Deutschland im Finale der Basketball-WM:Jetzt kennt die Welt Andreas Obst

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Versenkte den mitentscheidenden Dreier in der Schlussphase gegen die USA: Andreas Obst. (Foto: Tilo Wiedensohler/Camera4+/Imago)

Deutschland steht sensationell im Endspiel der Basketball-WM. Großen Anteil daran hat Andreas Obst, der den letzten Dreier gegen die USA versenkt - er steht stellvertretend dafür, wie sehr Europa im Vergleich zu Amerika aufgeholt hat.

Von Ralf Tögel

Da stand er nun, mit diesem großen, silbernen Pokal in den Händen, der Trophäe für den MVP, den "Most Valuable Player", und lächelte etwas schüchtern. So recht wusste Andreas Obst das Geschehen in diesem Moment noch nicht einzuordnen, das dürfte wohl auch noch etwas dauern. Denn nach dem sensationellen 113:111-Triumph der deutschen Basketballer gegen den großen Favoriten USA bleibt nicht viel Zeit, um den historischen Augenblick auszukosten. Am Sonntag bereits (14.40 Uhr, ZDF und Magentasport) geht es im Finale der Weltmeisterschaft in Manila gegen Serbien um den Titel. Also nahm der wertvollste Spieler des Halbfinales sein neues Glitzerstück und entschwand in die Kabine.

Ein paar Stunden werde man diesen Erfolg genießen, hatte Trainer Gordon Herbert zuvor erklärt, das schon, aber dann gelte alle Aufmerksamkeit der Mannschaft von Trainer Svetislav Pesic. Der 74-jährige Altmeister Pesic, der sich hierzulande mit dem EM-Sieg 1993 mit Deutschland Ruhm verschafft hat, hatte kurz vorher die Niederlage des nordamerikanischen Basketballs eingeleitet. Seine Serben hatten, wohlgemerkt ohne einige ihrer besten Spieler, die hoch eingeschätzten Kanadier mit 95:86 Punkten geschlagen. Neben den USA, die sich logischerweise ausschließlich aus Akteuren der weltbesten Liga NBA rekrutieren, stehen die Kanadier für den vermeintlich übermächtigen Basketball aus Übersee. Auch der Großteil der kanadischen Profis verdient sein Geld in der NBA. Diese beiden Teams wurden folgerichtig im Finale erwartet - nicht aber im kleinen. Dass sich nun zwei Vertreter des alten Kontinents um die WM-Krone streiten, wird in Mutterland des Basketballs als Schmach empfunden und belegt gleichzeitig, dass die USA ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit eingebüßt haben.

Es ist nicht mehr so einfach, die großen Titel zu gewinnen, räumt der US-Trainer ein

Zwar fehlten Trainer Steve Kerr die ganz großen Namen - wie LeBron James, Stephen Curry oder Kevin Durant -, doch der neunmalige NBA-Meister (fünfmal als Spieler, viermal als Trainer) gestand nach der Niederlage gegen das deutsche Team die Neuordnung im Weltbasketball ein: "Es ist nicht mehr 1992. Die Spieler auf der ganzen Welt sind besser, die Teams werden besser. Es ist nicht mehr so einfach, eine WM oder Olympische Spiele zu gewinnen."

In der Tat zählen seit Jahren europäische Spieler wie der Slowene Luka Doncic, der Grieche Giannis Antetokounmpo oder der Serbe Nikola Jokic in der NBA zu den Besten.

Bei der Weltmeisterschaft stehen die deutschen NBA-Akteure um Spielmacher Dennis Schröder im Fokus, die Wagner-Brüder Franz und Moritz (beide Orlando Magic) oder Daniel Theis (Indiana Pacers). Am deutschen WM-Märchen schreiben natürlich auch andere maßgeblich mit: Isaac Bonga, Johannes Thiemann, Johannes Voigtmann oder Maodo Lo, Spieler, die in der Euroleague internationale Erfahrung auf höchstem Niveau sammeln, in einer Liga, die sich dem Niveau der NBA stark angenähert hat.

Trifft aus jeder Distanz: Andreas Obst ist auch von US-Profi Jalen Brunson nicht zu stoppen. (Foto: -/AFP)

Und natürlich Andi Obst: "Das war der entscheidende Punkt für unsere Niederlage", befand US-Trainer Kerr, "großen Respekt vor Schröder, der als schneller Aufbauspieler zum Korb ziehen kann. Ich denke aber, dass Obst der Schlüssel zum Sieg für die Deutschen war." Der Guard des FC Bayern München blieb hingegen bescheiden. Ob dies sein bestes Spiel war? "Ich weiß nicht, vielleicht", meinte der 27-Jährige, "auf jeden Fall mein wichtigstes. Ich muss mich schon noch ein bisschen kneifen. Mit dieser Gruppe ist es eine Ehre zu spielen."

Gut antizipiert: Der FC Bayern hat den Vertrag mit Obst vorzeitig bis 2026 verlängert

Die angesprochenen Teamkollegen waren da schon weniger schüchtern in der Beurteilung seiner Leistung: "Wir sagen immer, Andi ist der beste Werfer dieses Planeten. Er ist unglaublich", lobte Co-Kapitän Johannes Voigtmann. Dennis Schröder erinnerte sich noch an Obsts Anfangszeiten im Nationalteam, der zwar schon immer herausragend aus der Distanz habe werfen können, aber anfangs nicht so recht wusste, "wann er wie zum Korb ziehen soll".

Das hat sich gründlich geändert. Zwar versenkte Obst im Halbfinale vier Dreier im gegnerischen Korb, darunter den entscheidenden zum 111:107, er traf aber auch sicher aus dem Halbfeld, zog viele Fouls bei seinen Dribblings zum Korb und war mit sechs Assists hinter Schröder (neun) zweitbester Vorlagengeber im Team.

Obst hat das Ausbildungsprogramm des ehemaligen deutschen Serienmeisters Bamberg durchlaufen, schaffte nach einem kurzen Gastspiel in Spanien beim neuen deutschen Meister Ulm den Durchbruch in der Bundesliga und reifte beim FC Bayern München zu einem der besten Distanzschützen der europäischen Königsklasse.

Unter FCB-Coach Andrea Trinchieri verbesserte der Guard zudem sein Spiel in der Abwehr, eignete sich einen wuchtigen Zug zum Korb und Spielmacherqualitäten an. Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic, bekanntermaßen der Sohn von Serbiens Coach Svetislav Pesic und deutscher WM-Bronzemedaillengewinner 2002, antizipierte offenbar die Leistungen seines Guards, als er im vergangenen März dessen Vertrag vorzeitig um zwei Jahre bis 2026 verlängerte.

Die WM sieht Pesic junior natürlich mit besonderer Freude: Zum einen steht sein Vater, der auch den FC Bayern 2014 zur deutschen Meisterschaft führte, im Finale - zum anderen spielen dort auch Obst, Bonga und Niels Giffey, also drei seiner Spieler. Im Halbfinale bereitete Obst ihm besondere Freude: "Andi ist nicht nur ein fantastischer Schütze, der in den vergangenen zwei Jahren viel an sich gearbeitet hat. Er ist auch ein unglaublicher Wettkämpfer, er hat dieses Mal das Team getragen." So bleibt der Euroleague wie auch der Bundesliga nach Lage der Dinge eine ihrer Attraktionen erhalten, wenngleich man den bescheidenen Jungen aus Halle an der Saale nun auch in Übersee kennen dürfte.

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