Beachvolleyball:Mit Köpfchen und Wespenstich

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Ball und Weltspitze im Blick: Clemens Wickler (l.) und Julius Thole überzeugen bei der World Tour in Hamburg. (Foto: Georg Wendt/dpa)

Julius Thole und Clemens Wickler verkörpern die neuen Hoffnungen der deutschen Beachvolleyball-Männer.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Wer sonst am gediegenen Hamburger Rothenbaum die eher gedämpfte Tennis-Atmosphäre gewohnt ist, wird sich am Wochenende die Ohren zugehalten haben. Immer wieder wurden die 8000 Zuschauer auf dem bis auf den letzten Platz gefüllten Centre Court auf Englisch aufgefordert, noch mehr Stimmung zu entfachen. "Make some noise!!!", stand dann auf einer Stadiontafel, oder: "Let's get loud!" Dabei waren die amerikanische Event-Appelle zumindest dann nicht nötig, wenn die Hamburger Gastgeber Julius Thole und Clemens Wickler auf dem sandigen Untergrund standen, bei den Finals der Beachvolleyball World Tour, die der Vorlauf war für die im kommenden Jahr hier stattfindende Weltmeisterschaft.

Der 2,06 große, hanseatische Jura-Student und Blockspieler Thole, 21, sowie der in Starnberg geborene BWL-Student und Annahmespezialist Wickler, 23, der mickrige 1,91 Meter misst, hatten so einen Lärm bei ihren Spielen noch nie gehört. Dabei vereinen sie immerhin die Hoffnung der deutschen Szene auf sich. Bisher ist es bei den Männern ja nicht gelungen, nach dem Karriereende von Jonas Reckermann und Julius Brink, den Olympiasiegern von 2012, ein Duo von ähnlicher Qualität aufzubauen. Thole/Wickler, die in Hamburg nur mit einer Wildcard teilnehmen durften, haben die internationale Konkurrenz nun zumindest mal überrascht. Erst im Halbfinale scheiterten sie an den norwegischen Weltranglisten-Ersten Anders Mol und Christian Sörum (die das Turnier auch gewannen), 16:21, 21:16, 9:15. Julius Brink, wie der frühere Europameister Markus Dieckmann ein Mentor des Duos, glaubt sogar: "Die beiden können zum neuen Flaggschiff der deutschen Männer-Beachvolleyball-Szene werden."

Dass sie es nicht ins Finale schafften, daran hatte womöglich auch eine Wespe Schuld. Die stach Thole beim Stand von 4:5 im dritten Satz in den rechten Arm. So etwas kann schlimme Folgen haben, Übelkeit, Kopfschmerzen, Atemnot. Doch nachdem Thole in der Auszeit ein Gegenmittel verabreicht und die Stelle gekühlt worden war, ging es weiter. "Ja, ja, die Wespe war schuld", flachste Thole, um dann einzuräumen, dass man eher an der taktischen Umstellung der Norweger als an seinem Missgeschick gescheitert sei. Der Gegner hatte plötzlich diagonal geblockt. Zudem kamen die Deutschen mit der Mischung aus kurzen Schmetterbällen und überlegten Lobs nicht gut klar. Gleichwohl sei es das bisher "geilste Turnier meines Lebens gewesen", fand Clemens Wickler, das war auch ein Gruß an das leidenschaftliche Publikum.

Das Paar des Eimsbütteler TV, das erst seit Januar zusammenspielt, verfügt über einige Qualitäten, die international noch eine Menge erwarten lassen. So sieht es auch der deutsche Verband, der sie zum deutschen Nationalteam ernannte. Seitdem trainieren beide am Olympia-Stützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein. Besonders die Willensstärke ist offenkundig eine ihrer Schlüsselqualifikationen. Den Willen habe man besonders beim 2:1 im Viertelfinale gegen die Letten Plavins/Tocs gebraucht, sagte Wickler. Der Gegner war die Nummer acht der Welt, die Deutschen sind noch auf Rang 26 geführt. Die nächste Rangliste wird sie erstmals unter den Top 20 ausweisen und damit, so Thole, als "erweiterte Weltspitze".

Dass Wickler, der U19-Weltmeister von 2013 sowie U20-Europameister von 2014, und Thole, U18-Europameister von 2014, gute Chancen auf eine weitere Beförderung haben, liegt auch an ihrer Betreuung. So werden sie von Anett Szigeti begleitet, der Psychologin des Olympia-Stützpunktes. Die hat schon den Olympiasiegerinnen Kira Walkenhorst und Laura Ludwig oft entscheidende Verhaltenstipps verschafft. Auch Thole/Wickler profitieren bereits, bei der Kommunikation im Team und der Konzentration im Match etwa. Julius Brink und Markus Dieckmann fungieren zudem als Technik-Trainer. Der medizinische Beistand sei zudem auf höchstem Niveau, berichtete Thole: Vor dem Halbfinale, habe die Physiotherapeutin bis halb zwei nachts im Hotel ihre Arbeit verrichtet.

35 000 Dollar haben die beiden in Hamburg als Preisgeld erhalten, so viel wie davor insgesamt in ihrer Karriere. Der NDR hat sie ins Studio eingeladen, doch Thole verwies erst mal auf seinen Manager. Er weiß, dass die beiden im kommenden Jahr noch etwas Arbeit vor sich haben. Man müsse "im Kraftbereich drauflegen", sagte Thole, "ein paar Muskeln könnte ich schon gebrauchen". Auch technisch müsse man sich weiter verbessern, um bei der Olympiaqualifikation eine Chance zu haben. Das sah man in Hamburg auch im Spiel um Platz drei, das für die ermatteten Gastgeber gegen die Polen Piotr Kantor und Bartosz Losiak knapp verloren ging, 21:19, 15:21, 13:15.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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