Biathlon:Zeichen des Wandels - aber nicht bei den Deutschen

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Könnte auch bei der WM 2023 gesichtet werden: Oberhofer Nebel (Foto: AFP)

Der schwer angezählte Biathlon-Weltverband lässt Zeichen für neue Transparenz erkennen - umso verstörender, dass der deutsche Verband da lieber alte Seilschaften pflegt.

Kommentar von Thomas Kistner

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Wenn der Eindruck nicht trügt, hat der von Affären umtoste Biathlon-Weltverband IBU bei seinem Marathon-Kongress in Kroatien einen Wandel vollzogen. Daraus könnte eine Wende erwachsen, hin zur dringend erforderlichen neuen Geschäftskultur. Eingeleitet wurde das mit der Wahl des persönlich unbelasteten Schweden Olle Dahlin zum Nachfolger des aus dem Amt beförderten Langzeitherrschers Anders Besseberg, gegen den (samt früherer Entourage) wegen des Verdachts auf Korruption und Dopingvertuschung ermittelt wird. Und untermauert wurde es gleich mit ersten, wegweisenden Beschlüssen. Fortan droht jedem Landesverband, der nicht vollständig die internationalen Anti-Doping-Regeln respektiert, die Verbannung. Auch werden IBU-Kongresse künftig für die Medien geöffnet. Das sind Zeichen für neue Transparenz.

Der DSV pflegt alte Seilschaften. Und Thüringens WM-Werber halten ihre Rede auf Russisch

Nicht so gut erscheint hingegen die Rolle, die den deutschen Sportkameraden bei diesem Kulturwandel zufiel. Sie hatten offenbar bis zuletzt an Dahlins Herausforderin festgehalten: der von allerlei pikanten Fragezeichen umrankten Quereinsteigerin Baiba Broka aus der nationalistischen Partei Lettlands, die vielen als Kandidatin des im Hintergrund beobachtenden Besseberg galt. Broka selbst stritt das ab - nur leider hatte sie vor dieser Wahl generell sehr vieles abzustreiten. So viel, dass ihre Wahlrede reichlich selbstbezogen ausfiel und das Gremium in dem Verdacht bestärkte, die lettische Politikerin stünde diesem Wintersport doch recht fern.

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Umso merkwürdiger ist es da, dass der Deutsche Skiverband (DSV) sich bis kurz vor der Wahl offiziell völlig unentschlossen gab - und dass die Deutschen nach Einschätzung von Kongressteilnehmern mit der erklärten Devise in die Abstimmung gezogen sind, es brauche einen Neustart. Und diesen verkörpere just die umstrittene Lettin. Deshalb wäre es interessant zu wissen, ob der DSV zu den letztlich nur zwölf Verbänden zählt, die für sie votiert hatten (Dahlin holte 39 Stimmen).

Die Chancen der Broka-Fraktion waren wohl an die Rolle der russischen Biathlon-Federation geknüpft. Doch nachdem den Russen, die weiterhin die massiven Staatsdoping-Belege ignorieren, zu Kongressbeginn die Rückgabe der im Dezember aberkannten Vollmitgliedschaft verweigert worden war (trotz beunruhigenden 20 pro-russischen Stimmen), wurde wohl auch dem Letzten klar, dass soeben ein langjähriges sportpolitisches Powerplay zu Ende ging. Die schwer belasteten Russen müssen weiter draußen bleiben - alles andere hätte den nächsten Skandal bedeutet.

Und die neuen IBU-Sachwalter um Dahlin setzten ein weiteres Zeichen - eines, das die deutsche Delegation schockieren musste: Abgeschlagen unterlag DSV-Präsident Franz Steinle dem Tschechen Jiri Hamza im Kampf um den Posten des Vizepräsidenten, mit 20:30. Stellt man die Bedeutung der schwarz-rot-goldenen Bia-thlon-Macht sowie die langjährige Dominanz deutscher Funktionäre und Sponsoren in der IBU in Rechnung, ist das eine Abstrafung. Mancher aus dem Dahlin-Lager verstand es als Lektion für den gesamten DSV, der das alte System Besseberg in den kritischsten Phasen der letzten zwei, drei Jahre meistens gestützt hatte.

Zwar sind die jahrelang prägenden deutschen Spitzfunktionäre nicht mehr dabei: Die thüringische IBU-Generalsekretärin Nicole Resch wurde im Zuge der Affäre suspendiert, sie bestreitet wie Besseberg alle Vorwürfe in den laufenden Strafermittlungen. Und der acht Jahre im Vorstand amtierende Thomas Pfüller, einst in der DDR Cheftrainer Langlauf und Vize-Generalsekretär des tief ins staatliche Doping verstrickten Skiverbandes; ihm oblag der IBU-Marketingbereich. Dass aber der DSV nun einen echten Spurwechsel vollzogen hätte, weg von alten Seilschaften, war in Porec nicht zu erkennen. Im Gegenteil, mancher hohe IBU-Repräsentant war beim deutschen Empfang für die WM-2023-Bewerbung für Oberhof stark irritiert. Thüringens Vertreter, monierten sie, hielten ihre Rede auf: Russisch. Nicht mal eine Übersetzung habe es gegeben, beklagte ein IBU-Vorstand, es sei wie "ein Rückfall in die Achtzigerjahre" gewesen.

Vielleicht aber ist es dem einen oder anderen Deutschen einfach nur zu Herzen gegangen, dass beim Wende-Kongress der IBU in Porec so wenig russische Stimmen zu hören waren wie nie zuvor.

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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