Bernd Hollerbach:Fahrradfahren an der Frankenwarte

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All die Jahre hat sich der Ex-Trainer der Würzburger Kickers in erster Linie über die Arbeit definiert. Was macht die Corona-Krise mit einem, der sonst kaum einmal zur Ruhe kommt?

Von Sebastian Leisgang

Dass dieser Tage kaum etwas so ist, wie es noch vor einigen Wochen war, das sieht man auch an den Radwegen im Südwesten Würzburgs, nahe der Frankenwarte. Hier, in dieser Gegend, in der vornehmlich die betuchten Leute zu Hause sind, hier ist Bernd Hollerbach momentan häufig unterwegs. "Die Fahrradtouren", sagt er, "haben eine ganz neue Qualität bekommen." In seinem Alltag als Fußballtrainer arbeite er ja Tag für Tag an der frischen Luft, "die hole ich mir jetzt eben auf dem Rad".

Wenn Hollerbach, 50, über seine Freizeit spricht, dann redet er leise, bedächtig. Er, der in den vergangenen Jahren nie müde geworden ist, Fleiß und harte Arbeit zu predigen, spricht dieser Tage über andere Themen als über Fußball, über das Training unter der Woche und über den nächsten Gegner am Samstag. Hollerbach spricht jetzt über seine schwere Lungenentzündung im Dezember, die ihn wochenlang außer Gefecht gesetzt hat. Und über die Corona-Krise, die natürlich auch Würzburg, seine Heimat, verändert hat.

Was macht diese Pandemie mit einem rastlosen Menschen wie ihm? Mit einem, der sich in erster Linie über die Arbeit definiert und nur selten zur Ruhe kommt?

Die Frage ist: Wird aus seinem Heimaturlaub eine dauerhafte Rückkehr zu den Kickers?

Um das zu begreifen, hilft es, sich an einen Tag im Juli des letzten Jahres zu erinnern. Hollerbach saß in Mouscron am Schreibtisch seines Büros, graues Trainingsshirt, graue Hose, Stutzen. Mehr als eine halbe Stunde lang hatte er über seine ersten Wochen in Belgien gesprochen, über den Hamburger SV, über die Würzburger Kickers. Ob er zum Abschluss des Termins, vor der rund 600 Kilometer weiten Rückfahrt, vielleicht noch etwas zu zeigen habe? Irgendwas Sehenswertes? Vielleicht ein Vereinsmuseum?

Hollerbach verstand nicht so recht. Er blickte demonstrativ aus dem Fenster seines Büros, das in eine Tribüne des Mouscroner Stadions integriert ist, dann sagte er: "Da ist das Stadion, das haben Sie ja schon gesehen." Hollerbach hob den Arm und deutete auf die andere Seite, zur Tür. Dort seien die Trainingsplätze: "Entscheidend ist auf'm Platz. Das wissen Sie doch."

Ohne Fleiß, kein Preis. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Das ist Hollerbach. Auch jetzt, neun Monate später. Er sagt immer noch, er arbeite sehr gerne, der Fußball fehle ihm, und, bezogen auf den angekündigten Saisonabbruch in Belgien: "Der Trainer Hollerbach hätte gerne weiter an der Seitenlinie gestanden." Aber: Seine schwere Lungenentzündung hat ihn durchaus dazu gebracht, die Gesundheit und Zeit mit der Familie "noch viel stärker zu schätzen", wie er sagt.

Ausflüge mit dem Fahrrad, Hausaufgaben mit den Kindern, ein Buch lesen: Auch damit verbringt er jetzt seinen Tag. Hollerbach hat eine innere Ruhe gefunden, natürlich bedingt durch die äußeren Umstände, die Corona-Krise, aber er, der dieses Höher-Schneller-Weiter stets gelebt hat, er ist jetzt zur Ruhe gekommen. Gerade jetzt, da es bei seinem Klub mal wieder hoch hergeht.

Der Verband hat Mouscron die Lizenz verweigert. Zumindest im ersten Schritt. Pairoj Piempongsant, der Hauptanteilseigner, hatte zuletzt, so sagt er es, aussichtsreiche Gespräche mit diversen Partnern geführt, doch die Corona-Krise habe einen Abschluss verhindert. So konnte der Klub die Lizenzbedingungen nicht erfüllen. Wie so oft in den vergangenen Jahren.

Da er weder Jurist noch für die kaufmännischen Belange zuständig sei, könne er nicht einordnen, ob Mouscron die Lizenz nachträglich noch bekomme, meint Hollerbach. Nur so viel: "Dieses Jahr wird man sicherlich in vielen Ländern mit dem Thema Lizensierung anders umgehen müssen als in einer normalen Saison."

Sein Vertrag in Belgien endet erst in gut einem Jahr. Darauf verweist Hollerbach, wenn man ihn danach fragt, was denn dran sei an den Stimmen, dass aus seinem Heimaturlaub eine dauerhafte Rückkehr werden könne, dass er also bald wieder für die Kickers arbeite. Die Verantwortlichen des Klubs zögern schließlich seit Monaten, Trainer Michael Schiele ein finales Ja-Wort zu geben und seinen Vertrag zu verlängern. "Die Kickers", sagt Hollerbach also, "werden mir immer am Herzen liegen. Egal, wo ich gerade bin und was ich künftig mache." Als Zuschauer komme er gerne an den Dallenberg zurück, sobald da wieder vor Publikum gespielt werden könne. Aber in verantwortlicher Position? Diese Frage stelle sich nicht. Trotz des Engagements seines langjährigen Weggefährten Felix Magath, der seit Januar bei einem Investor der Kickers angestellt ist.

Magaths Einstieg sei sehr positiv für Würzburg, sagt Hollerbach. Felix kenne den Weg nach oben, er selbst habe seine Erfolgsgeschichte in Würzburg aber schon geschrieben.

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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