Fortsetzung im Baseball:Es gibt ausschließlich Verlierer

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In der kompletten MLB gibt es in der kommenden Saison "Designated Hitter" wie Howie Kendrick von den Washington Nationals. (Foto: AP)

Die Fortsetzung der US-Liga MLB könnte ein besonders törichtes Sportereignis werden. Aber hey, Baseball ist zurück.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die nordamerikanische Baseballliga MLB wird ihre Saison am 23. oder 24. Juli beginnen. Jeder Verein wird 60 Partien in der regulären Spielzeit absolvieren, dann beginnen die Playoffs im üblichen Format mit den üblichen zehn Teilnehmern. Das ist die Meldung, welche die MLB am Dienstag verschickte, und das Groteske daran ist: Sie hätte diese Nachricht bereits am 26. März veröffentlichen können, denn letztlich waren all die Verhandlungen der vergangenen drei Monate völlig wertlos. Es kommt nun zu dem Szenario, auf das sich Spielergewerkschaft und Liga bereits damals geeinigt hatten, und das nun niemanden zufrieden stellen dürfte - aber hey, Baseball ist zurück.

Es gibt tatsächlich ausschließlich Verlierer. Selbst der kommende Meister, favorisiert sind laut Buchmachern die New York Yankees und die Los Angeles Dodgers, dürfte den Makel einer auf ein Drittel der Spiele reduzierten Saison kaum loswerden. Schlimmer noch: Die Einigung auf eine kurze Saison erfolgte nicht, weil nun unbedingt alle Baseball spielen wollen. Sie erfolgte, weil die Liga eine milliardenschwere Klage der Spieler fürchtet, sollte sie keine Spielzeit auf die Beine stellen - und weil gleichermaßen die Spieler eine milliardenschwere Klage der Liga fürchten, sollten sie nicht antreten.

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Die Beschlusslage von Ende März beinhaltet Elemente, die wegen der aktuellen Faktenlage zur Coronavirus-Pandemie als obsolet gelten müssten, nun aber aufgrund der gescheiterten Verhandlungen bestehen bleiben. So wird die Saison nicht, wie es zum Beispiel die Basketballliga NBA in Orlando/Florida plant, an einem einzigen Ort - die Baseballer favorisierten lange ihr Sportzentrum im US-Bundesstaat Arizona - mit mehreren tauglichen Arenen in Fahrradreichweite ausgetragen. Vielmehr sollen die Spiele in den Stadien der Klubs ohne Zuschauer stattfinden.

Die Spieler lehnen eine Einigung ab, die sie finanziell besser gestellt hätte

Der konkrete Spielplan ist noch nicht veröffentlicht. Eine Vielzahl der Spiele soll zwar regional ausgetragen werden, dennoch dürfte jeder Verein in mindestens neun Städte reisen, die einen MLB-Klub beheimaten - wegen der Playoffs in wahrscheinlich sogar noch viel mehr. Ein Beispiel: Die Dodgers dürften auf jeden Fall nach San Diego, San Francisco, Denver, Phoenix, Arlington, Seattle, Oakland, Houston und Anaheim kommen. Das klingt angesichts steigender Infektionen in den USA nicht besonders klug. Es könnte sein, dass diese MLB-Saison als das nach der Adria-Tour von Tennisspieler Novak Djokovic (die die Latte allerdings unerreichbar hoch gelegt hat) törichtste Sportereignis dieses Jahres eingehen wird.

Die Spieler werden in der kürzesten Saison seit 1878 etwa 37 Prozent ihrer Gehälter kriegen, jedoch keine Boni für eine möglicherweise verlängerte Ausscheidungsrunde, keine 25 Millionen Dollar an zusätzlichem Playoff-Geld und keine Stundung von 33 Millionen Dollar für Saläre, die im Voraus bezahlt worden sind. Ja, die Spieler haben wirklich einen Vorschlag abgelehnt, der sie besser gestellt hätte als die Einigung, nach der sie nun spielen müssen. Sie werden im Gegenzug keine Mikrofone tragen müssen; mit der Maßnahme wollte die MLB mehr Zuschauer an die Bildschirme locken. Und es wird keine Werbung auf den Trikots geben. Das bedeutet: Die Spieler werden etwa 63 Prozent weniger Gehalt bekommen, und es könnte sein, dass die Eigentümer wegen der 1495 ausgefallen Partien und der Spiele vor leeren Rängen Verluste in Milliardenhöhe hinnehmen müssen - aber hey, Baseball ist zurück.

Lieber eine erzwungene Notlösung, als sich zu einigen

Beide Seiten versuchen, den Start der verkürzten Saison als Erfolg zu verkaufen: Sie weisen auf möglicherweise interessante Regeln hin wie zum Beispiel jene, dass es nun in der kompletten Liga jeweils einen Spieler pro Verein geben wird, der sich allein aufs Schlagen konzentriert (der so genannte "Designated Hitter" war bislang nur in der American League erlaubt und sorgte dafür, dass Werfer, traditionell schlechtere Schlagmänner, nicht den Knüppel schwingen müssen); und dass in der Verlängerung automatisch ein Spieler am zweiten Laufmal positioniert wird, um für ein schnelleres Ende zu sorgen.

Das mag tatsächlich für mehr Spektakel und Spannung sorgen, letztlich bedeutet der forcierte Start der Saison, dass beide Seiten einander gezeigt haben, wie wenig sie einander vertrauen und lieber diese erzwungene Notlösung akzeptieren, als sich zu einigen. Beide Seiten können dem jeweils anderen vorwerfen, nicht im besten Sinne des Sports verhandelt zu haben. Sowohl MLB als auch Spielergewerkschaft behalten somit ein Damoklesschwert in ihrer Hand, das sie bei den nächsten Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag im Jahr 2021 über den Kopf des anderen halten können. Aber hey, Baseball ist zurück.

© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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