Boxkampf Schmeling gegen Louis:Als sich Weltpolitik im Ring traf

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Sieg in Runde zwölf: Max Schmeling schlägt Joe Louis im New Yorker Yankee-Stadion zu Boden. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Vor genau 80 Jahren kämpft Joe Louis gegen Max Schmeling im Yankee Stadion in New York. Auf jedem Boxer lastet das Gewicht der Geschichte - es geht um mehr als nur Sport.

Von Dominik Fürst

Der Tod von Muhammad Ali hat die Menschen kürzlich nicht nur deshalb so bewegt, weil da der Größte aller Zeiten ging. Es war vor allem schmerzhaft für die Boxwelt, noch einmal daran erinnert zu werden, welche gesellschaftliche und politische Tragweite ihr Sport einmal besaß. Wie relevant das Boxen in den alten Tagen noch war, lange vor Fury, Haye und Klitschko. Ali ist tot, eine größere Aufmerksamkeit haben Boxkämpfe seit seiner Zeit nie wieder erlangt.

Nur: Zuvor war das schon einmal so, in den 1930er Jahren, und es ist nicht verwegen zu behaupten, dass ein Duell eine noch größere gesellschaftlich-politische Dimension erreichte, als es Alis Kämpfe gegen Sonny Liston oder George Foreman vermochten. Es ging ja auch um nichts weniger als den Gegensatz zwischen Freiheit und Tyrannei. Die Protagonisten waren der Amerikaner Joe Louis und der Deutsche Max Schmeling. Sie trafen sich vor genau achtzig Jahren zu ihrem ersten Kampf im Yankee Stadion in New York City.

Hemingway: "Die wundervollste Kampfmaschine, die ich je gesehen habe"

Juni 1936. In Deutschland sind seit drei Jahren die Nazis an der Macht. Mit einem Krieg rechnen zwar nur wenige, doch klar ist auch, dass der Boxer Schmeling bei seinen Kämpfen (von denen er die meisten in den USA bestreitet) eine Diktatur vertritt. Schmeling selbst ist der NS-Ideologie unverdächtig, er hat jüdische Freunde und einen jüdischen Manager namens Joe Jacobs, der ihn auf allen Reisen begleitet. Schmeling ist 30 Jahre alt und ehemaliger Weltmeister im Schwergewicht.

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In New York wartet mit Joe Louis ein jüngerer, stärkerer, gefährlicherer Boxer auf ihn. Louis ist 22 Jahre alt, er hat seine bisherigen 27 Kämpfe alle gewonnen, die letzten zehn in Serie durch K.o. Sie nennen ihn den "braunen Bomber". Ernest Hemingway beschreibt ihn so: "Zu gut um wahr zu sein, und absolut wahr: die wundervollste Kampfmaschine, die ich je gesehen habe." Louis' Rolle ist genauso politisch aufgeladen wie die von Schmeling, er muss als Symbol für die befreiten Schwarzen in den USA herhalten. Nur kann von Freiheit keine Rede sein. Amerika praktiziert seine Rassentrennung 1936 noch sehr gründlich.

So lastet auf beiden Boxern das Gewicht der Geschichte, obwohl sich es beide wohl gerne anders ausgesucht hätten: Schmeling kämpft für die Nazis, Louis für die liberale Gesellschaft. Richtig überfrachtet mit ideologischen Erwartungen wird zwar erst der Rückkampf zwei Jahre später sein, in dem es auch endlich um die Weltmeisterschaft geht. Doch Hitler ist schon jetzt ein Bewunderer von Schmeling, und der Judenhass in Deutschland hat sich auch schon bis nach Amerika herumgesprochen. Dort gibt es vor allem in den Südstaaten viele Rassisten, die Schmeling den Sieg wünschen.

