Biathlon Seriensiegerin Laura Dahlmeier:Immer mutig in die S-Kurve rein

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Laura Dahlmeier: Mit Triple in Pokljuka (Foto: AFP)

Wenn andere bremsen, hopst Laura Dahlmeier den Abhang hinunter. Nicht nur deshalb ist sie derzeit die überragende Biathletin. Ihre Erfolge findet sie selber "unrealistisch".

Von Volker Kreisl, München/Pokljuka

Es sieht alles so leicht aus: In die Hocke, zweimal umsteigen, hopphopp. Dann die scharfe Rechtskurve hoch ansteuern für einen weiten Bogen, und im entscheidenden Moment nicht verkanten, sondern: hopphopphopp. Und danach: die Haare wehen lassen, und davon sausen zum Sieg.

Diese scharfe S-Kurve bei der Abfahrt kurz vor dem letzten Anstieg und dem Ziel der Biathlonstrecke von Pokljuka teilt die Läuferinnen in zwei Gruppen: in Flachland-Skaterinnen und in Abfahrerinnen. Die einen bremsen, um nicht im Graben zu landen, die anderen gleiten und beschleunigen. Laura Dahlmeier ist in den Bergen groß geworden, sie ist Alpinskifahrerin - und wenn sie für die Bergrettung im Einsatz ist, dann muss sie auch mal verunglückte Touristen im Akia sicher ins Tal lenken.

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Auch mit der Staffel gelingt der Biathletin in Pokljuka ein Triumph. Wladimir Klitschko hat einen neuen Gegner, Bayern-Präsident Hoeneß überdenkt seine Arbeitszeiten.

Dahlmeier hatte keine Probleme mit der S-Kurve von Pokljuka. Die heikle Stelle wurde zum Symbol für ihre momentane Überlegenheit. Schon im Laufe des Wochenendes hatte sie hier Sekunden herausgeholt, und auch am Sonntag hopste sie über die Spurrillen und lenkte nach ihren zwei Siegen in Sprint und Verfolgung nun als Schlussläuferin noch den deutschen Staffel-Sieg sicher ins Tal.

Entscheidende Taktik

Auch ihre drei Teamkolleginnen zuvor hatten sich ja gesteigert. Startläuferin Vanessa Hinz, Franziska Hildebrand und Maren Hammerschmidt waren zwar Fehler unterlaufen, doch die hatten sie per Nachlader oder mit guten Laufzeiten wieder ausgebügelt. Doch die Hauptfigur im Team bleibt Dahlmeier, sie ist derzeit diejenige, die den Erfolg mit der entscheidenden Taktik sichert, und die auch dem Rest der Biathlonwelt davon fährt. Frankreichs Schlussläuferin Marie Dorin-Habert hatte beim letzten Staffel-Schießen noch dagegengehalten, kam aber bei der Abfahrt nicht mehr mit. Auf Platz drei lief bei dieser ersten Biathlon-Staffel des Winters das Team aus der Ukraine.

Das Frauen-Team von Bundestrainer Gerald Hönig ist groß und vielseitig, die meisten seiner Läuferinnen wirken aber noch etwas instabil. Die Schlierseerin Hinz schaffte es gleich zu Beginn in Östersund auf Platz sechs, fiel dann aber wieder zurück, weil sich Schießfehler bei ihr mangels Schnelligkeit noch drastisch auswirken; Hildebrand überzeugte in Pokljuka zunächst mit Tempo, zu dem angestrebten Einzel-Podestplatz reichte es aber nicht; Franziska Preuß (Haag) stieg mit einem vierten Platz in den Winter ein, und eine Woche später mit Magen-Darm-Grippe vorerst wieder aus; Hammerschmidt (Winterberg) zeigt noch Licht und Schatten. Und in einem längeren Aufbau befinden sich ja Denise Herrmann und Miriam Gössner. Langlauf-Umsteigerin Herrmann überraschte als Weltcup-Debütantin mit nur zwei Fehlern im Sprint und vier in der Verfolgung, was die beachtlichen Ränge 18 und 21 ergab, aber noch zu wenig ist für lauteren Jubel. Und Gössner deutete in Pokljuka zwar an, dass sie doch gut schießen kann, beim allerletzten Schießen in der Verfolgung zeigte sie aber auch, dass noch ein gehöriger Weg vor ihr liegt. Drei Fehler - Gössner wurde Fünfundzwanzigste.

Die meisten Deutschen sind also noch auf der Suche nach ihrer Form und laufen deshalb mehr oder weniger hinterher. Und Laura Dahlmeier? Die sagt, sie sei zwar auch noch auf der Suche nach ihrer Form, ist aber gleichzeitig schon Gesamtweltcupführende - und dies ziemlich einsam.

Nach zwei Weltcups hat Dahlmeier drei von fünf Einzelwettbewerben gewonnen: Zu Saisonbeginn die Langstrecke von Östersund, und nun den Sprint und das Verfolgungsrennen von Pokljuka. Einmal wurde sie Zweite, einmal Vierte. Weil die Konkurrentinnen dahinter, etwa die Finnin Kaisa Mäkäräinen oder die Tschechin Gabriela Koukalova zu unkonstant sind, ist Dahlmeier schon so weit enteilt, dass die Frage aufkommt, ob sie dieses gelbe Trikot womöglich als erste deutsche Biathletin von Anfang bis Ende der Saison tragen werde: 69 Punkte beträgt ihr Vorsprung.

Verbesserungen in den Details

Das klingt insgesamt so, als wäre jemand auf der Höhe seines Könnens, aber auch Dahlmeier ist von ihrer Frühform überrascht: Der Trainingsaufbau ist auf den Höhepunkt der Saison ausgerichtet, die Weltmeisterschaft im Februar in Hochfilzen/Österreich. "Ich habe mich noch nicht so spritzig gefühlt", sagte Dahlmeier nach ihrem dritten Sieg. Überhaupt empfindet sie die derzeitige Situation als überraschend, und ein bisschen "unrealistisch".

Doch die 23-Jährige hat ja nun auch schon knapp vier Jahre Weltcuperfahrung, und sie verbessert ihre Fähigkeiten, was in der S-Kurve der Staffel-Schlussrunde zu sehen war, eben auch in den Details. Und schließlich hatte sie es diesmal geschafft, beschwerdefrei durch Sommer und Herbst zu kommen. Anders als im vergangenen Jahr hat Dahlmeier den Auftakt in Schweden nicht nur am Bildschirm erlebt. Auch wenn die Schnellkrafteinheiten gerade noch in den Beinen stecken, so hat sie unter dem Strich doch mehr Energie aufgebaut als jemals zuvor.

Insgesamt ist dieser Erfolg und ihre momentane Position in der Welt also ziemlich realistisch.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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