Bernd Hollerbach:Im Arbeitsmodus

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Der ehemalige Hamburger Bundesliga-Coach trainiert mittlerweile den belgischen Erstligisten Royal Excel Mouscron. Ein Treffen mit einem, der zeigen will, dass er es noch kann.

Von Sebastian Leisgang

Um zu begreifen, wie Bernd Hollerbach momentan drauf ist, genügt schon ein kurzer Auszug aus dem Gespräch, geführt im Stade Le Canonnier, der Spielstätte des belgischen Erstligisten Royal Excel Mouscron, mehr als 600 Kilometer entfernt von Hollerbachs Heimat Würzburg. Also: Können Sie vielleicht noch über das Gelände führen? Gibt es etwas Sehenswertes? Vielleicht ein Vereinsmuseum? Hollerbach, 49, sitzt in seinem Büro am Schreibtisch und wirft einen Blick aus dem Fenster, das die Sicht auf den Rasen des Stadions freigibt, sein Arbeitszimmer ist integriert in eine der Tribünen. "Da ist das Stadion", sagt Hollerbach, "das haben Sie ja schon gesehen." Und da, auf der anderen Seite, meint er, hebt den Arm und deutet zur Tür, da seien die Trainingsplätze. Dann sagt er: "Entscheidend ist auf'm Platz. Das wissen Sie doch."

Hollerbach ist im Arbeitsmodus. Wobei man dazusagen muss: Er ist es wieder. Das zeigen diese Aussagen, das zeigt seine Kleidung: graues Trainingsshirt, graue Hose, Stutzen. Mehr als ein Jahr lang, seit seiner Beurlaubung beim Hamburger SV, hatte er Freizeit. Er schaute sich Spiele in der Schweiz, in Holland, Belgien und England an, er spielte Golf, er verbrachte Zeit mit seinen Kindern. Jetzt aber sitzt er in diesem spartanischen Trainerbüro und sprüht vor Tatendrang, das merkt man.

Sein Gesicht hat nichts mehr von alledem, was zu erkennen ist, wenn man sich noch mal die alten Bilder aus seiner Zeit beim HSV anschaut. Auf denen, die ihn vor einem Spiel zeigen, lächelt er meistens, allerdings eher zweckoptimistisch als aufrichtig vorfreudig. Auf denen, die ihn während eines Spiels zeigen, sieht er angestrengt aus. Er fuchtelt dann an der Seitenlinie herum, er tut und macht, aber sein Blick verrät, dass er schon in diesem Augenblick ahnt, dass es doch nichts bringt - dass das Spiel verloren geht. Auf den Bildern, die ihn nach einem Spiel zeigen, schlurft er meistens mit hängenden Schultern über den Rasen, er sieht dann ziemlich mitgenommen aus, er hat jetzt die Gewissheit, dass alles tatsächlich nichts gebracht hat.

Wenn Hollerbach nun in seinem Büro in Mouscron sagt, er freue sich auf jedes einzelne Spiel, das ihm mit seiner Mannschaft bevorsteht, dann nimmt man ihm das wieder ab. Er klingt wahrhaftig vorfreudig. Hollerbach hält sich nicht mehr auf mit dem, was war - er widmet sich dem, was kommt. Und doch ist er in Belgien auf einer Mission, die auf das zurückgeht, was war. Hollerbach würde das niemals so sagen, aber es geht jetzt in Mouscron auch darum, zu zeigen, dass er es noch kann. Hier in diesem Büro - und draußen auf'm Platz, dort, wo es entscheidend ist. Etwa an diesem Sonntag (18 Uhr) gegen Anderlecht, im ersten Heimspiel der Saison. Oder in St. Truiden, wo Mouscron zum Auftakt vor einer Woche 1:0 gewonnen hat. Für Hollerbach war es der erste Sieg seit Dezember 2016, seit einem 3:0-Triumph mit dem damaligen Zweitligisten Würzburger Kickers gegen den VfB Stuttgart. In der Rückrunde blieben die Kickers dann sieglos und stiegen ab, Hollerbach ging. Im Januar 2018 sprang er schließlich beim HSV ein, blieb in sieben Spielen aber erneut erfolglos, wurde beurlaubt und galt endgültig als gescheitert.

Hat all das dafür gesorgt, dass er einfach mal raus musste? Auf und davon, Hauptsache weg? Letzte Ausfahrt Belgien?

Hollerbach könnte jetzt verlegen lächeln, um den Augenblick zu überspielen, doch Hollerbach lächelt nicht. Er sagt: Der Abstieg mit den Kickers, der unerfüllte Rettungsauftrag beim HSV, das habe nichts damit zu tun, dass er jetzt in Belgien sei: "Das Ausland hat mich schon immer gereizt, als Spieler hat es sich aber leider nicht ergeben." Und ohnehin: Mouscron biete ihm die Möglichkeit, "etwas aufzubauen", und das ist es ja, was ihm liegt: die Fäden in der Hand zu halten, sein Ding zu machen, eine Mannschaft nach seinen Vorstellungen zu erschaffen und sie zum Erfolg zu führen.

Mouscron hatte zuletzt für einige Schlagzeilen abseits des Platzes gesorgt

In Mouscron hat Hollerbach diese Freiheit. Wenn man durch die Straßen der 58 000-Einwohner-Stadt in Wallonien fährt, wenn man die Häuser und die Landschaft sieht, spürt man: Es ist ruhig hier, ein Umfeld, in dem es sich gut arbeiten lässt. Hier kann Hollerbach sein Ding machen. Deshalb ist er hier, in diesem Büro mit Blick ins Stade Le Canonnier, bei diesem Klub, bei dem es bisweilen deutlich turbulenter zugeht als in seiner Stadt.

In der jüngeren Vergangenheit hat Royal Excel Mouscron für so manche Schlagzeile abseits des Platzes gesorgt. Im November 2018 stand der Verein etwa im Verdacht, beim Verband gefälschte Unterlagen eingereicht zu haben, um die Lizenz zu erhalten. Es hieß auch, die Verantwortlichen würden entgegen den Regularien mit dem Spielervermittler Pini Zahavi zusammenarbeiten, der den Klub bereits 2015 kaufte, sich Anfang 2016 offiziell aber schon wieder verabschiedete.

Zahavi, sagt Hollerbach, spiele "keine Rolle" in Mouscron: "Ich habe ihn weder kennengelernt noch war er in den Gesprächen ein Thema." Er, Hollerbach, habe sich vor seinem Einstieg lediglich "mit dem CEO und dem thailändischen Besitzer ausgetauscht", also mit dem früheren belgischen Schiedsrichter Paul Allaerts und dem Geschäftsmann Pairoj Piempongsant, der auch die irische Firma Bogo Limited führt.

Es gab immer wieder unruhige Zeiten in Mouscron. Zeiten mit finanziellen Engpässen, Zeiten, in denen nicht mal klar war, wie lange der Klub noch existieren würde. In Tagen wie diesen sehnen sich die Leute nach einem, der Halt gibt, der anpackt. Nach einem wie Hollerbach, der im Arbeitsmodus ist.

© SZ vom 04.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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