Baseball-World-Series:Ein Fffoppp für die großen Gefühle

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Nach dem entscheidenden Wurf von Josh Sborz gibt es für die Texas Rangers kein Halten mehr. (Foto: Godofredo A. Vásquez/AP)

Die Texas Rangers holen zum ersten Mal in ihrer 52-jährigen Klubgeschichte die Baseball-Meisterschaft - mit viel Geld und ein paar romantischen Geschichten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wie kann man nicht romantisch werden, wenn es um Baseball geht? Diesen Satz sagen die Amerikaner immer dann, wenn jemand behauptet, die Sportart sei öde, Spiele dauerten viel zu lange und eine Saison fühle sich an wie endloses Kaugummikauen. 2471 Saisonspiele, eine durchschnittlichen Spieldauer von 168 Minuten, insgesamt fast 7000 Stunden Baseball, das sind mehr als 288 Tage. Doch dann: Verdichtet sich alles auf eine Sekunde, einen Moment. Wie kann man da nicht romantisch werden?

Die Lage am Mittwochabend war so: Die Texas Rangers lagen in der Best-of-seven-Finalserie 3:1 vorne und führten im vorletzten Abschnitt der Partie bei den Arizona Diamondbacks 1:0. Arizona-Schlagmann Pavin Smith war extra für diesen Moment eingewechselt worden. Ein toller Schlag von Smith würde den Ausgleich bedeuten; sollte er den Ball auf die Tribüne prügeln, würde Arizona sogar 2:1 in Führung gehen und höchstwahrscheinlich ein weiteres Spiel in der Finalserie erzwingen.

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Aber klar war auch: Sollte der Schlagmann aus Arizona nicht treffen, wäre Texas fast sicher World-Series-Sieger. Der Ball flog aus der Hand von Rangers-Werfer Josh Sborz 141 Stundenkilometer schnell auf Smith zu, und dann gab es dieses Geräusch, das bei Baseball-Fans Gänsehaut erzeugt: Nicht das "Tock" eines Homerun-Schlags; sondern das "Fffoppp", wenn der Ball in den Handschuh des Fängers klatscht. Smith war raus.

Die große Chance zum Comeback für die Diamondbacks verpuffte in dieser Fffoppp-Millisekunde, und ein paar Minuten später waren die Texas Rangers tatsächlich Meister - zum ersten Mal in der 52-jährigen Klubgeschichte, nach sagenhaftem Playoff-Lauf mit elf Auswärtssiegen nacheinander; Rekord in 147 Major-League-Baseball-Jahren.

Also: Wie kann man nicht romantisch werden, wenn es um Baseball geht? Klar, der Sport ist Big Business, es werden unfassbare Gehälter bezahlt. Und doch durften die Leute schon vor dieser Finalserie darüber reden, dass die Etats von Rangers (195 Millionen Dollar) und Diamondbacks (116 Millionen) zusammen unter dem der New York Mets (353 Millionen) lagen und das viele Geld eben doch keine Titel kauft. Die Mets warten seit 37 Jahren auf die Meisterschaft, und sie werden mindestens noch ein Jahr warten müssen - das Team schaffte es heuer nicht einmal in die Playoffs.

Vom Trainer zu Saisonbeginn als schlechtester Werfer beschimpft, wird Merrill Kelly in Spiel zwei der Finalserie zum Matchwinner

In der Ausscheidungsrunde schrieben zunächst die Diamondbacks die Wohlfühlgeschichte dieser Saison. Als Team mit der schlechtesten Bilanz aller Teilnehmer waren sie reingerutscht und auf wundersame Weise in der Finalserie gelandet - nach einem 3:0-Überraschungserfolg gegen die favorisierten Los Angeles Dodgers und einem starken Comeback gegen Philadelphia, als sie einen 0:2-Rückstand in ein 4:3 drehten.

In der World Series wurde Merrill Kelly dann zum Wohlfühlwerfer: Er kam 2019 nach Stationen in Südkorea und unteren US-Ligen im Alter von 30 Jahren in die MLB - und wurde vom Diamondbacks-Trainer Torey Lovullo nach wenigen Wochen als "schlechtester Stammwerfer des Baseball" geschimpft. Im zweiten Spiel der Finalserie, die Diamondbacks mussten daheim dringend gewinnen, schickte Lovullo diesen Kelly von Beginn an auf das Wurfmal - und der schaffte neun Strikeouts, es unterlief ihm kein Walk, bei dem ein Schlagmann wegen vier Fehlwürfen ohne Treffer zur ersten Base darf. Das hatten vor ihm nur sieben Spieler geschafft.

Durch das 4:1 freilich werden die Rangers zur Wohlfühlgeschichte, und ihr Aufstieg ist wahrhaft imposant: Vor zwei Jahren häuften sie 102 Niederlagen an, 94 waren es in der vergangenen Saison. Schon 2021 hatten sie sich gezielt und mit viel Geld verstärkt, alleine die Verträge von Corey Seager (wurde jetzt zum wertvollsten Spieler der Finalserie gewählt) und Marcus Semien (schaffte nach dem entscheidenden Fffoppp-Moment einen Homerun, weshalb die letzte Partie 5:0 endete) werden die Rangers insgesamt 500 Millionen Dollar kosten. In dieser Winterpause holten sie den dreimaligen World-Series-Trainer Bruce Bochy, 68, aus dem Ruhestand. Und sie verpflichteten Werfer Nathan Eovaldi, und der schrieb seine ganz persönliche Wohlfühlgeschichte.

Er hatte vor fünf Jahren mit den Boston Red Sox den Titel geholt und dabei viel Anerkennung erhalten, weil er sich als Aushilfswerfer in einer Marathonpartie geopfert hatte: Er warf 97 Mal gegen die Dodgers und sorgte dafür, dass seine Kollegen frisch in die nächsten Spiele gehen konnten - Mitspieler Rick Porcello war damals so gerührt, dass er während der Partie weinte. "Ich bin mir der Bedeutung durchaus bewusst, aber es verfolgt mich bis heute, dass wir diese Partie damals verloren haben", sagte Eovaldi vor dieser Finalserie. Er war damals der "Losing Pitcher", also derjenige, dem statistisch die Niederlage zugeschrieben wurde.

Nun, im letzten Spiel dieser Saison am Mittwochabend, ließ Eovaldi in sechs Innings keinen einzigen Run zu, und weil diejenigen, die ihn ablösten, in den drei Innings danach ebenfalls nichts anbrennen ließen, wurde Eovaldi zum "Winning Pitcher" dieser Partie. Wie kann man da nicht romantisch werden?

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