Basketball:Herzblut und Gewerbesteuer

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Aus und vorbei: Otis Livingston II nach dem Abstieg. (Foto: Peter Kolb/Imago)

Nach dem Rückzug von Carl Steiner und dem Abstieg aus der Bundesliga wollen insgesamt 18 neue Gesellschafter den Bayreuther Basketball retten. Sie wollen aus der schieren Anzahl eine Tugend machen.

Es gebe da so eine "verzwickte Situation", sagt der Hallensprecher kurz vor dem Tippoff, aber nach der Schlusssirene zwickt nichts mehr, es tut nur noch weh. Medi Bayreuth hätte am Mittwochabend siegen müssen gegen Heidelberg, die drei Spiele danach auch noch gewinnen, Crailsheim wiederum hätte alle verbliebenen Partien verlieren müssen, nur dann wären die Oberfranken in der Basketball-Bundesliga (BBL) verblieben.

Es läuft an diesem Abend, wie es oft lief in der nun zu Ende gehenden Bundesliga-Saison: Bayreuth hält gut mit, Bayreuth hat seine starken Momente, aber insgesamt viel zu viele und viel zu lange Schwächephasen. Jetzt ist Schluss mit den Konjunktiven: Der Traditionsklub steigt ab, nach 13 Jahren in der höchsten Spielklasse.

Otis Livingston II versenkt noch einmal einen bedeutungslosen Wurf im Korb, 38 Punkte hat er an diesem Abend gemacht, doch nun dreht er sich um und trottet einsam und mit leerem Blick weg vom Geschehen. In ein paar Minuten wird sein Trainer Mladen Drijencic sagen, dass Livingston keine Hilfe bekommen habe, dass die Leistung "inakzeptabel" gewesen sei. Nicht, dass Drijencic noch Hoffnung auf den Ligaverbleib hatte - er findet nur, dass man sich in so einer verzwickten Situation anders zu präsentieren habe. Seine Mannschaft habe defensiv schlecht gespielt, seine Erläuterungen zum Verhalten des Gegners ignoriert, und damit "heute unser Schicksal besiegelt". Also: ein verdienter Abstieg.

Bemerkenswert ist, dass in Bayreuth jetzt niemand in tiefe Trauer verfällt. Erstens hatte sich der Abstieg lange abgezeichnet. Zweitens gab es nach einer langen Zeit des Frusts kürzlich auch versöhnliche Momente. Als Drijencic die Mannschaft Anfang Februar übernahm, hat sich noch einmal etwas verändert. Es machte öfter wieder Spaß, dem Team zuzusehen, es lieferte sich spannende, unterhaltsame Duelle. Immerhin kamen nun an einem Werktag noch einmal 2305 Zuschauer, um es aus der Bundesliga zu verabschieden. Fünf Minuten nach der 96:102-Niederlage stehen Hunderte von ihnen da und schlagen sich die Klatschpappen gegen die Handflächen, einige laufen aufs Parkett und holen sich noch ein Selfie mit Livingston ab, das geht ja vielleicht bald nicht mehr.

20 Spielminuten zurück. In der Halbzeit sitzt Ulrich Eichbaum im Presseraum der Oberfrankenhalle. "Die Fans sind eine unserer wichtigsten Säulen", sagt er, zum Glück sei mit Drijencic noch einmal "der Funke übergesprungen". Es ist wichtig, dass in solch einer Phase des sportlichen Niedergangs ein paar Säulen stehenbleiben. Eichbaum, 41, ist mehr als ein regelmäßiger Zuschauer: Bis 2012 war er Manager des BBC Bayreuth, davor hatte er einen Fanklub mitgegründet. Und er kann auch groß denken. Ende 2011 wäre es ihm fast geglückt, Kevin Durant nach Oberfranken zu holen, während eines NBA-Lockouts.

"Bayreuth ist eine Basketballstadt, die Power ist da", sagt Eichbaum

Vergangenen Januar hatte der Alleingesellschafter Carl Steiner seinem Freund Eichbaum mitgeteilt, dass er aussteigen werde. Und ihn gebeten, bei der Nachfolgersuche zu helfen. Auch dank Eichbaum gibt es nun insgesamt 18 neue Gesellschafter, inklusive ihm selbst. "Bayreuth ist eine Basketballstadt, die Power ist da. Deshalb war es auch kein großes Thema, die 18 Gesellschafter zu finden. Das spricht für den Standort", findet er.

Einerseits sind sie so viele, weil es den einen, großen Sponsor nicht mehr geben wird. Andererseits kann man aus der schieren Anzahl der beteiligten Personen auch eine Tugend machen. Es gibt einfach insgesamt viele Menschen, denen der Verein am Herzen liegt, das ist die Nachricht. Vergangene Woche erst hatten die Gesellschafter ihre konstituierende Sitzung, kurz vor dem Spiel gegen Heidelberg wurde die erste Personalie bekanntgegeben: Neuer Geschäftsführer nach dem Rücktritt von Johannes Feuerpfeil wird Friedrich Hartung, ehemaliger Bayreuther Eishockey-Goalie und Referent Feuerpfeils. "Wir sind uns sicher, dass wir mit dem neuen Geschäftsführer den richtigen Mann für die hohen Anforderungen, die auf uns zukommen, gefunden haben", sagt Eichbaum über den Jungspund. Hartung ist erst 27 Jahre alt. Man wolle "jeden Stein umdrehen", um zu analysieren, wie es zum Abstieg kommen konnte, sagt Eichbaum. Weitere Entscheidungen sollen am 8. Mai, beim Saison-Abschlussfest, bekanntgegeben werden. Trainer Drijencic übrigens will sich noch ein wenig mehr Bedenkzeit geben, ob er in Bayreuth weitermacht.

Es geht nun natürlich darum, "im Bereich Sponsoring die vorhandene Basis zu halten, aber zugleich neue Partner zu finden", sagt Eichbaum. Die wirtschaftlichen Anforderungen der BBL stiegen Jahr für Jahr, und dort wolle man ja auch bald wieder hin. "Wir wollen auch die Jugendarbeit weiter professionalisieren, Stichwort: hauptamtliche Nachwuchstrainer oder Trainingshalle. Dies wird nur mit steigenden finanziellen Mitteln gehen." Aber wie soll das funktionieren, wenn nun die Mannschaft auch noch eine Liga tiefer spielt, und abgesehen von einem Traditionsduell in der Pro A wie gegen Leverkusen oder im Derby gegen Nürnberg eher mauer Zweitliga-Alltag herrscht?

Eichbaum sagt auch: "Ohne die Stadt wird es nicht gehen." Es sei den Gesellschaftern bewusst, dass die Zeiten schwierig seien, "aber sie muss trotzdem ihren Beitrag leisten". Freilich nicht mit Direktzahlungen. Aber zum Beispiel, wenn es darum geht, die bald 35 Jahre alte Oberfrankenhalle aufzuhübschen. Schon im vergangenen Jahr hatte der damalige Trainer Raoul Korner kein Blatt vor den Mund genommen und gesagt, die Infrastruktur sei eine Katastrophe, die Stadt tue nichts. Die neuen Gesellschafter sagen das nicht direkt, aber sie finden: Wenn sich 18 Menschen zusammentun, Menschen, die Herzblut mitbringen und obendrein auch noch Gewerbesteuer zahlen, dann ist das per se ein Appell, den Basketballsport nicht hängen zu lassen.

Vielleicht, sagt der Stadionsprecher am Ende des Abends, "feiern wir ja genau in einem Jahr schon wieder den Aufstieg". Eichbaum blickt mit den Händen in den Hosentaschen durch die Scheibe hinunter aufs Parkett. Aufbruchsstimmung? Ja, sagt er, er empfinde das so. Das ist bei diesem Ende, das sich gerade unten auf dem Parkett anbahnt, zumindest schon mal ein guter Anfang.

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