Baseball-Star Shohei Ohtani:Die Geheimnisse des 700-Millionen-Dollar-Baseballers

Lesezeit: 4 min

Der Sportler mit dem höchstdotierten Vertrag der US-Geschichte: Shohei Ohtani vor einem Testspiel am vergangenen Wochenende. (Foto: Kiyoshi Mio/USA Today Sports via Reuters Con)

Shohei Ohtani ist der bestbezahlte Spieler der MLB, soll das Gesicht der Liga sein - und steht nun im Mittelpunkt eines mysteriösen Skandals um illegale Wetten in Millionenhöhe und mutmaßlichen Diebstahl.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Shohei Ohtani war allein. Sämtliche Scheinwerfer des Dodger Stadium waren einzig auf ihn gerichtet, den Übermenschlichen des Baseballs. Es sah aus, als würde ein Außerirdischer aus dem Raumschiff steigen - und so war es auch inszeniert: Der Außerweltliche Shohei Ohtani, in einer auf Spezialisten getrimmten Sportart auf gleich zwei bedeutsamen Positionen herausragend - Schlagmann und Werfer -, wird die Menschheit künftig in diesem Stadion auf einem Hügel über der Skyline von Los Angeles mit seinen Fähigkeiten verzücken. Die Dodgers haben ihm den höchstdotierten Vertrag in der US-Sportgeschichte gegeben, 700 Millionen Dollar für zehn Spielzeiten, über Werbeverträge kommen pro Jahr 65 Millionen Dollar obendrauf. Der 29-Jährige schlenderte über den perfekt getrimmten Rasen bei der Vorstellung des Dodgers-Kaders am Sonntag, und er tat es völlig allein.

Das war ein wichtiges Detail, denn gewöhnlich läuft immer und überall Ippei Mizuhara hinter ihm, der Dolmetscher des japanischen Superstars. Wobei das eine unzureichende Bezeichnung ist: Mizuhara war nichts weniger als die Verbindung zwischen der Welt und Ohtani. Der hielt sein Privatleben so geheim, dass die Leute rätselten, wie denn der Name seines Hundes sei (Dekopin), und noch nicht einmal die Dodgers oder einstige Teamkameraden bei den Angels (er spielte vor dem Wechsel sechs Jahre lang beim Lokalrivalen) wussten, dass Ohtani mit der einstigen Basketballspielerin Mamiko Tanaka liiert ist; von der Hochzeit in der Winterpause erfuhr der Verein wie der Rest der Welt per Instagram-Post. Wenn Ohtani etwas zu sagen hatte, sprach Mizuhara.

Nur: Mizuhara ist weg. Niemand weiß, wo genau er sich derzeit befindet, mit jeder neuen Information wird dieser Fall ein wenig mysteriöser. Es geht um illegale Sportwetten in Millionenhöhe, Lug und Trug und auch darum, dass die Scheinwerfer plötzlich auf Aspekte im Leben von Ohtani gerichtet sind, die er lieber unsichtbar gehalten hätte.

Die Los Angeles Times hatte vor zwei Wochen einen Tipp erhalten, dass Bundesbehörden gegen einen illegalen Sportwetten-Ring im US-Bundesstaat Kalifornien ermitteln - und dabei Bewegungen von Ohtanis Konto dorthin festgestellt hätten. Die Times-Recherchen ergaben: neun Zahlungen in Höhe von jeweils 500 000 Dollar im vergangenen Jahr, 4,5 Millionen Dollar insgesamt. Ein handfester Skandal; zum einen sind Sportwetten in Kalifornien verboten, zum anderen dürfen Baseballprofis keinesfalls auf Spiele der nordamerikanischen Profiliga MLB und nur unter strengsten Auflagen auf Events anderer Disziplinen wetten.

Vor ein paar Wochen noch das übliche Bild: Ohtani mit Übersetzer Ippei Mizuhara (links). (Foto: Jung Yeon-Je/AFP)

Die erste Reaktion von Ohtani, über Manager Nez Balelo: kein Kommentar, Ohtani wisse nichts von Ermittlungen. Die zweite, über Krisen-Kommunikations-Manager Matthew Hiltzik, der zum Beispiel auch Johnny Depp und Alec Baldwin bei deren Skandalen vertreten hatte: Ohtani habe die Spielschulden des Freundes bezahlt. Mizuhara bestätigte das in einem Interview mit US-Sportsender ESPN.

