Basketball:Der nächste Tiefschlag

Lesezeit: 3 min

Zum Verstecken: Münchens Center Othello Hunter will nach dem Pokal-Aus in Chemnitz nur noch verschwinden. (Foto: Bert Harzer/Eibner/Imago)

Pokal-Titelverteidiger FC Bayern München verpasst nach einer schwachen Leistung bei den Niners Chemnitz die erste mögliche Titelchance und steht nun vor zwei schweren Heimspielen in der Euroleague.

Von Ralf Tögel

Man muss nicht viel Fantasie haben, um zu erahnen, dass der Beginn der aktuellen Saison als Seuchenzeit in die Annalen der Basketballer des FC Bayern eingehen wird. Die verkorkste Vorbereitung wegen mehrere Corona-Infektionen und verletzter Spieler, der schwache Saisonstart, Spiele ohne Zuschauer, dann noch die Information, dass sich die Fertigstellung der neuen Multifunktionsarena SAP Garden um ein Jahr verzögern wird. Und nun gesellt sich ein weiterer Tiefschlag zu den vielen schlechten Nachrichten, der indes weitgehend hausgemacht ist: Der Pokalsieger ist am Sonntagabend im Viertelfinale überraschend mit 80:85 an den Niners Chemnitz gescheitert. Es war die vierte Niederlage in den vergangenen fünf Spielen, darunter die ehrabschneidende 20-Punkte-Abreibung in Würzburg und die höchste Saisonniederlage vergangenen Freitag in Monaco. Spätestens beim Auftritt in Chemnitz musste man den Eindruck gewinnen, dass die Nerven beim Ligafavoriten blank liegen.

Denn konnte man den schwachen Auftritt beim edel besetzten AS Monaco noch mit der Qualität des Kontrahenten erklären, so fällt das beim Bundesliga-Gegner Chemnitz ungleich schwerer. Natürlich ist zu berücksichtigen, dass in Zan Sisko, der nach einem Impfdurchbruch weiter aussetzen muss, dem angeschlagenen Ognjen Jaramaz, dem wegen der Ausländerregel pausierenden Deshaun Thomas und den verletzten Leon Radosevic und Paul Zipser eine Handvoll Hochkaräter fehlten. Auch, dass es sich für den Gastgeber um das Spiel der Saison handelte, entsprechend frenetisch war die Stimmung der knapp 3900 Zuschauer. Und für die Euroleague-gestressten Münchner war es nationaler Pflichtalltag.

Trotz aller Unwägbarkeiten hatte Trinchieri die weitaus besseren Akteure auf dem Feld, eine Auswahl von solcher Qualität und Erfahrung darf sich nicht derart überrumpeln lassen. Nur im ersten Abschnitt (26:21) wurde der FCB seinen Möglichkeiten gerecht, dann fiel es den Münchner Profis zusehends schwer, die nötige Energie aufzubringen. Zur Pause lag der Titelverteidiger nach einem schwachen zweiten Viertel (13:23) bereits hinten.

Keine Zeit für Frust: Schon am Dienstag gastiert Fenerbahce Istanbul in der Euroleague

Wer nun eine der bisher oft gezeigten Leistungssteigerungen der Bayern nach einer der berüchtigten Kabinenansprachen des Trainers erwartete, wurde gründlich enttäuscht. Die Abwehr der Gäste agierte weiterhin mit schweren Beinen, ein Aufbäumen war nicht zu erkennen. Zu viel für Trinchieris kochende Seele, sein Zorn entlud sich an einer vermeintlichen Fehlentscheidung von Schiedsrichterin Anne Panther, die den nachhaltig zeternden Italiener kurzerhand mit zwei technischen Fouls versehen in die Kabine schickte. Danach brach der Favorit völlig auseinander, agierte kopflos und verunsichert, sein Spiel war geprägt von Ballverlusten und Fehlwürfen, das der Chemnitzer von Leichtigkeit und einer hohen Trefferquote. Mit 19 Punkten Vorsprung startete der Gastgeber in den Schlussabschnitt und erst jetzt offenbarten die Bayern ihre Möglichkeiten.

Angeführt von Ausnahmekönnern wie Vladimir Lucic, Darrun Hilliard (je 14 Punkte) und Augustine Rubit (13) holte der Pokalsieger Punkt um Punkt auf, aus der Distanz verrichtete Topscorer Andreas Obst (18 Punkte) die für ihn vorgesehene Aufgabe und 77 Sekunden vor dem Ende war der 80:81-Anschluss hergestellt. Aber ausgerechnet ein Stockfehler von Lucic brachte den entscheidenden Nachteil, Chemnitz zitterte den Sieg verdient ins Ziel. Damit sind die Bayern aus dem ersten ihrer drei Wettbewerbe ausgeschieden, der Pokal ist die am einfachsten zu gewinnende Trophäe und hatte die vergangene Saison der Bayern vor der Titellosigkeit bewahrt.

Der Frust jedenfalls sitzt tief, zuvorderst beim Trainer, der bemüht war, nicht als schlechter Verlierer dazustehen und eine "aufrichtige Gratulation" an Chemnitz aussprach. Um sich danach die Schuld für den Misserfolg selbst anzulasten: "Ich fühle mich für diese Niederlage sehr verantwortlich. Ich habe mein Team alleingelassen, meine Nerven haben meine Emotionen überkochen lassen." In der Tat ist es nicht abwegig, dass die Präsenz des charismatischen Trainers die Aufholjagd zu einem glücklichen Ende hätte führen können, nun bleibt ihm nichts weiter als Abbitte - und die Mannschaft vor allem mental schnell wieder zu ordnen.

Denn schon am Dienstag gastiert der ehemalige Euroleague-Champion Fenerbahce Istanbul im Audi Dome (20.30 Uhr), vorbereitet vom ehemaligen Bayern-Trainer Sascha Djordjevic. Eine weitere Niederlage gegen dieses hochkarätig besetzte Ensemble wäre zwar leichter zu erklären, würde die Situation der Münchner aber weiter verschärfen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: