Protest in Basketball-Bundesliga:Untergegangen in einer Welle der Entrüstung

Niels Giffey, Rickey Paulding, Rokas Giedraitis, Johannes Thiemann / Aktion / Spielszene / Zweikampf / / Basketball / B

Gesicht des Oldenburger Basketballs: Der Amerikaner Rickey Paulding (am Ball) verkörpert die Diversität der Bundesliga wie kein anderer.

(Foto: O.Behrendt/imago)

Kurz vor Beginn des Finalturniers greift Liga-Chef Stefan Holz die Rassismus-Debatte auf - und trübt die Stimmung unter den Basketballern gewaltig.

Von Joachim Mölter

Die Auswahl der BG Göttingen hat sich am Donnerstagnachmittag als erste Mannschaft auf den Weg nach München gemacht, zum Finalturnier der Basketball-Bundesliga (BBL). Die maximal erlaubten 22 Akteure - in diesem Fall 13 Spieler sowie neun Trainer und Betreuer - setzten sich per Bus in Bewegung, irgendwann am Abend, nach 520 Kilometern Fahrt, sollten sie dann in dem Münchner Hotel einchecken, das bis zum Finale am 28. Juni als Quartier der insgesamt zehn teilnehmenden Klubs dient. Die BG Göttingen hat zwar nicht die längste Anreise (die haben die Kollegen aus dem rund 210 Kilometer Luftlinie nordwestlich gelegenen Oldenburg), aber sie ist die erste Mannschaft, die in dem wegen der Corona-Pandemie neu erdachten Turnierformat antritt: Am Samstagnachmittag bestreitet sie das Eröffnungsspiel gegen die Merlins Crailsheim.

Die deutschen Basketballer sind die ersten Hallensportler, die nach der Corona-Pause den Betrieb wieder aufnehmen; die anfängliche Skepsis ist einer gewissen Vorfreude gewichen, dass wieder was möglich ist - wenn auch nur unter strengen Hygieneauflagen sowie unter Ausschluss von Zuschauern in der Halle. Aber nun, kurz bevor das Turnier losgeht, ist die Stimmung schwer getrübt worden von der Rassismus-Debatte, die gerade aus den USA über den Atlantik schwappt.

Wegen der Tötung des Schwarzen George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis, hatten am Wochenende bereits Fußballprofis in der Bundesliga sichtbar protestiert. Das wurde von der Liga geduldet, zumindest haben die Funktionäre die Aktionen nicht sanktioniert, wie es sonst üblich ist, wenn etwas als politische Äußerung eingeordnet wird. Am Mittwoch äußerte sich nun auch der BBL-Geschäftsführer Stefan Holz zum Thema. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur im Hinblick auf das Finalturnier wies er darauf hin: "Grundsätzlich ist es so, dass politische Äußerungen im Ligabetrieb verbal oder non-verbal nicht gestattet sind." Im Basketball, so Holz weiter, gelte genau wie im Fußball: "Wir treiben Sport, und es gibt keine politischen Äußerungen in jedwede Richtung, da öffnen wir nicht die Tür." Dass er am Ende seiner Erklärungen hinzufügte, "gleichwohl hätten wir Verständnis, wenn das Thema gerade die Spieler aus den USA beschäftigt", ging schon unter in der Welle der Empörung und Entrüstung, welche binnen weniger Stunden über Holz und die Liga hereinbrach. Kurz zusammengefasst lautete der Tenor so: Die Liga nimmt den Spielern das Recht auf freie Meinungsäußerung, unterdrückt Protest gegen Rassismus. Skandal!

Ulms Kapitän Per Günther schrieb umgehend seinen Kollegen auf Twitter (und in Englisch): "Liebe BBL-Spieler, wenn ihr euch im kommenden Turnier ausdrücken und eure Haltung gegen Rassismus vertreten wollt, fühlt euch frei, dies zu tun. Die ersten 10 000 Euro an Strafen gehen auf mich." Dafür bekam er viel Lob, auch von früheren Mitspielern aus den USA. Der für Bamberg spielende Bryce Taylor, ein gebürtiger Amerikaner mit deutschem Pass, erklärte: "Rassismus ist eine Sache von Menschenrechten." Er erinnerte, dass fast die Hälfte aller BBL-Profis schwarz seien, so wie er: "Ich fühle mich abgestoßen von der Haltung, die da zum Ausdruck kommt."

Holz schickt eine persönliche Stellungnahme hinterher

Die Klubs reagierten schnell und unisono auf den drohenden Imageschaden. Sie versprachen ihren Profis Rückhalt, falls sie sich gegen Rassismus äußern wollten, oder verbreiteten entsprechende Mitteilungen gleich auf ihren Kanälen in den Sozialen Medien weiter. "Diese Grundhaltung ist keine politische Botschaft, sie ist ein nicht zu verhandelnder Konsens", teilte Oldenburgs Gesellschafter Hermann Schüller mit: "Wir lassen unsere Spieler nicht im Regen stehen. Schon gar nicht jetzt!" In Oldenburg ist der dienstälteste BBL-Profi aktiv, der 37 Jahre alte Amerikaner Rickey Paulding ist längst die Identifikationsfigur des Klubs. Auch Münchens Geschäftsführer Marko Pesic bezog Stellung: "In einer Zeit, in der es um Solidarität und Zusammenhalt geht, kann niemand den Spielern das Wort verbieten. Sich gegen Rassismus zu stellen, ist keine politische Äußerung, sondern eine Lebenseinstellung."

Am Abend erklärte die BBL dann einsichtig: "Den Sportlern geht es vor allem um ein Statement gegen Rassismus und nicht um individuelle politische Meinungsäußerung. Daher werden wir selbstverständlich in diesem Zusammenhang von Sanktionierungen absehen." Am Donnerstagmorgen schickte Stefan Holz eine persönliche Stellungnahme hinterher. Er bedauere seine Aussagen, die er "so nicht mehr treffen würde und deren Wirkung ich wohl nicht vollständig bedacht habe". Der Jurist räumte ein, "zu sehr die formalen Festlegungen der Liga zu politischen Äußerungen im Spielbetrieb vor Augen gehabt" zu haben.

Holz kommt ursprünglich nicht aus dem Sport, wahrscheinlich fehlt ihm deshalb etwas Geschichtsbewusstsein. Hierzulande waren die ersten schwarzen Profis ja im Basketball unterwegs, in den Sechzigerjahren schon. Und dass auch George Floyd mal ein talentierter Basketballer gewesen ist, sogar ein Stipendium am College bekam und deshalb für viele Jugendliche in seiner Heimatstadt Houston ein Vorbild war, wusste Holz offenbar auch nicht. Sonst wäre er das Thema wohl sensibler angegangen.

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links Elias Harris (Brose Bamberg, 20) rechts 06 Michael Kessens (RASTA Vechta) unten 14 Philipp Herkenhoff (RASTA Vech

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