Basketball:16 Mann im Doppeldecker

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Solche Pässe spielen in den Plänen des FC Bayern keine Rolle mehr: Petteri Koponen (links) wird den Klub verlassen, dafür ist Nick Weiler-Babb (rechts) von den Riesen Ludwigsburg gekommen. (Foto: Imago/Eibner)

Als erste Hallensportler nehmen die Bundesliga-Basketballer den Ligabetrieb wieder auf. In Europa und den USA hat man sich schon nach dem Konzept der deutschen Liga erkundigt.

Von Joachim Mölter, München

Stefan Niemeyer hat nicht schlecht gestaunt, als er am Freitagmorgen die Delegation verabschiedete, die seinen Verein Rasta Vechta beim Finalturnier der Basketball-Bundesliga (BBL) in München vertritt: 16 Leute umfasst die Auswahl, zehn Spieler, sechs Betreuer; es ist das kleinste Kontingent aller zehn Teilnehmer. Aber für diese Mini-Mannschaft, so erzählte es Klubchef Niemeyer, hatten seine Mitarbeiter einen Doppeldeckerbus gechartert. Woraus man nun schließen kann: Die Basketballer nehmen es ernst mit den empfohlenen Abstandsregeln.

Nach fast genau drei Monaten Zwangspause wegen der Corona-Pandemie nimmt die BBL am Wochenende ihren Spielbetrieb wieder auf, zwar bloß mit zehn der ursprünglich 17 Mannschaften, aber immerhin als erste Hallen-Liga überhaupt. Die deutschen Basketballer sind Pioniere, in den nächsten zwei Wochen wollen sie in Spanien, Israel und China nachziehen und ebenfalls wieder um Punkte spielen, wie hierzulande ebenfalls unter Ausschluss von Zuschauern in den Arenen. Am Donnerstag hat auch die nordamerikanische Profiliga NBA angekündigt, ihre seit März unterbrochene Saison fortzusetzen: vom 31. Juli an, mit 22 der insgesamt 30 Mannschaften, die alle an einem Ort spielen, nämlich im Freizeitpark Disney World in Orlando/Florida.

Die NBA gilt als beste, mächtigste und reichste Basketballliga der Welt, aber selbst die hat sich in Deutschland erkundigt, wie sie hier den Spielbetrieb organisieren in Zeiten der Corona-Krise. "Nach der Genehmigung haben wir unser Konzept zum Download auf unsere Homepage gestellt", sagt BBL-Geschäftsführer Stefan Holz; wer sich das 48-seitige Dokument heruntergeladen hat, könne er nicht sagen: "Aber wir hatten auch offizielle Anfragen, vor allem aus Europa. Da gibt es einen erheblichen Bedarf." Nicht nur im Basketball, wie Holz hinzufügt: "Wir sind in Deutschland auch mit den Kollegen vom Handball und Eishockey im Austausch." Dort hatten seine Kollegen diese Saison vorzeitig abgebrochen, aber irgendwann wollen und müssen ja auch sie wieder mal anfangen. Dann können sie auf die Erfahrungen der Basketballer zurückgreifen.

Die spielten während der Hochphase der Epidemie auf Zeit und warteten die Entwicklung so lange wie möglich ab, in der Hoffnung, die Saison doch noch zu einem sportlichen Ende bringen zu können. "Von zehn Wochen hätte ich gesagt, das ist eine spinnerte Idee", gibt Stefan Niemeyer zu, "aber im Moment bin ich der Meinung, wir haben alles richtig gemacht." Zehn Klubs erklärten sich bereit, die Saison in Turnierform zu Ende zu spielen; Titelverteidiger FC Bayern bot an, den Kampf um die Meisterschaft zu organisieren.

Die Basketballer bilden für die Turnierdauer eine geschlossene Gesellschaft

Das Hygiene- und Sicherheitskonzept der BBL, das die bayerische Staatsregierung am 19. Mai absegnete, ist angelehnt an das der Deutschen Fußball Liga (DFL), aber auf die Bedürfnisse der Basketballer zugeschnitten. Im Gegensatz zu den Kickern bleiben sie an einem Ort, in einem Hotel, in einer Halle. Sie bilden für die Turnierdauer eine geschlossene Gesellschaft, "ein eigenes Ökosystem", wie Holz es formuliert. Durch die rigorose Abschottung von der Außenwelt, selbst von Familienangehörigen und Hotelpersonal, soll die Ansteckungsgefahr vermieden werden.

Jeder Klub darf maximal 22 Leute in dieses System schicken, dazu kommen rund ein Dutzend Schiedsrichter sowie einige Liga-Mitarbeiter. Insgesamt sind es rund 260 Personen, die zu den sogenannten "aktiv Spielbeteiligten" zählen und unter Quarantänebedingungen die drei Wochen bis zum Finale am 28. Juni verbringen. Wer im Hotel eincheckt, ist vorher mindestens zweimal negativ auf das Coronavirus getestet worden; im Laufe des Turniers wird die Gesundheit der Akteure regelmäßig kontrolliert.

Beim Fußball dürfen sich während eines Bundesligaspiels 324 Menschen im und ums Stadion bewegen; die Basketballer kommen mit 130 aus. Außerhalb der Arena sollen sich höchstens 18 Leute aufhalten aus den Bereichen TV-Produktion, Ordnungsdienst und Transport. Im Audi Dome selbst ist die Zahl der "aktiv Spielbeteiligten" am und auf dem Spielfeld dann auf 51 beschränkt; dazu kommen 61 "passiv Spielbeteiligte" mit Sicherheitsabstand auf der Tribüne - in erster Linie Wettkampfgericht, TV-Mitarbeiter, Medien, weitere Klubangehörige.

Nicht nur der neue FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer sieht das Turnier als Chance für den Sport, sich zu präsentieren und Aufmerksamkeit zu erlangen: "Es wird in den nächsten Wochen nur Fußball und Basketball geben", erinnerte er neulich im Bayerischen Fernsehen. Zu sehen sind die jeweils zwei Spiele pro Tag allerdings bis auf wenige Ausnahmen nur im Internet, auf der Telekom-Plattform Magentasport. Klubs wie der FC Bayern und die BG Göttingen haben deshalb schon Übertragungen im Autokino organisiert.

Die Basketballer haben tatsächlich innerhalb kurzer Zeit eine ganze Menge auf den Weg gebracht, um das Überleben ihrer Liga in diesen Zeiten zu ermöglichen. "Wir haben schon eine lange Reise hinter uns", resümierte Stefan Holz am Freitag nach all den Vorbereitungen, "aber wir sind noch lange nicht am Ziel - wir fangen ja erst mit dem Spielen an."

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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