Biathlon:"Kopf runter, volle Attacke"

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Am Führenden vorbei: Simon Schempp hängt Martin Fourcade (links) auf der Zielgeraden ab, auch Erik Lesser (rechts) schiebt gerade noch seine Schuhspitze vor die des Franzosen. (Foto: Jens Meyer/AP)
  • Beim Heim-Weltcup in Oberhof sprintet Biathlet Simon Schempp dem zuletzt alles überragenden Martin Fourcade davon und gewinnt vor Erik Lesser.
  • Laura Dahlmeier feiert im Massenstart ein starkes Comeback.
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Von Saskia Aleythe, Oberhof

Erik Lesser und Simon Schempp blickten sich kopfschüttelnd an. Sie lächelten, Lesser keuchte noch kräftig nach diesem Massenstart in Oberhof, im Liegen hatte er gejubelt, im Liegen die Waffe von sich gestreift, bis er mit einem Urschrei wieder in den Stand fand. So erschöpfend waren diese 15 Kilometer im Nebel für ihn gewesen, so besonders und auch befriedigend. Simon Schempp hatte im Schlussspurt den bisher alles überragenden Martin Fourcade besiegt - und im Fotofinish schnappte Lesser dem Franzosen auch noch Rang zwei weg. "Hätte ich nicht gedacht, dass er sich von so einem kleinen Lesser abkochen lässt", sagte der 28-Jährige. Selbst als er noch schnaubte, konnte er schon wieder scherzen.

Dieser Sonntagnachmittag in Oberhof förderte besondere Bilder zu Tage. Ein geschlagener Fourcade hat Seltenheitswert: Schon seit Jahren dominiert er den Weltcup, von den elf Einzelrennen in diesem Winter hat er nur drei nicht gewonnen. "Er ist das Maß aller Dinge", erinnerte Schempp nach seinem ersten Weltcup-Sieg in dieser Saison, "er gibt den Takt vor und da reicht läuferisch eigentlich keiner hin." Und wie hatten ihn nun gleich zwei Deutsche schlagen können? Nach dem letzten von vier Schießen war Martin Fourcade als Erster in Richtung Ziel gestartet, an seinen Fersen klebte Schempp. "Der Windschatten vor dem letzten Anstieg hat mir geholfen", sagte der 28-Jährige, der oft im Endspurt gescheitert ist.

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Der Norweger fährt am Chuenisbärgli der Konkurrenz weit davon, Felix Neureuther wird Vierter. Mikaela Shiffrin fährt über eine Torstange. Die deutschen Kombinierer sind konkurrenzlos gut.

Natürlich half ihm auch seine Bereitschaft zum Quälen. "Am Birxsteig dachte ich: Entweder, dich zerreißt es gleich, oder du bleibst dran", erzählte Schempp. Der Anstieg ist einer der fiesesten im Weltcup, Schempp nahm die Gefahr des Zerreißens in Kauf und belohnte sich, mit 0,4 Sekunden Vorsprung kam er ins Ziel. Später jubelte er: "Das war ein großer Tag. Für die Zuschauer, für den Sport, für Oberhof." Fourcade verneigte sich anerkennend vor den Deutschen und meinte: "Die Zuschauer waren nicht glücklich, weil Erik und Simon gewonnen haben, sondern, weil beide mich geschlagen haben." Und da war auch etwas dran.

"Mir war es wichtig, gesund zu bleiben", erklärt die 23-Jährige

Erik Lesser gelang im Vergleich zu Schempp fast ein Aufholwunder. Nach dem letzten Schießen war er Fünfter, mit fast zehn Sekunden Rückstand auf die Spitze. An einen Podiumsplatz hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht geglaubt. Sein Motto für die folgenden 2,2 Kilometer: "Kopf runter, volle Attacke." Lesser weiß um seine Stärken, das Laufen gehört nicht dazu: Er ist darauf angewiesen, dass die anderen Fehler machen. Fourcade tat das an diesem Tag; dass er sich zwei Schießfehler leistete, ermöglichte den Deutschen (jeweils ein Fehler) ja erst ihren Doppelerfolg, den es seit 2007 nicht mehr gegeben hatte. "Ich habe gegen meinen Körper gekämpft, gegen den Schmerz", berichtete Lesser, der schon lange einen Ruf als Kampfschwein hat.

Auf den letzten Kilometern war der Verfolgungsweltmeister von 2015 erst am einbrechenden Franzosen Beatrix Jean Guillaume vorbeigesaust und dann, auf der Zielgeraden, lief da plötzlich Fourcade neben ihm. Der Weltcup-Führende schaute sich um, einmal, zweimal - da kam tatsächlich dieser Erik Lesser. "Das hat mich überrascht", gab Fourcade später zu, und Lesser befand: "Ich hab einfach davon profitiert, dass Fourcade innerlich abgeschlossen hatte mit dem Wettkampf. Er hat tatsächlich ein wenig verdutzt geguckt und nicht ganz so durchgezogen, wie ich das erwartet hätte." Überrumpeln durch Anwesenheit, das ist auch mal eine Strategie.

Es waren erfolgreiche Tage für die deutschen Männer in Oberhof: Zweimal lief Lesser zuvor auf Rang fünf, Arnd Peiffer, der wie er in Oberhof trainiert, schaffte es in der Verfolgung auf Rang zwei - hinter Fourcade. Mit Blick auf die WM sagte Simon Schempp: "Das gibt Selbstvertrauen für Staffelwettkämpfe. Da sind wir immer gut fürs Podium." Auch Benedikt Doll hatte mit Rang sechs im Massenstart ein lang ersehntes Erfolgserlebnis.

Damit sind die deutschen Frauen hingegen ganz gut versorgt, was vor allem an Laura Dahlmeier liegt. Die Veranstalter hatten sie aufs Programmheft gepackt, selbstverständlich, doch dann entschloss sich die 23-Jährige ausgerechnet für die ersten Tage in Oberhof zu einer Pause. Dahlmeier hat sich selber ganz gut kennengelernt als Biathletin in den vergangenen Jahren. "Mir war es wichtig, gesund zu bleiben in dieser Saison", erklärte sie, "ich war einfach richtig platt nach den ersten drei Weltcups."

Der Trainerstab unterstützte sie in ihrem Vorhaben, Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig sagte: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ihr eine Pause ganz gut tut." Das gelbe Leibchen der Gesamtführenden ging nun an Gabriela Koukalova aus Tschechien, die sich mit zwei Siegen und einem zweiten Platz in der Verfolgung an die Spitze setzte. Den Verlust des Hemdchens verkraftet Dahlmeier ganz gut. "Sie kann das gelbe Trikot gerne mal ausführen", sagte sie; die WM habe jetzt erst mal Vorrang, "die Saison ist noch lang".

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Beim Massenstart am Sonntag trat Dahlmeier wieder an und wurde mit nur einem Schießfehler gleich wieder Zweite. "Ich bin glücklich, ich wusste nicht ganz, wo ich stehe", sagte sie. In einem guten Team, wie sich zeigte. Insgesamt vier Top-Ten-Plätze belegten ihre Kolleginnen Maren Hammerschmidt, Vanessa Hinz und Franziska Hildebrand in Oberhof. Für die Stimmung beim Weltcup in Ruhpolding in dieser Woche ist das sicher nicht abträglich.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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