Bundesliga: Die Trainer:Klauseln der Macht

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Das Trainer-Karussell in der Fußball-Bundesliga dreht sich schneller denn je. Die Vereine überbieten sich mit wunderlichen Episoden - nun beginnt das Wehklagen.

Thomas Hummel

Wenn Eltern an einem Karussell stehen, dann suchen sie in jeder Runde die Augen ihrer Kinder, um ihnen zuzuwinken und die angemessene Freude an diesem kostspieligen Treiben zu vermitteln. Sie reißen mitunter Augen und Münder weit auf, dass die Backenzähne blitzen. Dreht sich das Karussell schneller, erstarrt das Lächeln, die Augen folgen angestrengt dem Kind. Wehe, wenn es aus dem Blickfeld gerät. Der Nachwuchs verschwindet im Wirrwarr der Stühle und Ketten und fliegenden Haare.

Hallo und herzlich Willkommen zurück im Karussell: Jupp Heynckes übernimmt den Trainerstuhl in Leverkusen. (Foto: Foto: Getty)

Das Eltern-Schicksal teilen derzeit die Anhänger der Bundesliga-Klubs. Denn das so häufig zitierte Trainer-Karussell in der deutschen Elite-Liga nähert sich bedenklich der Grenze menschlicher Aufnahmemöglichkeit. Wehe, sie wenden sich kurz weg, verpassen einen Nachrichtentag oder fahren gar in Urlaub. Ohne Zeitungs-Fernausgabe oder Internet-Zugang!

Und selbst wenn die Beobachter den Karussell-Stuhl ihres Klubs noch fest im Blick haben und sehen, welcher Trainer es sich da gerade bequem macht - das Verstehen des sinnlich Wahrgenommenen dürfte noch eine Weile auf sich warten lassen.

Es hagelt geradezu wunderliche Meldungen:

Jupp Heynckes hat sich nun doch dazu entschlossen, erneut aufzuspringen und den Leverkusen-Stuhl erklommen. Diesen hat Bruno Labbadia mehr oder minder freiwillig geräumt, weil er den Hamburg-Stuhl bevorzugt.

Zuvor stieg der Meister-Trainer-Manager-Geschäftsführer Felix Magath aus Wolfsburg von der Champions League ab zum ewigen Herzensmeister Schalke - ohne europäischen Auftrag.

Armin Veh, einst in Stuttgart an der Aufgabe gescheitert, einen Überraschungsmeister in eine Champions-League-Saison zu führen, bekommt in Wolfsburg den Auftrag, einen Überraschungsmeister in eine Champions-League-Saison zu führen.

In Mönchengladbach möchte Hans Meyer mit 66 Jahren keinen Neubeginn mehr starten. Das sei weder für ihn noch für den Klub ratsam. Hingegen findet es Leverkusen ratsam, mit dem 64-jährigen Jupp Heynckes einen Neubeginn zu starten. Dabei war Heynckes erst 2004 von Schalke-Manager Rudi Assauer einst mit den Worten verabschiedet worden: "Der Jupp ist ein Fußballer der alten Schule, aber wir haben 2004."

In Köln ruft Christoph Daum seinen Vorsitzenden Overath an und erklärt ihm, dass er von Fenerbahce Istanbul derart mit Geld zugeschüttet wird, dass er nur von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen könne.

Der Hamburger SV zerstreitet sich urplötzlich mit Fachmann Martin Jol, um dann bis zu 1,3 Millionen Euro Ablöse für Bruno Labbadia zu bezahlen, der außer einem Meistertitel in der Hessenliga mit Darmstadt 98 und dem Pokalfinale mit Bayer Leverkusen keine Erfolge vorzuweisen hat.

In Frankfurt gibt Friedhelm Funkel, zermürbt von der Kritik der Fans und der Medien und Teile des Vorstand, auf.

Von dem absonderlichen Kapitel, dass Michael Frontzeck in Bielefeld vor dem letzten Spieltag entlassen wurde, spricht schon keiner mehr. Inzwischen ist Bielefeld samt Feuerwehrmann Berger abgestiegen, der Vorstand zurückgetreten. Während Frontzeck wieder Erstliga-Trainer in Mönchengladbach ist.

Die Bundesliga muss sich gerade sehr wundern über ihre Trainer. Waren sie kürzlich noch ausschließlich "das schwächste Glied in der Kette" mit Sündenbock-Garantie, diktieren sie nun Verträge samt Ausstiegsklauseln und gehen im Zweifel, wann und wohin sie wollen. Klagte die Liga noch vor einem Jahr, den Trainern würde zu wenig Wertschätzung entgegengebracht, klagt die Liga nun über zu viel Macht für die Trainer. "Das Berufsethos des Trainers wird beschädigt und der Sittenverfall forciert", kommentiert DFB-Sportdirektor Matthias Sammer die Kündigungswelle. Und Jupp Heynckes kritisiert: "Wenn sich der Trainer eine Ausstiegsklausel ausbedingt, zeigt er, dass er sich nicht richtig mit seiner Aufgabe und dem Klub identifiziert. Sobald er ein besseres Angebot bekommt, haut er ab - wie man in diesen Tagen sehen kann."

Stand Samstagabend sind bis auf den Platz "1. FC Köln" wieder alle Plätze belegt im Bundesliga-Trainer-Karussell. Doch wer weiß. Da droht Ralf Rangnick in Hoffenheim bald wöchentlich mit Abschied, wenn ihm sein Mäzen Hopp nicht noch ein paar Millionen für Spieler gibt. In Bochum wird Marcel Koller von den Fans nicht geliebt und vom FC Basel umworben. Auch die Hannover-Anhänger hätten ihren Dieter Hecking lieber los.

Und draußen reißen bereits neue Kandidaten ihre Augen und Münder auf und fokussieren die frei werdenden Plätze. "Es wundert mich, welche Trainer immer wieder Jobs bekommen. Ausländer, sogar Trainer, die abgestiegen sind. Die Bundesliga ist ein Trainer-Karussell. Wer runterfällt, ist schnell wieder oben. Als Neuer bekommt man fast keine Chance." Das sagte Lothar Matthäus der Bild-Zeitung.

Und so scheint es den Anhängern der Klubs weiterhin wenig ratsam, einen Bundesliga-Nachrichtentag zu verpassen. Oder gar in Urlaub zu fahren. Wer weiß schon, wer es sich bis dahin auf dem Trainerstuhl bequem macht.

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