Biathlon-WM:"Die sind da relativ schmerzfrei"

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Letzte Einheiten vor dem Start: Biathleten testen die WM-Strecken in Hochfilzen. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Die Deutschen wundern sich über die WM-Nominierung der Russen, die Dopingvorwürfen ausgesetzt sind.

Von Joachim Mölter, Hochfilzen

Im Stadion von Hochfilzen werden an diesem Mittwoch die letzten Vorbereitungen getroffen für die Biathlon-WM. Vorne am Schießstand nehmen die Athleten ihre Ziele ins Visier, die Kugeln klackern auf die Scheiben. Auf den Stahlrohrtribünen wird noch mal sauber gemacht, Schaufeln scheppern übers Metall. Dahinter, auf einer Art Marktplatz, wird an Imbissbuden und Souvenirständen gehämmert und geschraubt. "Man sieht, dass Bewegung drin ist", sagt der Männer-Bundestrainer Mark Kirchner, aber er meint nicht das geschäftige Treiben im Stadion. Er meint die Debatten, die der Weltverband IBU zur gleichen Zeit bei einem außerordentlichen Kongress führt. Auch das gehört zu den letzten Vorbereitungen, damit von Donnerstag an alles reibungslos läuft.

Besagte Debatten drehen sich um massive Dopingvorwürfe gegen 31 russische Biathleten, die im "McLaren-Report" aufgeführt sind. 154 Athleten haben länderübergreifend härtere Konsequenzen gefordert - bis hin zum Komplett-Ausschluss des russischen Verbandes. Am Mittwochabend verkündete die IBU, dass nationale Verbände bei Dopingfällen von kommender Saison an höhere Geldstrafen zahlen sowie Startplätze bei internationalen Wettkämpfen verlieren sollen. Details muss jetzt der Vorstand ausarbeiten, die einzige Sanktion gegen die Russen ist der Entzug der WM 2021, falls sie die Titelkämpfe bis Ende Februar nicht freiwillig zurückgeben - was sie offenbar nicht vorhaben.

Mark Kirchner hat festgestellt: "Man tut sich schwer, Entscheidungen zu treffen. Bis jetzt ist nicht viel Zählbares passiert." Die Russen haben jedenfalls ein Team nach Hochfilzen geschickt, und dessen Mitglieder tun so, als sei nie etwas gewesen. Sie haben sogar ganz unbekümmert die Dopingsünder Irina Starych und Alexander Loginow mitgenommen, deren drei bzw. zwei Jahre gültigen Sperren wegen Epo-Missbrauchs erst Ende 2016 abgelaufen sind. Bei der EM im Januar haben sie auf Anhieb je drei Titel gewonnen, der deutsche Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig erwartet, dass sich die beiden auch bei der WM "konkurrenzfähig im Vorderfeld platzieren können". Nicht nur bei ihm spürt man Unbehagen über die Situation: ein offensichtlich fehlendes Schuldbewusstsein der russischen Athleten; ein genereller Verdacht; eine gewisse Ohnmacht darüber, dass man Leute wie Starych und Loginow laufen lassen muss, weil sie ja eine Strafe verbüßt haben. "Ob das clever ist in der momentanen Lage?", wundert sich Kirchner über die Nominierungen der Russen. "Die sind da relativ schmerzfrei", findet Hönig.

Die Biathleten des Deutschen Skiverbandes (DSV) bekommen jedenfalls unliebsame Konkurrenz, vielleicht schon im ersten Wettkampf, der Mixed-Staffel an diesem Donnerstag (14.45 Uhr/ZDF und Eurosport). Die DSV-Trainer schicken ihre Bestbesetzung ins Rennen: Vanessa Hinz (Schliersee), Laura Dahlmeier (Garmisch-Partenkirchen), Arnd Peiffer (Clausthal-Zellerfeld) und Simon Schempp (Uhingen). Dass die gemischte Staffel nur zum Aufwärmen dient oder als Beschäftigungsprogramm für die zweite Garde, sei "Geschichte", sagt Mark Kirchner. Spätestens seit der Aufnahme ins Olympia-Programm 2014 ist diese Disziplin für die Besten attraktiv. Und "wenn der Auftakt funktioniert, gibt das Sicherheit", erklärt Kirchner, "das ist wichtig für den weiteren Verlauf der Weltmeisterschaft".

Wie ernst sie die Mixed-Staffel nehmen beim DSV, belegt die Tatsache, dass Laura Dahlmeier mitmacht, die Führende im Gesamt-Weltcup. Die 23-Jährige hatte 2016 in Oslo auf dieses Rennen verzichtet (in dem das DSV-Quartett Silber holte) und dann in den fünf übrigen Wettkämpfen jeweils eine Medaille gewonnen. In diesem Jahr will sie in allen sechs angebotenen Disziplinen starten. "Laura hat konditionell zugelegt", hat Hönig beobachtet, "sie kann in jedem Rennen um die Medaillen mitlaufen." Dahlmeier selbst, die Titelverteidigerin in der Verfolgung, beschwichtigt eher: "Ich kann nicht davon ausgehen, wie im vergangenen Jahr fünf Medaillen zu gewinnen. Ich möchte eine Goldmedaille, dann wäre ich super zufrieden."

Beim DSV wären sie mit insgesamt fünf Medaillen zufrieden, sagt die Sportdirektorin Karin Orgeldinger. Das wären zwei weniger als bei der WM 2016 in Oslo, aber genauso viele wie 2015 in Kontiolahti und drei mehr als bei Olympia 2014 in Sotschi. Eine Medaille in der Mixed-Staffel ist dabei eingeplant, "das muss das Ziel sein", sagt Gerald Hönig: "Alles andere wäre Understatement aufgrund der bisherigen Ergebnisse im Weltcup."

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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