Boxen: Vitali Klitschko:Vorspiel fürs Großmaul

Lesezeit: 3 min

Am Samstagabend muss Vitali Klitschko gegen den unbesiegten Kevin Johnson antreten - es ist trotz markiger Worte des Herausforderers nur ein Vorkampf, weil Klitschko einen anderen Gegner im Auge hat.

Jürgen Schmieder

Wer diesem Vitali Wolodimirowitsch Klitschko jemals gegenüberstand, der wird kaum versuchen, diesen Mann wütend zu machen. Zwei Meter groß ist der Ukrainer, er wiegt mehr als 110 Kilogramm, der Umfang seines Oberarms übertrifft so manchen Oberschenkel-Umfang anderer Menschen. Er trägt den Spitznamen "Dr. Eisenfaust", 37 Gegner hat er während seiner Profikarriere K.o. geschlagen, sein Vater war Offizier der sowjetischen Luftwaffe.

Klappe zu! Vitali Klitschko deutet seinem Gegner Kevin Johnson an, er möge keine großen Sprüche klopfen. (Foto: Foto: Getty)

Nun gehört es zu den herausragenden Eigenschaften dieses Vitali Wolodimirowitsch Klitschko, sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen. In Interviews ist er stets freundlich, seine Stimme ist tief und ruhig, er benutzt keine markigen Kraftausdrücke, wie es andere Boxer vor ihren Kämpfen gerne tun. Vor dem WM-Kampf gegen den Amerikaner Kevin Johnson spricht er über seine herausragende Fitness, er zollt seinem Gegner Respekt und berichtet, dass er Weihnachten in Disneyworld verbringen werde: "Das habe ich meinen Kindern versprochen."

Und dann gibt es doch dieses Stichwort, das aus diesem freundlichen Menschen einen wütenden Mann werden lässt. Dann wird die Miene finsterer, die Stimme heller und aufgeregter. Man müsste gar keine Frage stellen, um das zu erreichen, sondern einfach nur den Namen David Haye nennen. "Ich bin stinksauer auf ihn", sagt Klitschko dann. "Ich glaube nicht, dass er vor dem Kampf auf Schalke verletzt war. Deshalb habe ich ihm versprochen: Ich schalte dich aus!" Und dann blickt der Mann, der eben noch mit leuchtenden Augen von Disneyworld erzählte, plötzlich drein wie ein Offizier der ukrainischen Luftwaffe.

David Haye, das ist jener Boxer, der im Juni gegen Wladimir Klitschko hätte antreten sollen. Der T-Shirts mit abgeschlagenen Köpfen der Gebrüder Klitschko getragen hatte - und dann zuerst die Begegnung mit Vitali und dann auch noch mit Wladimir absagte. Einmal war die Begründung eine Verletzung, das andere Mal warf er dem Management der Klitschkos vor, ihm sei ein inakzeptabler Vertrag angeboten worden. "Das war absolut unprofessionell", sagte Wladimir Klitschko im Juni, nachdem er auf Schalke gegen Ruslan Tschagaew gewonnen hatte. Bernd Bönte, Geschäftsführer der Klitschko Management Group, ergänzte: "Die Ausreden, die Haye benutzt von wegen Knebelverträgen, sind kompletter Unsinn."

Am 7. November jedoch zeigte Haye in Nürnberg, dass seine markigen Worte und teils makabren Scherze nicht nur heiße Luft und leere Gesten waren. Er besiegte den Russen Nikolaj Walujew und ist seitdem Weltmeister des Verbandes WBA - und forderte sogleich die Klitschkos heraus: "Als Weltmeister kann ich meine eigenen Verträge machen und muss nicht mehr alles annehmen." Die Aussage ist ein klarer Affront an die Klitschkos.

"Wir wollen alle Weltmeister-Gürtel in der Familie haben", sagt Vitali Klitschko. Dazu bedarf es eines Sieges gegen Haye, der nun Ende März kommenden Jahres zunächst gegen John Ruiz boxen soll. Erst danach wäre Duell gegen einen der Klitschkos möglich. Vitali jedenfalls wäre sofort bereit: "Ich bin wirklich wütend!"

Betrachtet man die Wucht der Wut, die Vitali Klitschko auf Haye hat, dann wirkt der Kampf am Samstag gegen Kevin Johnson nicht wie der Höhepunkt einer Karriere, sondern nur wie ein unbedeutender Vorkampf, wie eine lästige Pflichtaufgabe, wie ein Schritt auf dem Weg zur wahrlich bedeutenden Auseinandersetzung gegen Haye.

Klitschko sagt selbst über Johnson: "Er ist bisher ein unbeschriebenes Blatt unter den Boxern, die Leute kennen ihn noch nicht." Der Amerikaner ist zwar in 23 Profikämpfen unbesiegt, sein linker Jab gilt als formidabel, seine Schläge sind schnell und schwer auszurechnen. Indes schlägt Johnson nicht sonderlich hart, lediglich neun seiner Kämpfe konnte er vorzeitig beenden. Die unabhängige Weltrangliste führt ihn auf Platz 26. "Ich bin der beste Boxer der Vereinigten Staaten", sagt Johnson. Man mag ihm kaum widersprechen - aber nicht deshalb, weil er ein solch formidabler Kämpfer wäre, sondern weil es eben keinen anderen gibt.

Johnson freilich verwendet vor dem Kampf jene Worte, die Boxer gerne benutzen: "Keiner kann mich stoppen. Es gibt auf der ganzen Welt nur zwei Leute, die ihn auf mich vorbereiten können: das sind Muhammad Ali und Larry Holmes. Und wenn er nicht mit Muhammad Ali und Larry Holmes trainiert hat, dann hat er sich ins eigene Fleisch geschnitten." Klitschkos Reaktion auf diese Worte: "Er sagt, was er denkt. Ich denke anders. Wir sollten nicht mit Worten fechten, sondern die Fäuste sprechen lassen." Er ist eben nicht so leicht wütend zu machen, dieser Vitali Klitschko. Schon gar nicht von Kevin Johnson.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Boxen: Vitali Klitschko
:Sieg durch technischen K.O.

Schwergewichts-Boxweltmeister Vitali Klitschko hat in Los Angeles seinen Titel gegen den amerikanischen Herausforderer Cristobal Arreola verteidigt. Arnold Schwarzenegger sah zu.

Die Bilder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: