NBA:Dennis Schröder - Kleiner Schlaks mit großer Klappe

Lesezeit: 4 min

Auf jeden Fall gut genug für die NBA: Dennis Schröder. (Foto: dpa)

Die Atlanta Hawks stehen vor dem Playoff-Aus in der NBA - trotz, aber auch wegen der Leistung des jungen Deutschen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Es lief die Schlussphase im ersten Spiel der Playoff-Serie zwischen den Cleveland Cavaliers und den Atlanta Hawks, als Dennis Schröder feststellen musste, welch enge Verwandte Glanz und Elend doch häufig sind. Gerade noch war der junge Heißsporn mit dem blonden Tupfer im dunklen Haar energisch an LeBron James vorbeigezogen und hatte den Basketball zum 86:86-Ausgleich in den Korb gelegt. Es waren die Punkte 26 und 27 für ihn, keiner der anderen 22 Mitwirkenden konnte eine solche Ausbeute vorweisen, nicht einmal James, der wohl beste Basketballer des Planeten. Noch nie hatte Schröder in einem Playoff-Match so viel gepunktet.

Und doch war kurz darauf alles vorbei. Binnen 67 Sekunden verlor der deutsche Nachwuchsstar den Ball gleich zweimal an James, die Cavaliers zogen auf und davon, Minuten später war Atlanta mit 104:93 besiegt - trotz, ein bisschen aber auch wegen Schröders Leistung.

27-Punkte-Show

Das ständige Auf und Ab, es kennzeichnet auch das dritte Jahr dieses so frechen und talentierten wie unverschämten, mit 22 Jahren immer noch so jungen Braunschweigers in der US-Profi-Liga NBA. 0:3 liegen seine Hawks im Ostküsten-Halbfinale mittlerweile hinten, ob ihre Reise wie schon im Vorjahr abrupt endet, wird sich womöglich schon im vierten Aufeinandertreffen mit Cleveland an diesem Sonntagabend entscheiden. Und auch Schröders persönliche Playoff-Bilanz ist noch nicht geschrieben, denn auf die 27-Punkte-Show am Dienstag folgten in den Spielen zwei und drei am Donnerstag und Samstag ein eher mäßiger und ein höchstens ordentlicher Auftritt.

NBA
:Nowitzki steigt bei den Mavericks aus - um sie besser zu machen

Der Basketball-Star will zum Karriereende nochmal einen Titel gewinnen. Dafür verzichtet er sogar auf Gehalt.

Und doch, betrachtet man die gesamte Saison und lässt den Ausgang der Ausscheidungsrunde einmal außen vor, dann steht trotz aller Leistungsschwankungen fest: Dennis Schröder ist in der NBA angekommen. Die Grundsatzfrage, ob der kleine Schlaks mit der großen Klappe gut genug ist für diese Liga - er hat sie beantwortet.

Sein arrogantes Image ist ein Schutzpanzer

Dass es so kommen musste, war keineswegs ausgemacht, denn der Sohn einer gambischen Mutter und eines deutschen Vaters lungerte als Jugendlicher lieber mit Freunden und seinem Skateboard im Park herum als in der Basketballhalle und im Kraftraum zu trainieren. Erst mit 16, als sein Vater überraschend starb, schwor er sich, es in die NBA zu schaffen. "Ich habe es ihm versprochen", hat Schröder später oft erzählt.

Aus dem lässigen Skateboarder wurde beinahe über Nacht ein Besessener, den man auch heute noch nach Mitternacht und vor Sonnenaufgang in der Halle antreffen kann. Dass er das Image des arroganten Schnösels noch immer nicht ganz loswird, ist manch unklugen Äußerungen geschuldet, die sein großes Selbstbewusstsein als pfauenhaftes Stolzieren erscheinen lassen. Doch vielleicht ist die vermeintliche Arroganz auch ein Schutzpanzer, den er sich seit seiner Kindheit angelegt hat. "Alle Menschen um mich herum waren weiß. Wenn ich rein kam, sagte niemand meinen Namen, alle tuschelten nur: ,Er ist schwarz'", hat sich Schröder jüngst in der Slam, dem wichtigsten Basketballmagazin der USA, erinnert. "Es war schrecklich."

Basketball in der NBA
:Steph Curry ballert sich zum Dreier-Rekord

Das gab es noch nie: Steph Curry versenkt in einem NBA-Spiel 13 Distanzwürfe. Der Mann von den Golden State Warriors ist die Highlight-Maschine des Basketballs. Ein Best-of in Videos.

