Bundesliga:Der Einheitsball rollt los

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In der neuen Saison wird in der Bundesliga ausschließlich mit dem Adidas-Ball gespielt. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander.

Christof Kneer

Die Zuschauer des Supercup-Spiels staunten ergriffen, sie fühlten sich wie die Zeugen eines sehr seltenen Naturschauspiels. Die Zuschauer wussten ja, dass es im Fußball einige Dinge gibt, die einfach nicht passieren können. Dass der FC Bayern Achtzehnter in der Bundesliga wird zum Beispiel, dass Lothar Matthäus einen deutschen Erstligisten trainiert, dass Louis van Gaal sich irrt - oder dass Philipp Lahm ein Ball verspringt.

Manuel Neuer hält bei der WM einen Adidas-Ball in der Hand - wie auch in der kommenden Saison bei allen Partien. (Foto: dpa)

Dieser Ball war Lahm aber sehr deutlich versprungen, es war nur ein Flankenwechsel gewesen, Lahm wollte den Ball herunterstoppen, kein Problem eigentlich. Aber bevor der Ball Kontakt aufnahm mit seiner Stiefelspitze, überlegte er es sich anders. Er plumpste aus seiner Flugkurve, prallte Lahm gegen den Schuh und von da zum Gegenspieler Rafinha. Der staunte auch kurz, fasste sich aber schnell wieder und spielte den Ball weiter, unfallfrei und kerzengerade.

Wer zurzeit mit Bundesligaprofis über den neuen Ball spricht, der ab Freitag durch die Arenen der ersten und zweiten Liga rollen wird, der trifft auf ein widersprüchliches Meinungsbild. Allseits begrüßt und gerne genommen werden jene rund 25 Millionen Euro, die der Fünfjahres-Vertrag mit Ballentwickler Adidas den 36 deutschen Profiklubs einbringt. Hin- und hergerissen sind aber speziell die Torhüter, denn eigentlich haben sie diesen sogenannten Einheitsball so sehr herbeigesehnt wie Lothar Matthäus einen Trainerjob in Deutschland.

"Das Gute am Einheitsball ist ja, dass an jedem Wochenende mit ihm gespielt wird, in jedem Stadion", sagt Jörg Butt, 36, dank seiner langjährigen Ball-Erfahrung eine Autorität unter Deutschlands Torhütern. "In der Vergangenheit war's ja so, dass sechs, sieben verschiedene Fabrikate im Umlauf waren, was speziell für Torhüter viel schwieriger war."

Wusste eine Adidas-Mannschaft, dass sie am Wochenende bei einer Nike-Mannschaft spielt, dann wurden vom Zeugwart der Adidas-Mannschaft schon zu Wochenbeginn Nike-Bälle auf den Trainingsplatz gerollt. "Das war nötig, um ein Gefühl für den Ball des nächsten Spiels zu kriegen", sagt Butt, "zwischen den Fabrikaten bestehen erhebliche Unterschiede. Diese Umstellung fällt jetzt zum Glück völlig weg." Das ist die gute Nachricht.

Die andere Nachricht ist die, dass es sich beim neuen Ball aus dem Hause Adidas um den baugleichen Bruder des Jabulani handelt. Dieser Ball ist ein Spektakel, er war es, der die WM zur prächtigen Flugschau machte. "Einen abgründigen Charakter" bescheinigte Weltmeister-Keeper Iker Casillas dem Ball hinterher, der Italiener Gianluigi Buffon hielt ihn gar für "eine Schande". Bert van Marwijk nahm das unbekannte Flugobjekt mit der Gelassenheit eines Holländers: "Der Ball macht lustige Sachen", meinte der Bondscoach, lachte aber nicht.

Der Jabulani heißt jetzt Torfabrik. Unter diesem Namen fliegt das Adidas-Geschoss von jetzt an fünf Jahre lang durch die Bundesliga, was unter den Beteiligten die kontrovers diskutierte Frage aufgeworfen hat, ob bzw. wie sehr der neue Ball die Liga verändern wird. "Wie eine Regeländerung" komme ihm der Ball vor, sagte BVB-Coach Jürgen Klopp, "als ob man die Tore vergrößern würde". Der Mainzer Thomas Tuchel war gar kurz davor, den Tierschutzbund zu alarmieren, weil er "ein Kaninchen im Ball" vermutete. Und Frankfurts Torwart Oka Nikolov ätzte, künftig würden die Spiele wohl alle 4:3 ausgehen. Butt meint, so dramatisch werde es nicht werden.

Die Torhüter fühlen sich traditionell als Opfer des ballistischen Wettrüstens. "Ich habe nichts gegen schnelle Bälle, aber sie sollten berechenbar bleiben", sagt Butt. Seit die Bälle sich damit brüsten, noch runder als rund zu sein, machen sie sich einen Spaß draus, die Torhüter zu ärgern. Allerdings haben die Flugeigenschaften längst auch die Feldspieler erreicht. Ein Stürmer berichtet, er springe neuerdings an Flanken vorbei, weil sie kurz vor seinem Kopf plötzlich abbiegen, steigen oder fallen.

Es sind wohl eher die kleinen Kuriositäten, auf die sich die Liga mit dem neuen Spektakelball gefasst machen darf, überraschende Stoppfehler, ins Nichts hüpfende Mittelstürmer, verzweifelt nach Flanken grapschende Torhüter. Dass Bayern deshalb Achtzehnter wird, ist nicht zu erwarten.

© SZ vom 19.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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