Bechvolleyball:Im Sand angezündet

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Das Ziel von Marie Schieder (re.) und Melanie Paul sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles. (Foto: Christian Einecke/Imago)

Marie Schieder gewinnt mit ihrer Partnerin Melanie Paul in ihrer Heimatstadt München ihr erstes Turnier der German Beach Tour. Nicht nur Erfolgstrainer Hans Voigt, der schon Ludwig/Walkenhorst zu Olympia-Gold führte, hält große Stücke auf sein neues Duo.

Von Christian Bernhard

Vor wenigen Wochen musste Marie Schieder ein Gespräch über sich ergehen lassen, das alles andere als erfreulich war. Ihre Trainer machten der Beachvolleyballerin nach ihrem Auftritt bei der German Beach Tour in Bremen im Mai deutlich, dass es so nicht weitergehe. "Das war ein Tiefpunkt in ihrer Entwicklung", erzählt Klaus-Martin Stuhlmann, einer ihrer Trainer, "das haben wir ihr knallhart aufgezeigt und da musste sie schwer schlucken."

Stuhlmann erzählt diese Geschichte gut gelaunt, denn obwohl seitdem nur zwei Monate vergangen sind, hat sich bei der 22-Jährigen vieles verändert - und zwar zum Guten. "Seitdem ist sie nicht mehr wiederzuerkennen", freut sich Stuhlmann, mental habe die Münchnerin "ganz kurzfristig eine immense Entwicklung gemacht". Schieder steuere seitdem ihren Emotionen auf dem Platz besser. Die "brave, gut erzogene junge Frau" musste erst lernen, auf dem Feld aus sich rauszugehen, erklärt er. "Das Thema Spielaggressivität haben wir jetzt angezündet und das tut ihrem Spiel sehr gut."

Ihre jüngsten Ergebnisse belegen diese These: Zusammen mit ihrer Partnerin Melanie Paul gewann Schieder nicht nur Mitte Juli den ersten von zwei German-Beach-Tour-Stopps in München, sondern kurz davor auch ein internationales Pro Tour Future-Turnier im französischen Lille. "Damit haben wir nicht gerechnet, das war ultrageil", frohlockt sie, das unangenehme Gespräch von Bremen ist ganz weit weg.

Offenheit ist die Grundlage für Erfolg, man muss sagen, was einen am Partner stört

Schieder sitzt auf einer Bierbank hinter dem Center Court auf der Münchner ZHS-Beachanlage und strahlt. Die Erfolge der vergangenen Wochen führt sie auch darauf zurück, dass Paul und sie "nicht viel Zeit hatten, um nachzudenken". Die beiden stehen erst seit knapp zwei Monaten zusammen auf dem Feld, in Bremen hatte Schieder noch mit einer anderen Partnerin gespielt. Trotz der kurzen gemeinsamen Zeit wirkt es so, als hätten sie sich gesucht und gefunden. Paul, 22, ist die Abwehrspezialistin, die 1,90 Meter große Schieder liebt das Blocken, ihr Hoheitsgebiet ist das Netz. "Ich vertraue ihr zu 100 Prozent", sagt Schieder über Paul.

Die beiden haben sich versprochen, alles, was sie am anderen stört, offen anzusprechen. Nur so könne man erfolgreich sein, "wir führen ja eine Art Beziehung", erklärt Schieder. Und die ist vielversprechend. Ihr großes Ziel sind die Olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles, das teilt auch der Trainer: "Wir wollen sie mittelfristig entwickeln", betont Stuhlmann und erklärt, dass Beachvolleyballerinnen in der Regel erst mit Ende 20, Anfang 30 ihren Leistungszenit erreichen.

So sehen Sieger aus: Marie Schieder (rechts) und Melanie Paul nach ihrem Sieg in München. (Foto: Justus Stegemann/Imago)

Schieder ist seit Januar Sportsoldatin bei der Bundeswehr und trainiert in Witten, unweit von Bochum, nicht nur mit Stuhlmann, sondern auch mit Hans Voigt - einem der deutschen Beachvolleyballtrainer schlechthin. Voigt hat Julius Brink und Jonas Reckermann sowie das Frauen-Duo Laura Ludwig und Kira Walkenhorst zu olympischem Gold geführt, Walkenhorst nannte ihn liebevoll "unseren Guru". Schieder sagt: "Es ist eine Ehre, mit ihm zusammenzuarbeiten. So eine Chance lässt man sich nicht entgehen." Sie schwärmt von Voigts Auge für Bewegungsabläufe und seinem trainingswissenschaftlichen Fachverstand - und von der Kombination Voigt und Stuhlmann. "Der Trainingswissenschaftler und der Pädagoge, sagen wir immer", sie lächelt. Dass die beiden auch viel einfordern, stört Schieder nicht. "Wir sind immer noch im Leistungssport, da werden keine halben Sachen gemacht. Da muss man auch mal mit einem härteren Ton klarkommen."

Stuhlmann schätzt an Schieder, dass sie sehr aufnahmefähig sei: "Sie setzt Dinge gut um, da unterscheidet sie sich von vielen anderen." Aufgrund ihrer Größe von 1,90 Metern ist die athletische Trainingsarbeit bei ihr besonders wichtig, da sie längere Hebel hat und deshalb ein größeres Augenmerk auf Athletik, Beweglichkeit und Schnelligkeit legen muss. "Das war ihre größte Baustelle", sagt Stuhlmann.

Fußball war nichts für Marie Schieder, bei Spielen pflückte sie lieber Gänseblümchen auf dem Rasen

Das weiß auch Schieder. "Ich habe leider nicht die guten Gene meines Vaters abgegriffen, der Krafttrainingsverbot hatte, weil er so breit war", erzählt sie lachend. Ihr Vater Christoph war in den 1980er Jahren Volleyball-Nationalspieler und da auch ihre Mutter Volleyball spielte, "kam ich nicht dran vorbei", beschreibt sie ihre Anfänge. Im Turnen und Fußball probierte sie sich auch, doch fürs Kunstturnen wurde sie schnell zu groß und Fußball reizte sie nicht wirklich: "Ich habe während der Spiele oft Gänseblümchen auf dem Rasen gepflückt", erzählt sie lächelnd.

Mit zehn Jahren kam sie zum SV Lohhof, wo auch ihre ältere Schwester Theresa spielte. Sie durchlief alle Jugendmannschaften und wurde mit 14 erstmals in die Jugend-Nationalmannschaft berufen. Mit 15 zog sie nach Berlin, um im Internat des Sportforums Hohenschönhausen Schule und Sport bestmöglich miteinander zu verknüpfen. Es sei "schon hart" gewesen zu Beginn, so allein und 600 Kilometer von ihrer Familie entfernt, sie hatte oft Heimweh. Doch sie lebte sich bald ein und nahm das Leben dann mit all ihren Teamkolleginnen, die im selben Gang des Internats wohnten, wie eine "Pyjama-Party, die nie endet" wahr.

Nach dem Abitur und einem Jahr Corona-Pandemie hing sie etwas in der Luft. Schieder wusste nicht so recht, wie es weitergehen sollte - und kehrte nach München zurück. Stuhlmann hatte sie da bereits im Blick, er hatte das Gefühl, sie sei "ein bisschen verloren". Zuhause begann sie ein Sprachtherapie-Studium, trainierte mit einer privaten Trainingsgruppe und entschied, sich voll dem Beachvolleyball zu widmen. Als sich dann die Türen zur Bundeswehr und nach Witten auftaten, war ihre Entscheidung eine leichte. Jetzt fühlt sie sich nicht mehr verloren, sondern genau am richtigen Platz.

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