Meisterfeier der Bayern:Ehrenrunde im leeren Stadion

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Niemand, der ihnen zujubelt: Die Spieler des FC Bayern auf der Ehrenrunde (Foto: REUTERS)

Der FC Bayern siegt zum Abschluss souverän gegen Wolfsburg. Die Meisterfeier wirkt dann aber ein wenig unbeholfen - nur Thomas Müller imitiert sowas wie eine Weißbierdusche.

Von Nico Fried, Wolfsburg

Es ist 17:19 Uhr, als für den FC Bayern die Saison mit einem 4:0-Sieg in Wolfsburg endet. Und in der ersten Anmutung ist es ein Abpfiff wie jeder andere. Die Spieler gratulieren sich routiniert, manche stochern mit den Ellenbogen herum, andere klatschen sich mit den Handflächen ab. Nur Hansi Flick umarmt jeden Entgegenkommenden mit Inbrunst und lässt niemanden aus.

Meisterfeier in der Pandemie: Die Medaillen gibt's einfach an der Reservebank. Sie werden ausgehändigt, nicht umgehängt. Dann gehen die Bayern mit ihrem Trainer durchs Spalier der höflich applaudierenden Wolfsburger Spieler. Mickaël Cuisance berührt die Schale als erster, was ganz gut zu seiner Darbietung im Spiel vorher passt, von der noch die Rede sein wird. Niemand wird unter Weißbier geduscht, nur Thomas Müller imitiert die Prozedur mit einer 0,3-Liter-Plastikflasche Wasser, die er über die Locken seines Kollegen Joshua Zirkzee gießt. Die ganze Feier wirkt fast ein wenig unbeholfen. Umso bemerkenswerter ist es, dass Müller später sagen wird, neben seiner ersten sei diese Meisterschaft "die intensivste und emotionalste".

FC Bayern
:Nur die Bayern-Bosse jubeln ihnen zu

Ohne Weißbier, ohne Konfetti, ohne Fans: Nach dem Sieg gegen Wolfsburg bekommen die Münchner die Meisterschale überreicht. Impressionen von einer etwas anderen Siegerehrung.

Es ist die 30. Meisterschaft der Bayern, so steht es auf dem Rücken der T-Shirts, und die achte in Serie, das ist vornedrauf zu lesen, besonders gut auf manchem Betreuerbauch, wo sich der Stoff etwas mehr spannt als bei den Spielern. Bevor aber die Bayern sich feiern, feiert DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, dass diese Saison überhaupt zu Ende gespielt werden konnte. "Das ist ein besonderer, aber auch ein sehr seltsamer Moment", sagt der Mann, der die Wiederaufnahme des Spielbetriebs maßgeblich vorangetrieben hat. "Keine Zuschauer, kein Jubel, keine Pfiffe." Was die vergangenen Wochen zu erleben war, sei "nicht die Bundesliga, die wir wollen", sagt Seifert, fügt aber lieber gleich hinzu, dass mindestens der Beginn der nächsten Saison diesem Ende noch sehr ähnlich sehen werde.

Die eigentliche Zeremonie beschränkt Seifert darauf, aus gebührendem Abstand auf einen Quader am Anstoßpunkt zu zeigen und den Kapitän der Bayern zur Abholung der Meister-Trophäe aufzufordern: "Manu, hier ist Eure Schale." Dreimal reckt Manuel Neuer das Ding in die Luft, begleitet vom Jubel seiner Mitspieler. Dann wandert sie von Hand zu Hand. Geküsst wird sie dieses Jahr nicht. Aus den Lautsprechern dröhnt "We are the champions", Konfetti gibt's keines.

Auch das Spiel selbst hatten die Bayern zuvor recht umstandslos gestaltet. Trainer Hansi Flick gewährte Alvaro Odriozola, der Leihgabe von Real Madrid, als rechtem Verteidiger einen zweiten Einsatz in der Startelf und damit auch gleich eine Art Abschiedsspiel. Cuisance spielte ebenfalls von Beginn an. Ansonsten aber liefen die eingespielten Kräfte auf und auch sofort voll guten Willens aufs gegnerische Tor zu. Gerade mal drei Minuten dauerte es, ehe Robert Lewandowski und Thomas Müller an der Strafraumgrenze Kingsley Coman freispielten, der den Ball ungehindert von halbrechts ins lange Eck schießen konnte.

Danach entwickelte sich ein durchaus temperamentvoller Kick, der auch deshalb Tempo aufnehmen konnte, weil die Corona-Abstandsregeln aus dem richtigen Leben diesmal auch auf dem Platz weithin Anwendung fanden. Serge Gnabry lief wiederholt unbedrängt in den Wolfsburger Strafraum und versuchte es binnen zwei Minuten mit je einem Schuss von Rechts und Links, scheiterte aber an Koen Casteels im Wolfsburger Tor. Als er in der dritten Aktion, statt nochmal selbst zu schießen quer passte, traf Coman nur das Außennetz. Auch Müller und vor allem Lewandowski vergaben ihre Chancen. Dafür erzielte der überaus agile Cuisance nach einer halben Stunde mit einem platzierten Linksschuss aus gut 20 Metern in den Winkel sein erstes Bundesliga-Tor und freute sich darüber, als habe er die Meisterschaft soeben noch einmal entschieden.

Nach der Pause zielte Gnabry weiter kontinuierlich am Ziel vorbei, als wolle er die zugeklappten Sitzschalen hinter dem Wolfsburger Tor einzeln aufschießen. Mit seinem ausgeprägten Eigensinn handelte er sich schließlich einen ziemlich wütenden Zuruf von Lewandowski ein und wenig später auch seine Auswechslung. Die Gastgeber rückten jetzt näher an ihre Gegenspieler, trafen dabei aber mitnichten immer den Ball. Das bekam zuerst Leon Goretzka schmerzhaft zu spüren, was Josuha Guilavogui die gelbe Karte einbrachte, später Cuisance, was dem Wolsburger die gelb-rote Karte und Robert Lewandowski einen Elfmeter bescherte, den er nach verzögertem Anlauf zu seinem 34. Saisontreffer verwandelte. Damit ist er der zweitbeste Torjäger der Liga-Geschichte hinter Gerd Müller (40 Tore). Zwei Gründe führte Lewandowski nach dem Spiel an, warum es zum Rekord nicht gereicht habe: Der Fußball zu Gerd Müllers Zeiten sei etwas anders gewesen als heute - und er habe in dieser Saison drei Spiele verpasst, unter anderem wegen einer Gelb-Sperre.

Das 100. und letzte Saisontor der Bayern erzielte dann Thomas Müller, der dabei so viel Platz und Zeit hatte, dass er vor dem Treffer zum 4:0 auch noch einen Purzelbaum hätte schlagen können. Für ihn, der unter Niko Kovac so gut wie aussortiert war und dank Hansi Flick wieder in die Spur fand, ein Saisonabschluss wie gemalt. Der Herbst des vergangenen Jahres sei für den Verein nicht einfach gewesen, "auch für mich persönlich", so Müller. Und an die Geisterspiele wolle man sich lieber gar nicht erst gewöhnen. Ohne die Zuschauer sei der Wettkampf zwar genauso intensiv, aber es fehle, "das Gefühl", so Müller, "das Wofür".

So kann man eben nur so tun, also ob. Also gingen die Bayern auch noch auf eine kleine Ehrenrunde durch die leere Arena in Wolfsburg. Fast jeder Kameramann und jeder Ordner bekam so an diesem Tag sein persönliches La Ola.

© SZ vom 28.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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