Ohtani ist ein Jahrhundert-Talent

Die dritte Reaktion kam von Ohtani selbst, auf einer Pressekonferenz verlas er am Montag elf Minuten lang ein Statement: Mizuhara habe das Geld an Buchmacher Mathew Bowyer ohne sein Wissen überwiesen; er habe Ohtani also bestohlen und belogen. Bei einem Gespräch im Hotel in Seoul, die Dodgers waren während der Vorbereitung auf die neue Saison in der südkoreanischen Hauptstadt gewesen, habe ihm Mizuhara alles gestanden. "Ich bin schockiert und sehr traurig, dass jemand, dem ich komplett vertraut habe, so etwas tun konnte. Im Hotel sagte er, dass er hoch verschuldet gewesen sei und den Buchmacher von meinem Konto aus bezahlt habe", sagte Ohtani: "Ich habe niemals auf Baseball oder andere Sportarten gewettet, und nie jemanden angewiesen, es in meinem Namen zu tun."

Drei Dinge sind bedeutsam, um die Fallhöhe zu verstehen. Erstens: Ohtani ist ein Jahrhundert-Talent, ein Promi in Lionel-Messi-Sphären - alles, was er tut, ist News; etwa, für welches Modell seines deutschen Autosponsors er sich entschied, nachdem er fünf Tage lang jeweils in unterschiedlichen Modellen zum Dodgers-Training erschienen war. Er ist das Gesicht einer Liga, die spätestens 2028 die Oakland A's nach Las Vegas umsiedeln will; vor dem Fall des landesweiten Sportwetten-Verbots 2018 hatte der US-Profisport die Stadt gemieden wie Ohtani öffentliche Einblicke in sein Privatleben.

Es gibt eine Erklärung, aber viele offene Fragen

Das ist der zweite Aspekt: Die Verbindung zwischen Profisport und Wettbranche hat sich als erträglich erwiesen (Leute, die wetten, gucken diese Spiele und sorgen somit für höhere Einschaltquoten und besser dotierte TV-Verträge), gilt aber als fragil; der Verdacht: Profis könnten über Beziehungen zu anderen Sportlern Insider-Informationen aus anderen Disziplinen bekommen. Die Strafen sind deshalb drakonisch, selbst bei vermeintlich kleinen Verstößen: Footballprofi Jameson Williams war in der vergangenen Saison für mehr als ein Drittel der Spiele gesperrt, weil er beim Wetten per Handy auf andere Sportarten noch mit dem Wlan seines Klubs Detroit Lions verbunden gewesen war.

Promi in Lionel-Messi-Sphären: Präsentation eines Ohtani-Wandgemäldes in Los Angeles. (Foto: Mike Blake/Reuters)

Ein Skandal, der die berühmteste Figur betrifft, ist demzufolge der schlimmstmögliche Fall, und das führt zu Punkt drei: Er ist mit Ohtanis Erklärung keineswegs aus der Welt, im Gegenteil: Es gibt 700 Millionen Fragen. Eine: Sind wirklich niemandem in Ohtanis Umfeld neun Überweisungen dieser Höhe aufgefallen? Eine zweite: Warum hieß es erst, Ohtani habe dem Freund aus der misslichen Lage geholfen - und nun, dass Mizuhara ihn belogen und betrogen habe? Drittens: Warum gab Buchmacher Bowyer laut Times-Quellen damit an, dass Ohtani sehr wohl zu seinen Kunden gehöre?

Genau wie die neue Baseball-Saison geht dieser Skandal gerade erst los. Die Dodgers eröffneten die Spielzeit am Donnerstag in der heimischen Arena gegen die St. Louis Cardinals mit einem 7:1-Sieg. Sie sind die großen Favoriten auf den Titel, auch wenn Ohtani wegen einer Ellenbogen-OP in dieser Saison nicht als Werfer auftreten wird. Er dürfte jedoch als sogenannter Designated Hitter (ein Schlagmann, der nicht in der Verteidigung spielen muss) zum Einsatz kommen. Es hätte ein großer Tag werden sollen - für Ohtani, die Dodgers, die MLB. Jetzt aber wird es darum gehen, worum es bei Ohtani nie gehen sollte: um etwas, das nichts mit Baseball zu tun hat.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusLionel Messi in den USA
:2000 Dollar - und dann spielt er nicht

Wer das Spektakel Messi im US-Fußball bewundern möchte, muss viel Geld hinlegen - und Glück haben, dass der Argentinier überhaupt aufläuft. Ein Besuch auf der Tribüne, zwischen frierenden Kindern und gequälten Eltern.

Von Peter Burghardt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: