Basketball:Der Riese brummelt Positives

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Neuer Lead-Team-Player für die Bayern: Othello Hunter, hier noch im Trikot von Maccabi Tel Aviv. (Foto: David Ramirez/ZUMA Wire/imago)

Dass sich Euroleague-Dauerbrenner Othello Hunter für einen Wechsel zum FC Bayern München entschieden hat, hat mit seiner Frau zu tun - und mit Trainer Andrea Trinchieri. Mit seinem neuen Klub will er den Titel holen, und damit meint er nicht die Bundesliga.

Von Thomas Becker

Warum genau sie ihn bei Maccabi Tel Aviv am Ende doch nicht mehr haben wollten, das wissen nur die Bosse des israelischen Top-Klubs. Könnte aber damit zusammenhängen, dass auf Othello Hunters Center-Position Jalen Reynolds vom frechen Emporkömmling FC Bayern eine verdammt gute Saison gespielt hatte - der ist nun mal sieben Jahre jünger als der 35-jährige US-Amerikaner aus Winston-Salem, North Carolina. Also wechselte Reynolds aus München nach Tel Aviv - und Hunter dann aus Tel Aviv nach München. Fragt man Hunter im Bayern-Trainingslager in Bruneck (Südtirol), wie es ihn nach Stationen in halb Europa nach Deutschland verschlagen hat, dann erzählt er mit bemerkenswert dunkler Brummel-Stimme: Mit seiner Frau habe er die Angebote sondiert, bis sie meinte: "Ah, da hast du noch nicht gespielt. Lass uns nach Deutschland gehen!"

Die Basketball-Bundesliga (BBL) kann Frau Hunter dankbar sein, denn in dem 2,03 Meter hohen Center bereichert sie nun ein Spieler, den mal getrost als Euroleague-Dauerbrenner bezeichnen kann: Seit der Saison 2012/13 hat Hunter durchgehend in der Euroleague gespielt, 216 Einsätze. 2019 gewann er mit ZSKA Moskau den Euroleague-Titel und ist damit nach KC Rivers erst der zweite Spieler in München, der den begehrtesten aller europäischen Cups in der Hand hatte. So einer hat den Bayern gerade noch gefehlt.

In jungen Jahren trug Hunter in 23 NBA-Spielen das Trikot der Atlanta Hawks

Sportdirektor Daniele Baiesi lobte den big man unlängst über den grünen Klee: "Der Wert seiner puren Anwesenheit auf dem Feld und in der Kabine wird nicht zu bemessen sein für uns. Die Karriere und die Leistungen, die Othello in seinem Leben vollbracht hat, sprechen für sich. Wir sind unglaublich stolz, dass ein solch großartiger und hochdekorierter Spieler für uns spielen wird." Geschäftsführer Marco Pesic sieht das ähnlich: "Othello ist als Führungsspieler schon ungemein wichtig für das Team, nicht nur, weil er die Qualität hat und perfekt zu unseren Guards passt, sondern auch wegen seiner Erfahrung und seines Auftretens, ähnlich wie James Gist in der vergangenen Saison." Nach regen Transfertätigkeiten sieht es auf der Center-Position nun so aus: Neben Hunter hat der Kämpfer Leon Radosevic den Vertrag verlängert, Marvin Ogunsipe kommt von seiner Leihe aus Hamburg zurück, und Gavin Schilling wechselte aus Braunschweig zu den Bayern.

Hunter durfte in jungen Jahren, von 2008 bis 2010, in 23 NBA-Spielen das Trikot der Atlanta Hawks tragen. Mit Olympiakos Piräus wurde er zwei Mal griechischer, mit Maccabi zwei Mal israelischer Meister, und auch in Russland, Spanien und Italien half er, Titel zu holen. Dass er ein Teamplayer ist, war schon beim Vorbereitungsspiel gegen Zweitligist Verona zu sehen: Wie die anderen Vip-Zugänge Darrun Hilliard und Augustine Rubit spielte Hunter zwar nicht, war aber auch von der Bank aus voll dabei. "Immer für das Team zu arbeiten, ist eine Selbstverständlichkeit", brummelte der Riese durch die FFP2-Maske.

