Pokalspiel gegen FC Bayern:"Sie sollen nicht nur Boateng anhimmeln!"

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Der Nebenbei-Trainer: Michael Wittwer (Foto: dpa)
  • Der Oberligist FC Nöttingen will im DFB-Pokal gegen den FC Bayern nicht nur Trikots tauschen.
  • Trainer Michael Wittwer schickte seinen Sohn zum Spionieren, seinen Spielern bringt er bei, mutig zu sein.
  • Zu den Ergebnissen und dem Spielplan des DFB-Pokals geht es hier.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Michael Wittwer ist in Dietlingen, einem Ortsteil der Gemeinde Keltern, geboren, lange hat im badischen Landkreis Enzkreis gelebt. Irgendwann ist Wittwer dann den Verlockungen der großen, weiten Fußballwelt erlegen, 1987 wechselte der damals 20-Jährige ins 25 Kilometer entfernte Karlsruhe. Dort spielte er 13 Jahre lang als Libero. Er war vielleicht nicht der Schnellste, aber er war zäh, und er hatte einen der schönsten Schnauzbärte der Bundesliga. Seine Karriere beendete er in Nöttingen, fünf Kilometer von seinem Geburtsort entfernt. Seit fünf Jahren trainiert er den Verein. Wittwer hat die Gegend, wo sich Nordschwarzwald, Kraichgau, Stromberg und Heckengäu treffen, also nie verlassen, er weiß daher genau, was auf die Region am Sonntag zukommt. "Den Sonntag", sagt Wittwer, "den müssen wir genießen."

Am Sonntag werden sie aus dem 2500-Einwohner-Dorf Nöttingen und aus der gesamten 11 600-Einwohner-Gemeinde Remchingen nach Karlsruhe fahren, dort trifft am Nachmittag (16 Uhr) der FC Nöttingen in der ersten Runde des DFB-Pokals auf den FC Bayern, auf den Verein, der eine halbe Milliarde Euro an Umsatz hatte. "Größer kann es nicht kommen", sagt Wittwer.

Seit der Auslosung ist Nöttingen ein Dorf im Ausnahmezustand, der Trainer war seitdem eher nebenbei noch Trainer. Ansonsten ließ er Eintrittskarten drucken, vergab die Parkscheine, ließ Fanartikel erstellen. Sein Sohn, der gerade Schulferien hat, hilft ihm, ein paar andere Vereinsmitglieder haben sich eine Woche frei genommen. "Zum Glück konnten wir uns in den vergangenen Jahren auf das Ereignis vorbereiten", sagt Wittwer.

Die erste Runde im DFB-Pokal ist ja auch immer eine Gelegenheit für die kleineren Vereine der Republik, auf sich aufmerksam zu machen. Unter diesen kleinen Vereinen, darauf ist Wittwer stolz, gehört Nöttingen inzwischen zu den größeren. Sechsmal in Serie stand die Mannschaft zuletzt im Finale des Verbandspokals, der Trainer hat bundesweit keinen anderen Verein gefunden, dem das gelungen ist; dreimal gewann Nöttingen auch den Verbandswettbewerb und qualifizierte sich für den DFB-Pokal. Im August 2012 verlor der FC 1:6 gegen Hannover, ein Jahr später war für die Mannschaft bis in der Nachspielzeit die Sensation möglich - dann erzielte Leon Goretzka das 2:o für Schalke 04. Vor dem Spiel gegen den FC Bayern geben sie daher als Motto aus: "Aller guten Dinge sind drei" - aber ganz ernst meinen sie das nicht. "Bayern ist Schalke mal 20", sagt Geschäftsführer Dirk Steidl. "Wir wollen ein guter Gastgeber sein - ohne als Kanonenfutter zu enden", sagt Peter Vetter, der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Er wäre daher mit einem 1:5 oder einem 1:6 zufrieden, "Hauptsache, wir schießen ein Tor".

Trainer Wittwer vermeidet es, allzu oft über das Spiel zu reden, "die Spieler sollen erst gar nicht merken, dass das auch für den Trainer was Besonderes ist. Die werden ohnehin so nervös sein, dass es schwer wird, alle zu erreichen." Vor dem Spiel will er nur über ein paar Standardvarianten sprechen, "wenn ich über die Schwächen des FC Bayern rede, werden mich doch ohnehin alle für verrückt erklären". Seinen Sohn hat er in der vergangenen Woche als Scout nach München geschickt, viele Erkenntnisse hat er nicht mitgebracht. Mutig sollen seine Spieler auftreten, sagt er, sich immer auf den Ball konzentrieren, "und nicht nur den Boateng anhimmeln und sich auf den Trikottausch vorbereiten". Vielleicht erzählt er vor dem Spiel daher auch noch von seiner persönlichen Bilanz gegen den FC Bayern: drei Siege, zwei Unentschieden, nur drei Niederlagen. Manchmal ist ihm zwar Alexander Zickler davongerannt, dafür hat sein Co-Trainer, Rainer Krieg, einmal mit dem Kopf getroffen.

Auf den FC Bayern, das weiß Wittwer aus seiner Zeit als Spieler, folgt der Alltag, und der heißt für Nöttingen in dieser Saison: Oberliga Baden-Württemberg, als Absteiger zählt das Team zu den Favoriten. "Die Spieler sollen sich nach dem Pokal nicht zu wichtig nehmen", sagt Wittwer, "in der Liga bekommst du keine Punkte, weil du gegen Bayern gespielt hast." Und am Mittwoch wartet im Verbandspokal der FV Brühl. Dann geht es für Nöttingen noch mehr als gegen den FC Bayern darum, den Status als einer der Größten unter den Kleinen zu verteidigen.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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