Bundesliga: 1. FC Köln:Flucht aus der Herde

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Wer kümmert sich jetzt um Podolski? Der Wechsel von Trainer Christoph Daum zum türkischen Großklub Fenerbahce Istanbul trifft Köln völlig unvorbereitet.

Philipp Selldorf

Am Geißbockheim standen die üblichen, grau gewordenen Experten beisammen und redeten über die üblichen Experten. Ein Mann, der seinen Langhaardackel in einem Körbchen auf dem Gepäckträger spazieren führte, ereiferte sich über die Vorschläge eines anderen Kenners, der fortwährend andere Namen in die Runde warf. Doll? "Bloß nicht!" Funkel, Skibbe? "Hör op, hör op", erregte sich der Hundeausführer. Rapolder? Der soll schließlich noch eine Wohnung in Köln unterhalten. Nein, der auch nicht.

Auf Wiedersehen! Zumindest benötigt Christoph Daum in Istanbul keine derartigen Kostüme mehr. (Foto: Foto: ddp)

Diese Debatte wird am Dienstag so oder ähnlich an vielen Orten in Köln geführt worden sein, seit sich am frühen Morgen die überraschende Kunde verbreitete, dass Christoph Daum, 55, seine Stellung beim 1.FC Köln aufgibt. Mehrere Zeitungen hatten die Nachricht am Montagabend in ihre Spätausgaben eingewechselt, im Express wurde bereits das Vorstandsmitglied Jürgen Glowacz zitiert, wonach Daum am Montagabend um 19 Uhr den Präsidenten Wolfgang Overath angerufen und über seinen Weggang unterrichtet habe.

Doch es musste erst Mittag werden, bis der Klub sich so weit gesammelt hatte, dass er ein Kommuniqué herausgeben konnte. Ein Vereinsangestellter erschien auf dem Parkplatz und verteilte die Pressemitteilung Nr. 85 - 08/09. Darin heißt es, dass Daum "die vertraglich vereinbarte Möglichkeit einer Vertragskündigung zum 30.Juni 2009 nutzen wird und den 1. FC Köln zur neuen Saison verlässt".

"Stimmt das?"

Die ungewöhnliche Klausel, an jeweils zwei Stichtagen im Jahr mit sofortiger Wirkung und ohne Angabe von Gründen kündigen zu dürfen, hatte sich Daum bei der Abmachung seines Engagements vor zweieinhalb Jahren zusichern lassen. Jedes Mal, wenn der Stichtag näherrückte, wurde die unheilvolle Klausel durch die örtliche Presse in Erinnerung gerufen, und der ganze Klub bangte darum, was der Trainer wohl tun würde - seine Launen und Manöver sind schließlich berüchtigt. Diesmal hatte jedoch keiner damit gerechnet, dass er von seiner Option Gebrauch machen könnte. "Seine Entscheidung kam für uns völlig überraschend", erklärte Manager Michael Meier.

Mittelfeldspieler Marvin Matip traf die Botschaft ebenso unvorbereitet wie den Manager. Unter den Profis wurde die Meldung am Montagabend per SMS rumgereicht, keiner mochte es glauben, jeder wollte vom anderen wissen: "Stimmt das?" Auch Matip hat sich gewundert, und andererseits auch wieder nicht. "Das ist eben der FC", sagt er, "alles ist nicht ganz so normal." Schon gar nicht im Verhältnis mit Daum, wie Matip in Erinnerung an die Ereignisse vor einem Jahr betont.

Damals, ein paar Tage nach dem Aufstieg in die erste Liga, standen die Reporter vom Morgengrauen bis Mitternacht vor Daums Villa im Vorort Hahnwald und vor der Vereinszentrale, während die Klubverantwortlichen mit ihm über die Fortsetzung der Zusammenarbeit verhandelten. Offiziell wurde die Einigung als Gesprächserfolg präsentiert, später hieß es jedoch, dass es dem Trainer vor allem am geeigneten Gegenangebot gemangelt habe.

Gezielte Schmeichelei

Diesmal soll das passende Angebot aus der Türkei stammen. Dort wird Daum schon seit Tagen als Nachfolger des Spaniers Luis Aragones beim Großklub Fenerbahce Istanbul gehandelt. Während des Urlaubs auf seiner Finca in Mallorca soll er mit dem Sohn des Präsidenten Aziz Yildirim das neuerliche Engagement bei dem Klub verabredet haben, dessen Team er bereits von 2003 bis 2006 erfolgreich betreute. In einer über seinen Anwalt verbreiteten Erklärung wollte der Trainer am Dienstag aber noch nicht verraten, wo er arbeiten wird, auf Wunsch des neuen Klubs, wie er sagte. Daum teilte nur mit, dass sein nächster Verein im internationalen Wettbewerb spielt, wodurch sich sein größter Anreiz erfülle, "somit ist meine Entscheidung keine gegen den 1.FC Köln, sondern für eine neue Herausforderung".

Manager Meier und Präsident Overath werden diese Tröstung als fade und vermutlich auch als verlogen empfinden. Die Arbeit mit Daum war beileibe nicht spannungsfrei, es gab Differenzen über die Klub- und Transferpolitik, doch man hatte sich nun darauf verlassen, mit ihm die nächste Erstligasaison vorzubereiten und die garantiert turbulente Rückkehr von Lukas Podolski zu meistern. Daum selbst hatte bis zuletzt keine Gelegenheit ausgelassen, sich zur Zukunft mit dem FC zu bekennen; den just von der Pilgerei auf dem Jakobsweg zurückgekehrten Overath hatte er gar mit dem Herrn und Hirten verglichen: "Auch er hat eine Herde zu beaufsichtigen."

Eine spaßige, aber gezielte Schmeichelei, die sich typisch in Daums Repertoire fügte. So wie auch seine Abschlussbemerkung in der Presseerklärung: "Ein Teil meines Herzens wird immer hier bleiben", verkündete der Trainer, der in Köln der teuerste Angestellte der Profiabteilung war. Mit seinem stattlichen Gehalt, das in der Türkei übrigens noch viel stattlicher ausfallen soll, kann der FC nun einen anderen der üblichen Experten überzeugen. Im Gespräch sind Friedhelm Funkel und Michael Skibbe - zumindest auf dem Parkplatz vor dem Geißbockheim.

© SZ vom 03.06.2009/dop - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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