"Manchmal trifft man, ohne es zu beabsichtigen, jemanden, der dieselbe Vision hat", sagt Trinchieri

Fragt man nach seiner Motivation, zu Bayern zu wechseln, sagt er ohne eine Sekunde zu zögern: "Der Coach. Die Bayern wollten mich, ich habe mich mit dem Trainer unterhalten, und dann war die Sache sehr schnell klar. So einfach geht das manchmal." Es sei das erste Mal gewesen, dass er sich noch nicht mal den ganzen Kader angeschaut habe: "Ich kannte ein paar der Jungs, alles prima Kerle, auch ein paar Junge. Die sind hungrig! Und bereit, so wie ich! Das gibt mir ein richtig gutes Gefühl. Keiner ist eigensinnig, was besonders ist, denn nicht selten hat man Teams, in dem alle eigensinnig sind. Hier wollen alle lernen und besser werden. Ich bin mit meiner Entscheidung total zufrieden." Auch mit dem Trainer: "Er ist ein besonderer Typ, legt viel Wert auf Details, ist sehr Defense-orientiert."

Andrea Trinchieri gibt die Komplimente zurück: "Manchmal trifft man, ohne es zu beabsichtigen, jemanden, der dieselbe Vision hat. Nach drei Sätzen macht es Klick, und du weißt, dass ihr auf der selben Seite des Buchs lest. Othello ist ein Lead-Team-Player: sehr erfahren, mit Lucic das Rückgrat des Teams. Er kam sehr bereit und in perfektem Shape hierher, in besserer Form als die jüngeren Spieler - das sagt alles über ihn. Er macht seinen Job, er will gewinnen, ich will gewinnen." Und wie zur Bestätigung sagt Hunter auf die Frage, was in dieser Saison möglich sei: "Alles! Mein Ziel ist immer der Titel. Ich glaube, dass wir das schaffen können. Es gibt keinen Teil von mir, der etwas Anderes glaubt. Warum sollten wir es nicht gewinnen?" Und damit meint er sicher nicht den BBL-Titel. Den wird er als weiteren Länderpunkt sicher gern mitnehmen, aber was für einen wie ihn wirklich zählt, ist die Euroleague.

"Seit der Pandemie ist Geld nicht mehr das alleinige Kriterium, wenn sich ein Spieler entscheidet, wo er spielen soll", berichtet Pesic

Dass die Bayern-Bosse bei der Einkaufs-Tour nun höher ins Regal greifen können, ist nach den jüngsten Transfers offensichtlich. "Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, ist bei Spielern und Beratern schon so angekommen, dass wir interessanter geworden sind", sagt Geschäftsführer Pesic, "wir haben aber finanziell keine verrückten Sachen gemacht, sondern sind in unserem Rahmen geblieben. Seit der Pandemie ist Geld nicht mehr das alleinige Kriterium, wenn sich ein Spieler entscheidet, wo er spielen soll." Wieder bestätigt Hunter die Einschätzung seiner Chefs: "Die Art, wie sich hier die Team-Organisation selbst trägt, ist besonders", meint der weit Gereiste, "in anderen Klubs sieht das anders aus. Bei Bayern wird darauf geachtet, dass alles okay ist. Ich mag es einfach, für ein gut organisiertes Team zu spielen, und in dieser Hinsicht ist Bayern definitiv top." Auch der Standort München komme ihm entgegen: "Es geht ein bisschen langsamer zu als in den Städten, in denen ich bisher gespielt habe. Ich mag das."

Dass zur nächsten Saison der 12500 Zuschauer fassende SAP Garden als neue Spielstätte zur Verfügung steht, sei gar nicht so wichtig: "Die vielen Zuschauer machen für mich keinen großen Unterschied. Ich spiele nicht für die Galerie, sondern für mich. Während Covid mussten wir eh zeigen: Wie gut kannst du ohne Fans spielen? Natürlich bringen die nochmal eine andere Dynamik, eine andere Energie ins Spiel, und natürlich willst du, dass die dich anfeuern, das gibt nochmal ein anderes Feeling." Besonders motiviert wird er beim ersten Euroleague-Match am 30. September in jedem Fall sein. Der erste Gegner heißt nämlich: Maccabi Tel Aviv.

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