Beachvolleyball:Auf Sand gebaut

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Gesichter der Enttäuschung: Nils Ehlers und Clemens Wickler nach ihrem Aus im ersten Hauptrundenspiel gegen Polen. (Foto: Peter Weber/Beautiful Sports/Imago)

Die deutschen Beachvolleyballer reisen früh von der Weltmeisterschaft in Rom ab. Die Krise hat vor allem strukturelle Gründe und liegt auch an einem Verband, der den Hype nach den Olympiasiegen 2012 und 2016 verschlafen hat.

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Wer in den Achtzigerjahren dieses analoge Fernsehen geschaut hat, der kam an einem lustig-hölzernen Werbespot kaum vorbei: Schicke Businessfrau fliegt im Privatjet um die Welt und zeigt bei Abflug und Ankunft immer ihre phänomenal sitzende Frisur. Dazu aus dem Off: "Hamburg, 8.30 Uhr, wieder mal Regen. Perfekter Halt fürs Haar - Drei Wetter Taft. Weiterflug nach Rom, die Sonne brennt. Perfekter Schutz - Drei Wetter Taft."

Übertragen auf die fünf deutschen Beachvolleyball-Duos, die gerade in Rom, wo die Sonne wieder sehr brennt, an der Weltmeisterschaft teilnehmen, kann man nach schwarzen Tagen sagen: Bis auf das Duo Svenja Müller und Cinja Tillmann, die im Viertelfinale stehen, kommen sie ziemlich zerzaust zurück an ihren Bundesstützpunkt nach Hamburg. Vor allem die Männer, die ohnehin nur mit Clemens Wickler und Nils Ehlers vertreten waren. Das hat individuelle und vor allem strukturelle Gründe.

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Es gab mal eine goldene Zeit im deutschen Männer-Beachvolleyball, begründet nach der Bronzemedaille von Jörg Ahmann und Axel Hager von Sydney 2000, vor allem durch den Olympiasieg, den Julius Brink und Jonas Reckermann 2012 in London feierten. Der oft belächelte Sport hatte höchste Einschaltquoten bei den damaligen Spielen, Brink und Reckermann bekamen den "Bambi", der gleiche Erfolg gelang Laura Ludwig und Kira Walkenhorst vier Jahre später in Rio. Auch sie wurden auf Händen durch die Medienlandschaft und Preisverleihungen getragen. Und der Deutsche Volleyball-Verband (DVV)? Wusste, gefangen in seinen verkrusteten Hallenstrukturen, vor Ahmann/Hagers Bronze nicht mal, was Beachvolleyball ist, zeigte danach zartes Interesse an diesem für ihn so fremden Terrain - und verpasste es, vor allem nach 2012 bei den Männern wie 2016 bei den Frauen, strukturell zu investieren.

Die besten deutschen Männer sind gerade Weltranglisten-27.

Der nach Rio neu geschaffene, zentralisierte Stützpunkt in Hamburg zeichnete sich eher dadurch aus, dass viele Athleten nicht dorthin wollten, weil sie sich einem vom DVV nach Gutsherrenart durchgeführten Zwangsumzug verweigerten. Konzepte für den jüngeren Nachwuchs fehlten fast gänzlich. Vielversprechende TV-Kooperationen, wie mit Sky, der deutschen Serie (die immerhin mal die tollste in Europa war) und dessen Höhepunkt, der DM in Timmendorfer Strand, liefen aus. Inzwischen ist diese deutsche Serie, die das Sprungbrett für junge deutsche Talente sein soll, ein Schatten ihrer selbst. Im April stand sie gar kurz vor dem Ende, weil die Verbands-Vermarktungstochter insolvent ging. Das alles wirft auch kein gutes Licht auf die DVV-Spitze um den früheren Hallen-Nationalspieler René Hecht, dem auch intern immer mehr Wind entgegenbläst.

Dass im vergangenen Herbst auch noch Julius Thole zurücktrat, Wicklers Partner und einer der wenigen Blocker, die in den vergangenen Jahren übers Verbandssystem entwickelt wurden, passt ins Bild. Auch wenn Thole Studiengründe angab - mit 24 Jahren und nicht weit entfernt von Paris 2024 sollte, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, keiner aufhören, der 2019 noch mit Wickler WM-Zweiter geworden und auch ein smartes Werbegesicht für den DVV war.

So ist Ehlers nun der einzige starke Blocker mit WM-Niveau, den der DVV gerade hat - der aber noch nicht mit Wickler harmoniert. Wie auch? Ein Team zu formen, nimmt Jahre in Anspruch. Das Duo ist derzeit Weltranglisten-27., direkt dahinter liegen immerhin die Talente Lukas Pfretzschner/Robin Sowa. Und sonst? Gähnende Leere. Die Aussichten bei den Frauen sind trotz mancher WM-Enttäuschung vielversprechender, auch Laura Ludwig, die Über-Mutter im Sand, die vor einem Monat ihr zweites Kind bekommen hat, könnte zurückkommen. Das neu formierte Duo Tillmann/Müller ist gar Weltranglisten-Dritter. Tillmann hat übrigens über Jahre gegen den Verband geklagt, weil sie sich bei der Nominierung für internationale Turniere ungerecht behandelt fühlte - am Ende ohne Erfolg.

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