Baseball-Bundesliga:Der schweigsame Hai

Lesezeit: 3 min

"Er ist kaltblütig, völlig emotionslos": Scott Harkin. (Foto: Baseball Overseas/oh)

In den Spielen, in denen ein Nicht-EU-Ausländer ran darf, wird in dieser Saison regelmäßig Scott Harkin für die Regensburg Legionäre auf dem Werferhügel stehen. Der erfahrene Pitcher soll dazu beitragen, dass der einstige Dauermeister mal wieder den Titel holt.

Von Christoph Leischwitz

Es ist neun Uhr morgens, doch Martin Helmig werkelt schon seit zwei Stunden an seinem Haus herum - Renovierungsarbeiten, die endlich einmal angepackt werden müssten. "Sieben Uhr anfangen, das ist eine gute Zeit, um nachzudenken", sagt der 63-Jährige. In den vergangenen Monaten hat er sehr viel Renovierungsarbeit in seinem Job geleistet.

Die Regensburg Legionäre "sind wieder da", findet Helmig, das habe man beim Saisonstart erkennen können. "Ich habe viele gute Dinge gesehen", sagt der Trainer aus der bayerischen Baseball-Hochburg. Natürlich waren die Legionäre überhaupt nicht weg. Es geht aber schon seit Jahren darum, eigentlich schon seit einem Jahrzehnt, wann der einstige Dauermeister mal wieder den Titel holt. Am Freitag startete die neue Spielzeit bei den Heidenheim Heideköpfen, nicht wenige nennen dieses Duell den "Clasico" des deutschen Baseballs. 2023 gewann Heidenheim das Halbfinale gegen die Oberpfälzer recht deutlich. Und jetzt verloren die Legionäre die erste Partie nach einem kleinen Homerun-Festival zwar 5:10, doch die Antwort am Samstag fiel beim 6:3 eindrucksvoll aus - gerade weil sich zuvor schon gezeigt hatte, wie stark die Heidenheimer Offensive ist. Helmig gibt keine Prognosen ab, was er sagen will, ist: Mit uns ist wieder zu rechnen.

Er kann das sagen, weil der Kader der Regensburger stärker wirkt als im Vorjahr. Er sagt das aber wohl auch, weil er einen Spieler hat, der fast im Alleingang wichtige Partien gewinnen kann. In Spiel zwei, also dann, wenn ein Nicht-EU-Ausländer ran darf, wird nun regelmäßig Scott Harkin auf dem Werferhügel stehen. Der 32-jährige Kalifornier hat das Zeug, am Ende der Spielzeit viele Werfer-Statistiken anzuführen. Am Samstag pitchte er vier Durchgänge, Heidenheim gelang dabei ein Punkt, den aber Harkin nicht verschuldete. Er hat den Spitznamen "the shark" mitgebracht, eine Anspielung an seinen Nachnamen, aber auch an seine Art, mit Gegnern umzugehen. "Er ist kaltblütig", sagt Helmig über ihn, "völlig emotionslos." Das ist auf seiner Position, in der man oft unter Druck versuchen muss, mit millimetergenauer Wurfarbeit den gegnerischen Schlagmann zu übertölpeln, eine sehr passende Eigenschaft.

Harkin lässt Strikes, Fehlwürfe, für sich sprechen, er selbst redet wenig. Einer im Verein sagt: Der Begriff "introvertiert" wurde wohl für Harkin erfunden. Er spielte schon in mehreren internationalen Top-Ligen, auf Youtube findet man sogleich ein Video, wie er in Fernando Tatis Jr. einen der besten US-Major-League-Schlagmänner per Strikeout zurück auf die Bank schickt - eine Momentaufnahme, sicherlich. Doch einem Hai sind große Namen eben egal. Dem Vernehmen nach war auch Glück dabei, dass Harkin überhaupt nach Regensburg kam. Zuletzt spielte er in Australien, und er drehte dort erst so richtig auf, als er die Zusage in der Oberpfalz schon gegeben hatte.

In der restlichen Kaderplanung haben die Legionäre so wenig wie möglich dem Zufall überlassen

Am anderen Ende des Legionäre-Altersspektrums steht ein 17-jähriges Talent, bei dem auch nicht sicher war, ob es dem Bundesligisten heuer überhaupt zur Verfügung steht. Edoardo Cornelli kommt aus Italien und lebt seit zwei Jahren im Regensburger Baseball-Internat, er gilt als eines der größten Talente des Kontinents und könnte sich schon jetzt einem US-amerikanischen Farmteam anschließen. "Ich möchte noch Spielpraxis sammeln und hier erst die Schule beenden", sagt er auf die Frage, warum er noch blieb. Auch wenn Cornelli als Schlagmann in Heidenheim eher noch Lehrgeld zahlte, statt Meriten zu erwerben, so stand er immerhin schon in der Startformation. Und er hat mit Harkin eine Gemeinsamkeit: Beide halten Regensburg für ein gutes Sprungbrett, um internationale Aufmerksamkeit zu gerieren. Harkin nämlich möchte noch einmal höherklassiger spielen. Wenn es für ihn in Regensburg richtig gut läuft, dann läuft es wiederum für die Legionäre irgendwo auch schlecht: Sobald die ganz großen Teams aufmerksam werden, könnte ein Spieler wie Harkin sich auch schon während der laufenden Spielzeit verabschieden.

Während sich seine Verpflichtung noch als Glücksgriff erweisen könnte, hat man in der restlichen Kaderplanung so wenig wie möglich dem Zufall überlassen. In Terrell Joyce (Bonn Capitals) und Marlon Jimenez (Mainz) hat Regensburg zwei potenziellen Playoff-Kontrahenten die besten Schlagmänner entführt, es gibt Rückkehrer und Spieler mit guter Entwicklung, findet Helmig. Der Trainer, der den Regensburgern zwischen 2008 und 2013 fünf Meisterschaften bescherte, ist auch ein Rückkehrer, er geht jetzt in die zweite Spielzeit. Und findet, dass er mit seiner Renovierungsarbeit schon sehr viel weiter ist als an seinem eigenen Haus. Am kommenden Wochenende empfangen die Legionäre die Mainz Athletics zu den ersten Heimspielen der Saison.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: