Kilometer zu müde für einen Zweikampf war.

Ein Übersteiger, ein strammer Schuss, das 16. Saison-Tor im 14. Spiel, das sind Quoten wie einst bei Gerd bzw. Dieter Müller. "Langsam bekomme ich Angst vor meinen eigenen Qualitäten. Aber wenn man in einer solchen Mannschaft spielt, ist es einfach, Tore zu schießen." Und als hätte er bei Christoph Daum zugehört und wollte nun wieder Image-Pflege für den Dorfverein betreiben, fügte Ibisevic betont bescheiden hinzu: "Ich bin einfach nur froh, wenn ich mitspielen darf."

© SZ vom 24.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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