Borussia Dortmund:"Dickes, fettes Stoppschild"

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Leichtes Spiel: Pierre-Emerick Aubameyang (unzureichend gedeckt von Robin Knoche) braucht das feine Zuspiel nur noch ins Tor zu schieben. (Foto: Jan Huebner/imago)

Während die Verantwortlichen von Borussia Dortmund im Fall Dembélé weiter auf stur schalten, emanzipieren sich Spieler wie Pulisic.

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Hans-Joachim Watzke linste schräg nach oben, während er sprach, immer wieder auf den Fernseher, auf dem die Zusammenfassung der Partie beim VfL Wolfsburg lief. Der Dortmunder Geschäftsführer ist Multitasking-erprobt, er konnte das TV-Bild verfolgen und sich über die schicke Vorbereitung von Christian Pulisic vor dem 3:0 freuen, dabei gleichzeitig über den möglichen Wechsel von Ousmane Dembélé referieren. Nichts Neues, kein Kontakt nach Barcelona. Seine "Freunde aus Katalonien" müssten sich halt entscheiden, kommentierte Watzke genüsslich. Entweder der FC Barcelona gehe auf die Ablöseforderung der Dortmunder ein - die bei mindestens 140 Millionen Euro liegen dürfte -, oder der Klub lasse es eben bleiben. Erpressen ließe sich Dortmund jedenfalls nicht: "Das ist ja nicht nur unser Thema, sondern betrifft irgendwann auch einen anderen von den 17 Bundesligisten", betonte Watzke: "Von daher können sie alle froh sein, wenn wir hier ein dickes, fettes Stoppschild reinrammen."

So ist das derzeit beim BVB: Dembélé, der auch in Wolfsburg suspendiert fehlte, bestimmt die Debatten; so forderte Watzke am Sonntag, die Uefa müsse das Transferfenster früher schließen ("1. August oder spätestens 8. August"), um solche Hängepartien zu vermeiden. Doch nebenbei wird schon Fußball gespielt, und zwar erfolgreich, wie der BVB in Wolfsburg bewies. Das 3:0 (2:0) geriet zur derart lockeren Auftaktaufgabe, dass danach manch einer mutmaßte, der mögliche Abschied Dembélés würde den BVB gar nicht so hart treffen. Klar, es wäre schön, den Franzosen für die besonderen Momente im Kader zu wissen, aber warum Dembélé lange nachtrauern, wenn man eine mehr als stattliche Ablöse einstreichen kann - und obendrein noch Christian Pulisic hat?

Der US-Amerikaner war die prägende Figur beim Sieg. Das lag zum einen am Gegner, der das exakt gegensätzliche Bild zu frechen und munteren Dortmundern abgab. Wolfsburg spielte behäbig, ausgestattet mit der einzigen Idee, den Ball hoch und weit zu Mario Gomez zu schaufeln, so wie in der vergangenen Saison, die auf dem Relegationsplatz endete. Nicht viele Mannschaften werden sich dem BVB in dieser Saison schon nach einer Viertelstunde ergeben. So konnte sich Pulisic vor seinem Führungstreffer leicht eine Lücke im löchrigen Defensivverbund suchen, und als er von zwei Abwehrspielern nicht attackiert wurde, jagte er den Ball aus 15 Metern trocken halbhoch ins Netz (23.). Bei seiner zweiten großen Tat ließ Pulisic den jungen Felix Uduokhai ins Leere rutschen, entschied sich gegen einen eigenen Schussversuch und passte den Ball flach an den zweiten Pfosten zu Pierre-Emerick Aubameyang, der im Sommer zwar wieder mit der halben Fußballwelt flirtet, aber immer noch in Dortmund spielt. Und zwar gut gelaunt und wie immer sehr effektiv. In Pulisics Vorlage musste er nur noch hereinrutschen und sie zum 3:0 veredeln (60.).

Bilden Götze und Pulisic das neue Duo im Mittelfeld?

Das Sonderlob gebührte trotzdem Pulisic, der in seiner dritten Profisaison beim BVB explosiver und frecher wirkt als zuvor. "Am Anfang war er mir zu cool und zu ruhig, zu sehr american style", erklärte sein Teamkollege Nuri Sahin. Trotz seiner erst 18 Jahre scheint Pulisic mittlerweile so erwachsen zu sein, dass er dem Team hilft. Genau wie Dembélé sei Pulisic ein "exzeptioneller" Spieler, lobte Trainer Peter Bosz. Exzeptionell, noch einen Spieler adelte er mit diesem deutsch-niederländischen Adjektiv: Das war Mario Götze.

Götze und Pulisic, bilden sie das neue Duo im Dortmunder Mittelfeld? Hier der junge US-Amerikaner, die vielleicht größte Perle des Kaders, die es bislang aber nie über den Perlenstatus hinausgeschafft hatte. Dort der gerade genesene Weltmeistermacher von 2014, der ein halbes Jahr wegen einer rätselhaften Stoffwechselerkrankung pausierte, der gegen Wolfsburg dann ähnlich überragte wie Pulisic. Das 1:0 bereitete Götze direkt vor, am 2:0 durch Marc Bartra (28.) war er auch beteiligt. Zwar nahm Bosz ihn bereits nach einer Stunde vom Platz, doch das war lediglich eine Vorsichtsmaßnahme. "Er war leichtfüßig, immer anspielbar", lobte Sahin. "Da lacht einem das Herz, wenn man Mario Fußball spielen sieht", erging sich Watzke gar. Götze hingegen blieb demütig. Er sei "längst nicht wieder bei hundert Prozent", sagte der Nationalspieler, blickte dabei zu Boden, wie einer, der die Grenzen des eigenen Körpers gespürt und sich vorgenommen hat, lieber kleinere Schritte zu gehen.

Am Sonntag trieb Watzke die Imagepflege für seinen Spieler bei Sky noch weiter. Es sei ja falsch, Götze länger mit Lionel Messi zu vergleichen (wie es einst Bundestrainer Löw tat), erklärte Watzke, denn Götze sei nicht mehr bloß Zauberfuß, sondern entwickele sich gerade zum Strategen: "Er spielt jetzt eher wie Iniesta." Ob bei Götze oder im Fall Dembélé, am FC Barcelona kommen sie in Dortmund gerade einfach schlecht vorbei.

© SZ vom 21.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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