Biathlon:Nur zur Hälfte spitze

Lesezeit: 3 min

Denise Herrmann: Drei Fehler am Schießstand vermiesten ihr das Rennen in Ruhpolding (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Vanessa Hinz wird in Ruhpolding mit Rang acht beste Deutsche im Sprint.
  • Auch Denise Herrmann und Franziska Preuß haben Spitzenqualitäten, jedoch momentan nur in einer der beiden Biathlon-Disziplinen.
  • Der große Schritt nach vorne gelingt dem Gesamtteam nicht - bis zur WM in Antholz sind es nur vier Wochen.

Von Volker Kreisl, Ruhpolding

Zur Jahreswende wurde Schneefall vorhergesagt. Schnee? Da waren die Biathlonhelfer von Ruhpolding auf einmal nervös, denn Schnee gefiel ihnen gar nicht. "Ein gewisses Stirnrunzeln kam auf", erinnert sich Engelbert Schweiger, der Chef der Ruhpoldinger Biathlon-Arena, also einer Anlage für Wintersport.

Schnee ist immer noch ein heikles Thema hier, zumindest, wenn er von oben kommt und in solchen Massen wie vor einem Jahr, als er in Lawinenform zu Tale brach, Dächer eindrückte und Tribünen versinken ließ, die Tag und Nacht frei geschaufelt werden mussten. Aber dann erwies sich die Prognose als falsch, es schneite nicht, es gab keine Nachtschichten, und der Weltcup konnte pünktlich auf einer dicken, weißen Unterlage beginnen: Den Sprint der Frauen gewann am Mittwoch die Norwegerin Tiril Eckhoff vor Hanna Öberg aus Schweden. Alles lief reibungslos ab, denn die Ruhpoldinger verfügen über große Mengen von jenem Schnee, der von unten kommt - von dem aus der Kanone.

Umweltschutz
:Der Sport muss sich der Klimadebatte stellen

Biathleten auf weit gereistem Kunstschnee; Handballer, die 6000 Kilometer bei einer EM zurücklegen müssen: Diskussionen um den Umweltschutz erreichen den Sport - dessen Vertreter reagieren harsch.

Von Saskia Aleythe

Rund aus Sicht der Veranstalter war dieser Weltcup-Auftakt dennoch nicht. Das deutsche Team, das nahezu vollständig in Ruhpolding trainiert, hatte mit den Podestplätzen nichts zu tun. Einzelne Läuferinnen verschafften sich Erfolgserlebnisse im Detail, wie etwa Vanessa Hinz aus Schliersee, die als Achte die Beste aus der Mannschaft des im Biathlon so anspruchsvollen Deutschen Skiverbandes wurde. Der große Schritt nach vorne gelang der kriselnden Mannschaft jedoch nicht.

Auf zwei Läuferinnen waren die Augen besonders gerichtet: auf Denise Herrmann, die in dieser Saison schon einen Podestplatz erreicht hat, nämlich zuletzt Rang zwei in Oberhof. Und auf Franziska Preuß, der am ehesten ein ähnlicher Erfolg zuzutrauen wäre. Die Weltmeisterschaft beginnt in vier Wochen, und traditionell geben die Rennen in Ruhpolding Hinweise auf die Form bei diesem Höhepunkt. Doch Herrmann und Preuß haben zwar Spitzenqualitäten, jedoch jeweils nur in einer der beiden Biathlon-Disziplinen.

Als Herrmann beim Sprint am Mittwoch den Schießstand zum ersten Mal verließ, stand sie bereits unter Druck. Sie ist die beste Läuferin im Feld, aber mehr als einen Schießfehler im kurzen Sprint kann auch sie sich nicht leisten. Vor allem, wenn sich die Weltspitze, in diesem Fall Eckhoff, Öberg und die Italienerin Dorothea Wierer, keine Blöße gibt. Als die ehemalige Langlaufspezialistin Herrmann dann zum Stehendschießen abbremste, die Kulisse direkt hinter sich, dachte sie einen Gedanken zu viel. "Und wenn der erste Schuss daneben geht, bringt dich das erst mal raus, und du musst dich wieder neu einstellen", sagte sie später. Sie verfehlte noch einmal das Ziel, am Ende lag sie auf Rang 19.

Teamkollegin Preuß dagegen wusste von Beginn an, dass sie hier keine Chance auf einen Podestplatz hatte. Über die Weihnachtszeit hatte sie eine alte Schwäche eingeholt, die sie schon fast überwunden glaubte: ihre Infekt-Anfälligkeit. Wieder zwang sie eine Atemwegs-Erkrankung zu einer zweiwöchigen Pause, weshalb sie dieses Ruhpoldinger Schießen als ernsthaften Test begriff, das Laufen aber nur als bessere Trainingseinheit. Im Schießen schoss und traf sie liegend und stehend derart schnell, dass der Jubelschrei, den das Publikum jedem der fünf Treffer hinterherschickte, zu einem Gesamtgebrüll verschmolz. Preuß ging beschwingt die letzte Runde an, wurde aber immer langsamer und schleppte sich schließlich - mit der Andeutung eines dynamischen Ausfallschrittes - noch über die Ziellinie.

Ein Teil dieses deutschen Frauenteams hat somit, auch dank Vanessa Hinz' guter Schießleistung, Ansätze gezeigt, auf die sich bis zum Saisonhöhepunkt weiter aufbauen lässt, doch das Grundproblem ist nicht gelöst. Der Mannschaft von Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer fehlt die zweite Hälfte. Denn außer Hinz, Preuß und Herrmann hat bisher niemand die WM-Norm erfüllt. Weshalb wie bei den Männern ein lebhafter Austausch zwischen erster und zweiter Klasse einsetzt. Eine Neujustierung, die diese Teams kurz vor der WM sonst nicht so gewohnt sind.

Bei den Männern wurden zwei, die bis vor zwei kurzem noch als Topkräfte galten, zeitweise aus dem Weltcupteam genommen: die Weltmeister Simon Schempp und Erik Lesser. Beide befinden sich in schwerer Formschwäche, Schempp wegen rätselhafter Gründe, vielleicht war es falsches Training, und Lesser unter anderem wegen alter Schmerzen. Schempp trainiert zu Hause, Lesser sucht bei Einsätzen im zweitklassigen IBU-Cup nach einer Form, die ihm vielleicht noch die Qualifikation für die WM einbringen könnte.

Und auch Franziska Hildebrand versucht sich gerade in der zweiten Biathlon-Klasse, Anna Weidel macht ebenso Weltcup-Pause. Die anderen, Maren Hammerschmidt, Karolin Horchler und Janina Hettich, konnten sich nun aber auch nicht in Szene setzen, weshalb das DSV-Team in der Staffel am Freitag im eigenen Vorgarten auf Ruhpoldinger Kunstschnee nur als Außenseiter gilt.

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Biathlon
:Herrmann sticht aus dem Nebel hervor

Denise Herrmann sprintet in Oberhof auf Platz zwei und macht den zuletzt arg gebeutelten deutschen Biathletinnen Hoffnung. War das schon der Aufschwung vor der WM?

Von Saskia Aleythe

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: