Basketball:Endlich vorbei

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Die Erniedrigung als Erwartung: Für Robert Lowery und die Würzburger war in dieser Saison selten etwas zu holen. (Foto: Heiko Becker/HMB-Media/imago)

Die Saison der Würzburger Basketballer endet, wie sie angefangen hat: mit einer Demütigung. Nach der hohen Niederlage gegen den Absteiger Vechta stellt sich auch diese Frage: Gewöhnt man sich irgendwann ans Verlieren?

Von Sebastian Leisgang

Denis Wucherer hat eine gewisse Erleichterung in der Stimme. Das 62:95 gegen Vechta ist erst ein paar Stunden her, und dafür, dass seine Mannschaft gerade von einem Gegner vorgeführt wurde, der zuvor nur sechs Spiele in einer ganzen Saison gewonnen hatte, dafür klingt Wucherer sogar ziemlich glücklich. Die Spielzeit sei derart frustrierend gewesen, sagt der Trainer der Würzburger Basketballer, dass er jetzt einfach nur froh sei, dass es vorbei ist. Kurze Pause. "Sowas habe ich noch nicht erlebt. Es gab keinen einzigen Tag, an dem wir nicht darüber nachgedacht haben, was wir falsch machen."

Spricht so einer, der resigniert hat? Der sich in den vergangenen Monaten damit abgefunden hat, zu den Verlierern zu gehören?

Als Einheit sollte der Kader spielerische Defizite wettmachen - dieser Plan ging nicht auf

Es ist Sonntag, der Abend nach dem letzten Saisonspiel. Wucherer ist deutlich anzumerken, welch große Last von ihm abgefallen ist. Nach 34 Spielen ist seine Mannschaft mit 18:50 Punkten ins Ziel gekommen. Keine gute Bilanz, doch Würzburg wird auch nächstes Jahr wieder in der Bundesliga spielen. Wucherer sagt deshalb: "Wir haben unser Ziel erreicht - wenn auch nicht mit besonders viel Stil."

Die Geschichte der Würzburger Saison ist eine Geschichte, die davon erzählt, wie es ist, immer wieder hinzufallen. Sie erzählt zwar auch davon, wie man es schafft, aufzustehen, wenn man am Boden liegt - in erster Linie geht es aber um Enttäuschung, nicht um Hoffnung. Ums Verlieren, nicht ums Gewinnen.

Eine kurze Rückblende. Anfang Oktober, ein Vorbereitungsturnier in Rostock, noch vier Wochen bis zum Saisonauftakt. Tags zuvor hatte Würzburg das Halbfinale gegen Chemnitz gewonnen, nun traf Wucherers Mannschaft im Endspiel auf Hamburg. Eine Bewährungsprobe für das runderneuerte Team, ein Test, der eigentlich recht gelegen kam, dann aber zum Hamburger Schützenfest wurde. Hinten lief bei Würzburg genauso wenig zusammen wie vorne, am Ende verlor das Team 63:100, und Wucherer sagte nach dem Spiel, er sei nicht überrascht, dass es recht früh an Grenzen gestoßen sei. Die Erniedrigung als Erwartung, das war der Anfang, so ging es los.

Vor zwei Jahren standen die Unterfranker noch im Europe-Cup-Finale, vor gut einem Jahr spielten sie um die Playoffs mit, dann kam das Virus, die Saison wurde abgebrochen, der Würzburger Etat halbiert. Mit den wenigen Mitteln stellten die Verantwortlichen einen Kader zusammen, der als Einheit daherkommen und so spielerische Defizite wettmachen sollte. Das war die Idee, doch der Plan ging nicht auf. Es fehlte an Erfahrung, an Wettkampfhärte, auch an der Unterstützung des Publikums. Als die Leute noch in die Halle kommen durften, taten sie einiges dafür, um aus der Halle eine Hölle zu machen. Die Gegner sollten spüren, dass in Würzburg nichts zu holen war. Mit den Fans im Rücken wuchs die Mannschaft ein ums andere Mal über sich hinaus, drehte verloren geglaubte Spiele, stürzte Favoriten. Jetzt aber, ohne die Zuschauer, gewann Wucherers Team nur zwei Heimspiele, Ende Februar gegen Gießen und Ende April gegen Bamberg.

Würzburg war in aller Regel ein guter Gastgeber, sowas kratzt an einem wie Wucherer. Schwierig wird es dann, wenn es beim Verlieren nicht mehr um den Sport geht. Nicht mehr darum, wer den Ball häufiger in den Korb geworfen hat, sondern um Grundsätzlicheres, um Würde, wenn man es mal recht weit oben einhängen will.

Bei Würzburg ging es in dieser Saison häufig um Grundsätzlicheres. 61:90 gegen Hamburg, 84:124 und 66:116 gegen Oldenburg, 66:95 gegen Frankfurt und am Sonntag dann auch noch dieses 62:95 gegen Vechta. "Peinliche Auftritte", sagt Wucherer, "da können wir uns wirklich glücklich schätzen, dass wir mit Gießen und Vechta zwei Mannschaften gefunden haben, die hinter uns geblieben sind."

Ist ein 62:95 eher zu ertragen, wenn man weiß, wie sich ein 66:116 anfühlt?

Wucherer ist mit seiner Mannschaft in diesem Jahr ziemlich oft hains Gericht gegangen, manchmal grenzten seine Analysen an Abrechnungen. Die Frage, wie sehr es einen mitnimmt, Spiele zu verlieren, hat ja auch damit zu tun, wie nah man die Spiele an sich heranlässt, und Wucherer ist keiner, der mit verschränkten Armen vor seiner Trainerbank steht und ein Spiel an sich vorbeiziehen lässt.

Nur: Bleibt das auch so? Oder fällt einem das Verlieren mit der Zeit etwas leichter? Ist so ein 62:95 wie gegen Vechta eher zu ertragen, wenn man weiß, wie sich ein 66:116 anfühlt? "Nein", sagt Wucherer, "ich will nicht sagen, dass man sich daran gewöhnt, keine Chance zu haben. Wir hatten aber genug Zeit, den ganzen Frust schon während der Saison abzubauen." Kurze Pause, dann sagt er noch: "Es ist witzig, irgendwie bin ich jetzt sogar glücklicher als nach den letzten beiden Jahren." Glücklich, dass am Wochenende kein Spiel mehr ansteht, glücklich, dass es vorbei ist.

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