Bundesliga:Die nervösen Zuckungen der Fußballbranche

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Vergänglicher Erfolg: Dirk Schuster wurde vergangene Saison zum "Trainer des Jahres" gewählt. (Foto: Lennart Preiss)

Sechs Trainer- und zwei Manager-Entlassungen hat die Hinrunde schon zu bieten. So zappelig und überreizt war die Bundesliga selten oder sogar noch nie.

Kommentar von Christof Kneer

Als der FC Schalke 04 beschloss, den Trainer Markus Weinzierl zu verpflichten, war das selbstverständlich eine katastrophale Nachricht für den Wedeler TSV. Jeder, der sich halbwegs im Fußball auskannte, wusste, was diese Personalie bedeuten würde: Die Augsburger würden dringend Ersatz für Weinzierl benötigen und sich diesen in Darmstadt beschaffen (Dirk Schuster). Die Darmstädter würden bei der Suche nach einem Nachfolger für Schuster auf den Bielefelder Norbert Meier kommen, dessen Platz in Bielefeld Rüdiger Rehm vom Drittligisten Sonnenhof Großaspach einnehmen würde. Der Drittligist Großaspach würde sich nun, auch das war jedem Laien klar, beim Viertligisten SV Eichede bedienen und dort den Trainer Oliver Zapel wegholen. Und der SV Eichede wiederum würde dann gar nicht anders können, als dem Fünftligisten Wedeler SV den Trainer Jörn Großkopf zu entwenden.

Dieses tadellose Trainer-Domino hat es im Sommer tatsächlich zu kleinerer Berühmtheit gebracht, was von einer kürzeren, aber ebenfalls beispielhaften Kettenreaktion ablenkte. Weil RasenBull Leipzig den Ingolstädter Ralph Hasenhüttl erbeutete, schnappte sich Ingolstadt den Karlsruher Markus Kauczinski, woraufhin der KSC auf dem Arbeitsamt den Trainer Tomas Oral fand, der kurz zuvor beim FSV Frankfurt entlassen worden war.

Im Sommer stellte sich also die Frage: Hat der deutsche Fußball vielleicht eine spektakuläre neue Methode der Trainer-Akquise entwickelt, streng hierarchisch von oben nach unten? Würde eine Trainer-Entscheidung des FC Bayern künftig also, am Ende der Nahrungskette, auch beim TSV Waldtrudering ankommen?

Ein halbes Jahr später muss man sagen: Hm. Eher nicht.

So zappelig und überreizt war die Liga schon lange nicht mehr

Die schöne Kette ist inzwischen gerissen. Wie jedes Kind weiß, ist Jörn Großkopf beim SV Eichede nach nur vier Monaten entlassen worden, sein Schicksal teilen Tomas Oral und Markus Kauczinski aus Kette II, ebenso wie - aus Kette I - Rüdiger Rehm, Norbert Meier und, ebenso aktuell wie überraschend, Dirk Schuster.

Zurzeit sind also nicht nur die beiden (bei unterschiedlichen Wahlen gekürten) Trainer des Jahres 2015 arbeitslos, Kauczinski und Dieter Hecking. Auch Schuster, Trainer des Jahres 2016, ist am Ende seines Jubeljahres zwar immer noch Trainer, bloß halt einer ohne Job.

Wer sich die nervösen Zuckungen dieser Kalenderwoche noch mal vergegenwärtigt, den wird es nicht wundern, dass das schöne Sommerdomino den Winter nicht mehr erlebt hat. Sechs Trainer-Rauswürfe in der Vorrunde, dazu die Entlassungen respektive Degradierungen der Geschäftsführer-Größen Klaus Allofs und Dietmar Beiersdorfer, und das alles in Tateinheit mit dem Comeback des bekennenden Branchenkauzes Heribert Bruchhagen - so zappelig und überreizt war die Bundesliga schon lange nicht mehr. Soll man sagen: Noch nie?

Vielleicht ist diese Mischung in 53 Jahren Bundesliga wirklich neu: Es gibt so viel Öffentlichkeit und Druck wie selten zuvor; gleichzeitig gibt es kaum mehr natürliche Abstiegskandidaten. Weil nun auch Bremen, Ingolstadt und sogar der HSV das Gewinnen anfangen, hat sich eine Liga entwickelt, in der auch solide Augsburger und weit höher gewettete Wolfsburger von Panik erfasst werden. Wer soll am Saisonende überhaupt noch hinter uns stehen? Diese Frage treibt die Hälfte der Klubs um, zumal ein Aufsteiger - RasenBull Leipzig - diesmal als traditioneller Kellerkandidat wegfällt.

Es wird turbulent bleiben in der Liga, und vielleicht kommt es noch so, dass Dieter Hecking demnächst Augsburg und Dirk Schuster Wolfsburg trainiert. Den SV Darmstadt könnte dann Oliver Zapel übernehmen - falls Großaspachs Manager Klaus Allofs ihn gehen lässt.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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