Doch ein Boxkampf ist ein Boxkampf - und den nimmt Joe Louis offenbar nicht ernst genug. Der gefürchtete Kämpfer verbringt die meiste Zeit seiner Vorbereitung auf dem Golfplatz, vor dem alten Schmeling hat er keine Angst. Der Deutsche hingegen ist schon ein halbes Jahr vor dem Kampf nach Amerika gereist, um den Gegner zu studieren. "Haben Sie eine bestimmte Schwäche bei Louis ausmachen können", fragen US-Reporter ihn. "I have seen something", "ich habe etwas gesehen", sagt Schmeling. "Aber ich verrate Ihnen nicht, was."

Der Kampf findet vor 42 000 Zuschauern im Yankee Stadion in der Bronx statt. Die ersten drei Runden sind ausgeglichen, in Runde vier zeigt sich dann, welche Schwäche Schmeling bei Louis entdeckt hat: Er lässt, sobald er damit zugeschlagen hat, seinen linken Arm hängen, sein Kinn ist somit ungeschützt. Es ist eine unbewusste Schwäche in der Verteidigung des jungen Boxers, Schmeling hat sie entdeckt und schlägt Louis in der vierten Runde zum ersten Mal in dessen Karriere zu Boden. Der Favorit rappelt sich noch einmal auf, übersteht bis zur zwölften Runde, ehe ihn Schmeling noch einmal auf die Bretter schickt. Knockout.

Nach dem Kampf wird deutlich, wie viel von allen Seiten in ihn hineingelegt worden war: In Harlem gibt es Ausschreitungen, die Schwarzen sind verstört. Die Schriftstellerin Maya Angelou schreibt später: "Meine Rasse stöhnte. Das war unser Volk, das da fiel. Es war ein weiteres Lynchen, ein weiterer schwarzer Mann, der an einem Baum hing. (...) Wenn Joe verlor, waren wir zurück in der Sklaverei und ohne Hoffnung auf Hilfe." Auf der anderen, der siegreichen Seite vereinnahmen sie Schmeling. Der fliegt mit dem Luftschiff Hindenburg zurück nach Deutschland, wird dort von Hitler empfangen und beglückwünscht. Er ist jetzt ein Volksheld und wehrt sich nur zaghaft dagegen.

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K.o. in Runde eins im Rückkampf

Joe Louis erholt sich. Er ist ja trotz der Niederlage der beste Boxer seiner Generation, die Schwäche mit dem baumelnden linken Arm trainiert er sich ab. Ein Jahr später wird er Weltmeister, ein weiteres Jahr später erhält Max Schmeling einen Titelkampf und Louis die Chance auf eine Revanche. Die politische Dimension des Kampfes ist diesmal noch drastischer, US-Präsident Franklin D. Roosevelt lädt Louis zuvor ins Weiße Haus ein, um ihm zu sagen, dass es Typen wie ihn brauche, um diese Deutschen zu besiegen. Die Nazis auf der anderen Seite setzen alles auf Schmeling, er soll den so wichtigen Propaganda-Sieg erringen.

Daraus wird nichts. Louis schlägt Schmeling im Rückkampf im Yankee Stadion, diesmal vor 70 000 Zuschauern, in der ersten Runde zu Boden. Amerika tobt vor Freude, Hitler tobt vor Wut. Und Gut gewinnt gegen Böse, wenn man so will. Der Champion verteidigt seinen Titel noch weitere 23 Mal. Später werden er und Schmeling gute Freunde, nach dem Krieg hilft der Deutsche dem Amerikaner auch finanziell aus der Patsche. Ihre Kämpfe gehen als zwei der bedeutendsten des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein.

Die zynische Pointe dieses Stücks Sportgeschichte: Als Joe Louis im April 1981 stirbt, ist er drogensüchtig und hochverschuldet. Sein Land, das so sehr von ihm als Symbolfigur profitiert hat, lässt ihn am Ende hängen. Max Schmeling macht nach dem Krieg als Unternehmer Karriere. Er stirbt 2005 als wohlhabender Mann mit 99 Jahren.

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