Von Jonas Beckenkamp

Wie ein Außenseiter sieht Schröder heute nicht mehr aus, eher wie der Prototyp des US-Basketballers: großflächige Tattoos auf den muskulösen Oberarmen, Brillies am und Minilautsprecher im Ohr. Nur der blonde Haartupfer sticht heraus - ein Kompromiss zwischen seinen eigenen Vorstellungen und denen seiner Mutter, die sich gewünscht hatte, dass er die Haare komplett hell färbt.

Wichtiger aber als jede Äußerlichkeit ist seine Spielweise, mit der er seine Mitspieler und - meist - auch Trainer Mike Budenholzer von sich überzeugt hat. "Diese Geschwindigkeit, mit der er zum Korb zieht", staunt Center Al Horford auch nach drei Jahren an Schröders Seite immer noch. "Entweder er macht den Korbleger, oder er spielt ab und verschafft einem von uns anderen einen freien Wurf." Die Slam nannte Schröder jüngst eine "Zündkerze, die den Hawks einen glühend heißen Wettbewerbsvorteil verschafft".

In einer Umfrage auf NBA.com bezeichneten vor wenigen Wochen fünf von acht Sportreportern den jungen Deutschen als besten oder zweitbesten Ersatz-Aufbauspieler der Liga - wobei "Ersatzspieler" in der NBA ein irreführender Begriff ist: Mit durchschnittlich fast 20 Minuten spielt er kaum weniger als der etatmäßige Point Guard Jeff Teague, immer öfter setzt Budenholzer ihn auch in der "crunch time" ein, in jener Spielphase also, in der es um alles oder nichts geht. "Er ist nicht perfekt - Schröders Leistung ist gelegentlich unbeständig, sein Sprungwurf muss besser werden, und manchmal hat er Probleme, die richtige Entscheidung zwischen Angriff und Rückzug zu treffen", sagt Lang Whitaker vom Internet-Blog All Ball. "Aber wenn er gut drauf ist, dann ist er so gut, dass ein All-Star wie Teague im entscheidenden Moment auf der Bank sitzen bleiben muss."

Elf Punkte macht Schröder mittlerweile pro Spiel, dazu kommen - für einen Aufbauspieler ebenso wichtig - 4,4 Vorlagen. Wie gut er ist, zeigt sich, wenn man diese Werte auf die übliche Vergleichsspielzeit von 36 Minuten hochrechnet: Dann nämlich stehen knapp 20 Punkte und acht Assists zu Buche, Zahlen, mit denen sich Schröder kaum noch hinter Spitzen-Guards wie John Wall oder Chris Paul verstecken muss. Was den nur 1,85 Meter großen Jungspund zudem auszeichnet, ist, dass er auch gegen Gegner punktet, die einen ganzen Kopf größer sind als er. Selbst hünenhafte Liga-Veteranen wie der fünffache Meister Tim Duncan von den San Antonio Spurs mussten sich Schröders freche Unerschrockenheit schon gefallen lassen.

Schröder bewirbt sich für den Titel des "Sixth Man of the Year"

Dazu ist er mit seiner Armspannweite von 2,03 auch ein bissiger Abwehrspieler, der den angreifenden Point Guard zur Weißglut treiben kann - zuletzt Isaiah Thomas von den Boston Celtics, der Schröder im dritten Spiel des Playoff-Viertelfinals entnervt eine Ohrfeige verpasste. "Er ist einer der ganz wenigen Spieler, die ihre Mannschaft offensiv wie defensiv besser machen, wenn sie von der Bank kommen", hat der Basketball-Dienst "Fastbreak" jüngst geschrieben und dafür plädiert, den prestigeträchtigen Titel des "Sixth Man of the Year", des besten Einwechselspielers der Liga also, in diesem Jahr an Schröder zu verleihen.

Daraus ist vorerst nichts geworden, und dennoch gibt es wohl nur wenige, die daran zweifeln, dass Schröder schon bald ein Vielfaches jener 1,8 Millionen Dollar wird verdienen können, die er in dieser Saison einstreicht. Er lässt sich auf seinem Weg scheinbar durch nichts aufhalten. Neulich prallte er mit dem Knie von Portlands Center Meyers Leonard zusammen. Schröder verlor einen Zahn, klaubte ihn vom Boden auf, steckte ihn in seine linke Socke - und spielte weiter.

© SZ vom 08.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundesliga
:Trainer Pesic: "Wir sind im Basketball noch nicht der FC Bayern"

Der Trainer der Bayern-Basketballer Svetislav Pesic wünscht sich im SZ-Interview "mehr Unterstützung und mehr Respekt" vom Bayern-Präsidium.

Von Joachim Mölter, Philipp Schneider und Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: