Basketball:Draftsystem im US-Sport: Die Verlockung des Verlierens

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Boston (dpa) - Mit Niederlagen zum ganz großen Gewinn - oder auch: je schlechter, desto besser. Was sich widersprüchlich anhört, wird derzeit in der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA wieder heiß diskutiert.

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Boston (dpa) - Mit Niederlagen zum ganz großen Gewinn - oder auch: je schlechter, desto besser. Was sich widersprüchlich anhört, wird derzeit in der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA wieder heiß diskutiert.

Die Philadelphia 76ers haben vor der Partie gegen die New York Knicks 22 Spiele nacheinander verloren. Noch unglaublicher als diese Bilanz ist die Tatsache, dass die Sixers trotzdem nicht Liga-Letzter sind. Denn ihre 15 Siege aus 68 Spielen sind tatsächlich zwei mehr als die der Milwaukee Bucks.

Deshalb grübeln sie in Amerika längst darüber, ob hinter den Niederlagen Absicht steckt? Und deshalb hat wieder ein Begriff Hochkonjunktur, der für die NBA-Oberen ein Tabuwort ist: Tanking. Er fällt, wenn Teams auffallend oft und über einen langen Zeitraum verlieren. Der neue Liga-Boss Adam Silver hatte unlängst betont, dass es ein Tanking nicht gebe. Er spricht stattdessen von einem „einem System, das Mannschaften zum Neuaufbau ermutigt“.

Dieses System funktioniert so: je schlechter eine Mannschaft, desto größer die Chance, bei der jährlichen Verteilung der Nachwuchsspieler - der Draft - die Top-Talente zu bekommen. Die nordamerikanischen Profiligen versuchen, damit ein sportliches Gleichgewicht zu erzielen. Das schlechteste NBA-Team hat in der Draft-Lotterie eine 25-prozentige Chance, das größte Talent zu bekommen. So könnte aus einem Verlierer schon bald ein Lucky Loser werden.

Die Cleveland Cavaliers gewannen 2002/03 nur 17 von 82 Spielen, hatten dann bei der Draft das Erstzugriffs-Recht und holten sich LeBron James. Den Pittsburgh Penguins gelangen als Schlusslicht der Eishockey-Liga NHL in der Saison 2003/04 gerade mal 23 Siege in 82 Vorrunden-Partien. Die Fans wurden für die eine der schwächsten Spielzeiten der Vereinsgeschichte jedoch mit der Verpflichtung von Sidney Crosby entschädigt - inzwischen der Top-Star der Liga.

Bei den Philadelphia 76ers hoffen sie, am 26. Juni einen ähnlichen Glücksgriff zu landen. Die Talente dieses Draft-Jahrganges gelten als besonders verheißungsvoll. In Jabari Parker, Andrew Wiggins und Julius Randle sehen viele Experten künftige Superstars. Doch deshalb eine komplette Saison einfach so wegwerfen?

Mike Krzyzewski schüttelt bei derartigen Vermutungen den Kopf. „Als Amerikaner würde es mir nicht gefallen, wenn ein amerikanisches Team verlieren will oder Situationen kreiert, so dass man verlieren möchte“, betont Krzyzewski. Er trainiert seit 1980 das College-Team der Duke University und ist seit 2005 zugleich Cheftrainer der US-Nationalmannschaft. Und „Coach K“ kennt das Geschäft natürlich genau. Er weiß, dass man Partien vielleicht nicht unbedingt absichtlich verlieren muss, aber Trainer und Manager durch gezielte Eingriffe das Team zumindest so schwächen können, dass ein Sieg sehr unwahrscheinlich wird.

So haben sie in Philadelphia vor der Saison in Jrue Holiday den einzigen Allstar nach New Orleans geschickt und im Gegenzug in Nerlens Noel jemanden bekommen, der aufgrund eines Kreuzbandrisses seit Februar 2013 ausfällt. Zum Ende der Wechselfrist wurden mit Spencer Hawes, Lavoy Allen und Evan Turner drei Stammspieler ohne nennenswerten Gegenwert nach Cleveland und Indiana abgegeben. Einige Medien sprechen deshalb von „Selbst-Sabotage“ und bescheinigen dem aktuellen 76ers-Team ein Niveau wie in der zweitklassigen D-League.

Doch für die Vereins-Verantwortlichen ist das alles Teil eines Langzeitplans. Lieber einmal richtig schlecht, als jahrelang im unteren Mittelfeld versauern. Der NBA-Rekord für die längste Pleiten-Serie liegt bei 26 Spielen, gehalten von den Cleveland Cavaliers. Am 29. März könnten die 76ers diese Marke brechen. Es gibt mittlerweile nicht wenige, die ihnen zutrauen, sogar alle verbleibenden 14 Vorrundenpartien zu verlieren.

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