Karriereende von Erik Lesser:Tschüssikowski, erst mal

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Abschied beim traditionellen Saisonende in Oslo: Biathlet Erik Lesser. (Foto: GEPA pictures/Imago)

Erik Lesser war schon immer etwas mehr als ein erfolgreicher Biathlet. Jetzt hört er auf, setzt seine Prioritäten neu, könnte aber zurückkehren: als Bundestrainer.

Von Volker Kreisl, München

Biathlon ist ein guter Sport für Perfektionisten. Mit der Liebe zum Detail, etwa der individuellen Position der Nachladepatronen am Gewehr, lassen sich im gesamten Rennen hochgerechnet gut zehn Sekunden, also viel Zeit sparen. Biathlon-Könner wie etwa der Norweger Ole Einar Björndalen haben in ihrer Karriere immer wieder diese Abläufe verbessert und es so zu Wintersport-Ruhm gebracht. Erik Lesser war weniger detailverliebt, und auch nicht perfekt - aber trotzdem ein großer Sportler.

Nun ist er nach 15 Jahren zurückgetreten. Nach Arnd Peiffer und Simon Schempp ist er der dritte von vier zuletzt großen deutschen Biathleten, nur Benedikt Doll bleibt noch aktiv. Nach so einer Zeitspanne hinterlassen andere Winter-Cracks ellenlange Listen von Podestplätzen, Titeln und Triumphen. Lessers Vermächtnis ist in dieser Hinsicht überschaubar. Er war insgesamt zwölf Mal als Einzel-Läufer im Weltcup unter die besten Drei gekommen, zudem mit Staffeln 28 Mal. Eine seiner großen Stunden schlug 2015 in Kontiolahti/Finnland, wo er zwei WM-Titel errang, in der Verfolgung und mit der Staffel.

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Ansonsten, so erinnert sich Lesser, bekam er am Schießstand und in der Loipe auch ordentlich "auf die Fresse", etwa 2013 in Tschechien, als ihn als Staffel-Schlussläufer ausgerechnet seine Stärke, das Schießen, verließ, und er nach fünf Fehlschüssen WM-Silber verpasste, aber immerhin Bronze gewann. Tiefer war die Wunde nach dem Massenstart bei Olympia 2018 in Pyeongchang - da verpasste Lesser eine Einzelmedaille um 0,4 Sekunden. Wichtig für seinen Sport blieb er trotzdem, wegen seines Teamgeists, seiner Meinungsstärke und seiner Neugierde.

Gegen Russlands Krieg hat er sich positioniert, mit Worten und Taten

In Sotschi 2014, zum Ende der Olympischen Spiele, hängte er ohne Gewehr noch einen Extraeinsatz an und absolvierte am Schlusstag den olympischen Marathon über 50 Kilometer, Ergebnis: Platz 42 von 64 Spezialisten. Nicht nur im Sport erweiterte er seinen Horizont, sondern auch als normaler Bürger ohne Ski und Kleinkaliber-Gewehr. In den Sozialen Medien folgten ihm zuletzt rund 150.000 Interessenten; verloren hatte er allerdings einige tausend russische Follower, weil er sich gegen den Überfall auf die Ukraine positionierte und der ukrainischen Biathletin Anastasia Merkuschina und deren Landsmann, dem Tennisprofi Sergej Stachowski, seinen Account zwecks größerer Reichweite für eigene Meinungsbeiträge zur Verfügung stellte.

Noch ein Sieg zum Abschied: Erik Lesser gewinnt im März am Holmenkollen in Oslo. (Foto: Terje Bendiksby/AFP)

Und selber ließ er seinem Ärger noch zuletzt in Peking freien Lauf, bei den stimmungsfreien Spielen 2022, die in einer streng gehüteten Riesenblase stattfanden, in der Lesser nach seinem 67. Platz über 20 Kilometer befand, er beneide den daheimgebliebenen Teamkollegen Peiffer. Denn der habe, so Lesser, rechtzeitig zu erkennen gegeben: "Tschüssikowski, Peking gebe ich mir nicht mehr."

Tatsächlich - da war ihm Peiffer ein bisschen voraus, in der Frage, wie viel man sich noch gibt. Aber Lesser, seit 15 Jahren im Leistungssport, seit zwölf Jahren Biathlet, hat nun auch seine Prioritäten neu gesetzt. Im kommenden Jahr finden die Biathlon-Weltmeisterschaften in Oberhof statt, in Thüringen, in seiner Heimat! Das könnte mit etwas Glück ein rauschendes Fest mit wieder reichlich Zuschauern werden! Aber - zu Hause, das ist nicht nur Biathlon, sondern längst auch die Familie. Und weil die schon aus drei Mitgliedern besteht, hilft Lesser nun lieber ein Jahr lang im Haushalt, verbringt seine Zeit mit seiner Tochter, lernt für seinen Trainerschein, und wird, wenn alles gutgeht, vielleicht auch mal Bundestrainer.

Mit 33 Jahren ist ja ohnehin die Zeit der Erfolge vorbei und man zählt nicht mehr zu den Favoriten. Dies könnte man wohl behaupten - hätte Erik Lesser nicht soeben in Oslo, am letzten Wochenende seiner langen Karriere, in der Verfolgung einen letzten Weltcup gewonnen, immerhin: seinen dritten.

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